Ein Abwehrstoff mit zwei Wirkungen

Ein Abwehrstoff mit zwei Wirkungen

Mais und Weizen verwenden das Metabolit Benzoxazinoid unterschiedlich, je nachdem, welcher Schädling sie angreift, berichten Ökologen aus Deutschland und der Schweiz.

Maispflanzen verwenden Benzoxazinoid sowohl zur Abwehr von Blattläusen als auch zum Schutz vor Raupenfraß. Weizen hat dieselben Abwehrstrategien, nur der enzymatische Schalter ist ein anderer.

Pflanzen haben im Tierreich viele Fressfeinde, gegen die sie sich verteidigen müssen, und auch Mikroorganismen fordern ihre Abwehr. Gegen viele dieser Angriffe haben Pflanzen Verteidigungsmechanismen entwickelt, doch es würde zu viele Ressourcen binden, wären all diese Mechanismen permanent aktiv. Einen Fall von geschicktem Ressourcenmanagement bei Mais, Weizen und wohl auch anderen Pflanzenarten haben Ökologen des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und der Universität Bern untersucht.

Gift gegen Raupen oder Schutz vor Blattläusen

Wie sie im Fachjournal „Science Advances“ berichten, fungiert das sekundäre Pflanzenmetabolit Benzoxazinoid in Maispflanzen als Multifunktionswaffe: Das Molekül kann eine Reaktionskette in Gang setzen, die die Leitgefäße der Pflanze abdichtet und so Blattläusen das Saugen erschwert. Es kann aber auch selbst als Gift wirken, das Raupenfraß verhindert. Ein Enzym fungiert mittels Methylierung als Schalter und entscheidet so darüber, welchen der beiden Wirkmechanismen Benzoxazinoid ausübt.

Die Forschungsgruppe hatte diesen Schalter gentechnisch in Weizen übertragen und so eingestellt, dass er nur noch als Anti-Raupenfraß wirkte. Tatsächlich waren die betroffenen Pflanzen daraufhin besonders anfällig für Blattläuse. Überraschend war für die Forscher hingegen, dass die Anfälligkeit für Pilzerkrankungen nicht anstieg. Denn die Pilzresistenz des Weizens hängt davon ab, den Zucker Kallose anzuhäufen – dieser Prozess ist jedoch an die Anti-Blattlausfunktion von Benzoxazinoid gekoppelt und war somit eigentlich abgeschaltet.

Evolutionär junger Mechanismus

Bemerkenswert ist auch, was die Forscher über die molekularen Zusammenhänge herausfanden. So nutzen Mais und Weizen zwar den gleichen Weg, um Benzoxazinoid herzustellen, und verwenden es auch für dieselben beiden Abwehrmechanismen. Das Enzym, das als Schalter zwischen diesen Alternativen fungiert, ist jedoch unterschiedlich. Beide Pflanzenarten müssen also unabhängig voneinander im Zuge der Evolution zu ähnlichen Abwehrlösungen gelangt sein. „Dies deutet einerseits darauf hin, dass die Fähigkeit, Benzoxazinoide für verschiedene Funktionen zu nutzen, relativ jung ist“, erläutert Matthias Erb von der Universität Bern. „Andererseits scheint die Fähigkeit, die Abwehr spezifisch an verschiedene Fraßfeinde anzupassen, für Pflanzen von großer Bedeutung zu sein.“

In weiteren Schritten wollen die Forscher nun klären, wie Benzoxazinoide weitere Abwehrmechanismen steuern – und vor allem, weshalb Pflanzen überhaupt ein Gift verwenden, um Abwehrmechanismen zu regulieren, was eigentlich die Aufgabe von Pflanzenhormonen wäre.

bl