Sie leben in heißen Quellen und zählen zu den ältesten Lebensformen des Planeten: Archaeen sind Mikroorganismen mit teils bemerkenswerten Stoffwechselwegen. Dazu zählt auch die Fähigkeit, Kohlendioxid aus der Luft zu verwenden, um es in chemische Verbindungen einzubauen. Gelänge es, diese Fähigkeiten in Bakterien zu übertragen, die sich biotechnologisch gut nutzen lassen, könnte so nicht nur das Klimagas einem sinnvollen Zweck zugeführt, sondern auch noch Erdöl als Rohstoff ersetzt werden.
Plattformchemikalie aus Kohlendioxid und Wasserstoff
Genau dieses Ziel hat sich das Projekt „CO2CHEM – Biologische Konversion von CO2 zur Plattform-Chemikalie 3-Hydroxypropansäure“ gesetzt. Wie der Name sagt, wollen die beteiligten Forscher aus Kohlendioxid und Wasserstoff 3-Hydroxypropansäure herstellen. Das Potenzial einer solchen Technologie ist riesig. Das zeigt sich auch darin, dass es sich bei dem im März 2015 gestarteten „CO2CHEM“ um ein ERA-IB-Projekt handelt: Das Programm „European Research Area Industrial Biotechnology“ hat das Ziel, auf europäischer Ebene wichtige Forschungsziele zu identifizieren und die entsprechenden Forschungsressourcen zu bündeln. Gefördert werden die beteiligten Projektpartner dann durch ihre jeweiligen nationalen Forschungsministerien. So sollen die nationalen Finanzmittel besonders wirksam genutzt werden können.
Sechs Partner aus drei EU-Ländern werden national gefördert
An CO2CHEM sind sechs Partner aus drei EU-Ländern beteiligt: Projektkoordinator Peter Dürre von der Universität Ulm sowie Teilprojekte an der Universität Frankfurt am Main, der Universität Nottingham (Großbritannien), der Technischen Universität von Dänemark, der britischen Firma Lanza Tech und der Siemens AG. Rund drei Millionen Euro Fördermittel beziehen die Projektpartner insgesamt. Die universitären Partner befassen sich inbesondere damit, die Gene für geeignete Enzyme zu identifizieren, in industrietaugliche Bakterien zu übertragen und so die für die chemische Umwandlung von CO2 und H2 in 3-Hydroxypropansäure benötigten Enzyme herzustellen. Vor allem bei der Siemens AG lag die Aufgabe, bis Februar 2018 diesen Herstellungsprozess zu bewerten und auf seine Wirtschaftlichkeit hin zu prüfen.
„Die Biologen züchten Mikroorganismen, die im Reagenzglas ein Produkt herstellen. Wir überlegen dann: Wie sieht der großtechnische Prozess in großen Bioreaktoren aus?“, erläutert Siemens-Projektleiter Manfred Baldauf. Zum einen sind da die Investitionskosten in die gesamte Prozesskette, insbesondere die Gasfermentation bis hin zur Aufbereitung und die Elektrolyse zur Herstellung des Wasserstoffs. Zum anderen gehören dazu die Betriebskosten, darunter Strom- und Wärme- bzw. auch Kältebedarf, Verbrauchsmaterialien wie die Nährstoffe für die Bakterien, Wasserkosten und die Finanzierungskosten der Investition.
Elektrolyser-Stack zu Wasserstofferzeugung
Bewertungsmethodik erfolgreich entwickelt
Bei der konkreten Kalkulation gab es allerdings eine Herausforderung: „Wir hatten zu Projektbeginn keine Daten zum Herstellungsprozess für 3-Hydroxypropionsäure“, erinnert sich Baldauf. Der Prozess befand sich erst in der Entwicklung. Mit welcher Produktionsrate die Enzyme später arbeiten würden, und welche Anforderungen die Mikroorganismen an ihr Nährmedium stellen, um optimal zu arbeiten – all das stand zunächst nicht fest.
Baldauf entschloss sich daher, mit seinen Kollegen ein Bewertungsschema anhand eines verwandten, schon vorhandenen biotechnologischen Prozesses zu entwickeln – der Herstellung von Ethanol aus CO2 und H2. Das Schema könnte später auf 3-Hydroxypropansäure übertragen werden, wenn der Part der Biologen abgeschlossen ist.
Dabei zeigte sich, dass die größten Herausforderungen wohl die Stromkosten und die Stromverfügbarkeit sein dürften. „Damit der Wasserstoff keinen CO2-Fußabdruck mitbringt, muss die Elektrolyse, in der er entsteht, mit grünem Strom betrieben werden“, erläutert Baldauf. Der ist – zumindest in Deutschland – bislang jedoch nicht in ausreichendem Maße verfügbar, z.B. wenn nachts die Photovoltaik oder bei Flaute die Windenergie entfällt. „Für die Produktionsanlage wäre keine Volllast möglich, sie liefe weniger als das halbe Jahr“, bringt Baldauf das Problem auf den Punkt. In Deutschland ist es zudem teurer, Ökostrom herzustellen, als in manchen sonnen- oder windverwöhnten Ländern. „Für Ethanol, das heute gut aus Zuckerrohr erzeugt werden kann, würde sich der Produktionsweg aus CO2 und H2 in Deutschland derzeit nicht rechnen“, resümiert Baldauf.
Konkrete Resultate noch nicht verfügbar
Was aber bedeutet das für 3-Hydroxypropansäure? Da die Daten aus der Biologie bislang nicht vorliegen, können die Siemens-Forscher nur mutmaßen. Wichtige Stellschrauben sind wegen des benötigten Wasserstoffs auf jeden Fall der Strompreis und die Anlagenauslastung. „Aber vielleicht gibt es für 3-Hydroxypropansäure keinen anderen einfachen Produktionsweg, sodass man einen Kostenaufschlag in Kauf nimmt“, spekuliert Baldauf. Eine regulatorische Unterstützung beim Strompreis könne ebenfalls helfen, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Vielleicht gelingt es den Biologen auch, die Bakterien und deren Enzyme so weit zu optimieren, dass die Produktionsrate die Frage der Verfügbarkeit billigen Ökostroms wettmacht. Baldaufs Fazit lautet daher: „Jetzt sind erst einmal die Biologen am Zug.“
Autor: Björn Lohmann