Im Schwarm übers Feld
Thomas HerlitziusBeruf
Maschinenbauingenieur
Position
Professor für Agrarsystemtechnik an der TU Dresden und Vorstand Forschung und Entwicklung im Konsortium „Feldschwarm“
Beruf
Maschinenbauingenieur
Position
Professor für Agrarsystemtechnik an der TU Dresden und Vorstand Forschung und Entwicklung im Konsortium „Feldschwarm“
Der Agrarsystemtechniker Thomas Herlitzius will die Landtechnik revolutionieren. Sein Plan: Ein Schwarm Maschinen soll die Feldarbeit autark erledigen.
Anfang des Jahres hat sich in Sachsen ein Konsortium mit dem Namen „Feldschwarm“ gegründet, das sich der Zukunft der Landtechnik verschrieben hat. Das Innovationsbündnis wird im Rahmen der Innovationsinitiative "Unternehmen Region" durch das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ein Expertenteam um den Dresdner Agrarsystemtechniker Thomas Herlitzius will bis 2020 die technologische Basis für ein zum Großteil autark agierendes Feldbearbeitungssystem schaffen.
Was verbirgt sich hinter der Feldschwarm-Idee?
Es geht um einen Paradigmenwechsel in der Landtechnikentwicklung von „schneller, stärker, größer“ zu „intelligenter, prozessflexibel und vernetzt“. Das heißt, ein Bediener kontrolliert eine Anzahl selbstfahrender hochautomatisierter und auch kleinerer Arbeitsgeräte. Der Traktor wird praktisch eine große Maschine, die als Zentrale fungiert. Im Bereich der Automation spricht man hier von kollaborierenden Robotern, kurz Cobots, also von Maschinen, die mit Menschen in einem gemeinsamen Arbeitsraum interagieren.
Was ist das Ziel des Projektes?
Ziel ist die Entwicklung, Produktion und Vermarktung eines Systems selbständig fahrender, aber in einem Schwarm operierender Gerätemodule. Dabei sollen die Schwarmeinheiten zwar miteinander kommunizieren, aber nicht völlig autark arbeiten. Der Autonomiegrad wird dabei vom System an die Bedingungen sowie an die Qualifikation und Belastbarkeit des Bedieners angepasst.
Wie soll das Feldschwarm-System konkret funktionieren? Hat der Traktor damit ausgedient?
Man kann sich den Feldschwarm wie eine Gruppe kleiner Selbstfahrer vorstellen, die durch konfigurierbare Werkzeugeinheiten an die konkrete Aufgabenstellung für die Feldarbeit angepasst werden. Es sind also Geräte, die zusätzlich eine eigene dieselelektrische Energieversorgung haben und Traktionskräfte auf den Boden übertragen können. Die Traktion wird einerseits durch aktive Prozesswerkzeuge und andererseits durch spezifische Traktionskomponenten erzeugt, die nicht unbedingt dem klassischen gummibereiften Rad gleichen. Das erste Anwendungsfeld ist Bodenbearbeitung und Aussaat, später sollen dann auf Basis der Trägermaschine weitere Prozessmodule für Düngung und Pflanzenschutz hinzukommen. Der Traktor wird als Universalmaschine erst mal nicht verschwinden, aber sein Anteil wird geringer. Denn die großen Zugtraktoren geraten unter Wettbewerbsdruck, weil man mit dem Feldschwarmsystem Bodenbearbeitung auch mit Standardtraktoren effizient machen kann.
Welchen Vorteil bietet die Feldschwarm-Technologie und welche Rolle spielt der Landwirt dabei?
Zu den konkreten Vorteilen der Schwarmtechnologie gehört unter anderem die Einsparung von Antriebsleistung durch Leichtbau und ein höherer Traktionswirkungsgrad im Vergleich zum Traktor, ortsspezifische Werkzeugeinstellungen und die gute Skalierbarkeit des Systems für die Flächenleistung. Weitere Vorteile entstehen durch die flexiblen Einsatzmöglichkeiten des Systems.
Wo liegen die Schwerpunkte bei der Umsetzung eines autarken Anbausystems?
Kern von Landwirtschaft 4.0 ist die Zusammenführung von Maschinenautomatisierung und Verfahrensautomatisierung durch Farm-Management-Systeme. Der Landwirt wird sich zum Manager seiner betrieblichen Abläufe entwickeln und in größerem Umfang auf qualifizierte Dienstleistungen in Planung, Auswertung und Technikeinsatz zurückgreifen. Die sogenannte Zero Defect Operation ist zwar in der Zukunft technisch denkbar. Sie steht aber wirtschaftlich nicht in Balance zu den eingesparten Kosten für einen Bediener. Deshalb sehen wir eine gemeinsame Kontrolle, also shared control, zwischen einem Automatisierungssystem und dem Menschen als eine alternative Herangehensweise an moderne Automatisierungslösungen.
Was sind Ihre nächsten Aufgaben?
Wir haben das erste Jahr der Entwicklung abgeschlossen und bereiten uns jetzt auf eine Zwischenbegutachtung vor. Danach wird das System in die Felderprobung gehen, die in dem von Sachsen geplanten 5G Test- und Experimentierfeld stattfinden soll.
Interview: Beatrix Boldt