Biobasierte Materialien – Werkstoffe und Textilien

Biobasierte Materialien – Werkstoffe und Textilien

Ob Mais, Holz, Löwenzahn oder Spinnenseide – die Rohstoffbasis von Biomaterialien ist ebenso groß wie ihre Anwendungsmöglichkeiten. Dieses Dossier zeigt, wie nachwachsende Rohstoffe in innovativen Werkstoffen oder Textilien eingesetzt werden.

Spinnennetz in Makroaufnahme
Spinnenseide ist ein Supermaterial aus der Natur. Biotechnologen haben einen Weg gefunden, die Seide in großen Mengen herzustellen.

Die Mehrzahl bisheriger Materialien wird auf der Basis von Erdöl hergestellt. Doch laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird spätestens im Jahr 2035 die maximale Förderung der globalen Erdölvorkommen erreicht sein. Eine Alternative könnten Materialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe sein. Diese haben nicht nur eine bessere Umweltbilanz, sondern liefern mitunter auch ganz neue Anwendungsperspektiven in der Industrie.

   

Biodiversität der Rohstoffe

Die meisten Materialien, die heutzutage Verwendung finden, werden bisher auf der Basis von Erdöl hergestellt. Doch inzwischen haben Wissenschaft und Wirtschaft Wege gefunden, natürliche Rohstoffe für die Produktion von Biomaterialien zu nutzen. Auf diese Weise kann die Biodiversität der Natur immer häufiger für den Einsatz von Materialien erschlossen werden.

Pflanzen – natürliche Biodiversität nutzen

Zu den wichtigsten Biomasseproduzenten gehören Pflanzen, sie bilden daher auch den wichtigsten Rohstoff für Biomaterialien. Deutschland verfügt über zwölf Millionen Hektar Ackerland, davon werden derzeit etwa 400.00 Hektar für den Anbau von Industriepflanzen, wie Mais, Raps, Sonnenblumen und Zuckerrüben, verwendet. Der größte Anteil dieser Pflanzen wird für die Herstellung von technischen Ölen und Industriestärke genutzt. Stärke ist ein wichtiger Rohstoff für die Chemiebranche, um verschiedenste Materialien zu produzieren. Sie wird unter anderem für die Erzeugung von biobasierten Kunststoffen benötigt.

Doch in den letzten Jahren wurde die Palette pflanzlicher Rohstoffe für die Materialproduktion stetig erweitert. Im Fokus stehen vor allem solche Pflanzen, die hierzulande mit wenig Energieaufwand angebaut werden können und gleichzeitig interessante Inhaltstoffe liefern, etwa der Löwenzahn. Auch Gräser, die im Rahmen von kreislaufbasierten Nutzungskonzepten angebaut und weiterverarbeitet werden können, stehen hoch im Kurs. International haben sich zudem Rizinussamen als Basis für die  Produktion von Kunststoffen etabliert. Auch die Nutzung von Stroh als Rohstoff steht vielerorts auf der Agenda, da dieser landwirtschaftliche Abfall bisher selten genutzt wurde und Wissenschaftler neue Technologien entwickelt haben, um das im Stroh enthaltenen Lignin industriell weiterverarbeiten zu können.

Holz – komplexe Zucker aus Lignin gewinnen

Zusätzlich zum Ackerland verfügt Deutschland über mehr als elf Mio. Hektar Wald, die zentraler Lieferant für den Rohstoff Holz sind (siehe auch: Der Wald als Ressource). Holz ist als pflanzliches Gewebe aus Zellen mit Zellwänden aufgebaut, diese sind mit der Gerüstsubstanz Lignin ausgekleidet. Ansonsten besteht Holz überwiegend aus den Kohlenhydraten Cellulose, Hemicellulose und Xylose. Cellulose und Hemicellulose werdenschon seit langem für die Faser- und Papierproduktion genutzt. Seit Forscher besser verstanden haben, wie sich die in Lignin enthaltenen Zucker gezielt nutzen lassen, kann dieser Rohstoff auch in der industriellen Herstellung für höherwertige Produkte wie biobasierte Grundchemikalien oder Kosmetikinhaltsstoffe eingesetzt werden. Inzwischen haben sich einige Bioraffinerien auf die Weiterverarbeitung dieses Rohstoffs spezialisiert.

    

Raffinierte Chemie aus Holz

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Algen – nützliche Produktionshelfer im Miniformat

Im aquatischen Bereich bieten Algen als Biomasseproduzent eine Alternative. Sie konkurrieren nicht mit Lebensmitteln und fallen teilweise sogar als Reststoffe bei industriellen Anwendungen, wie der Biodieselproduktion, an. Aus den hierin enthaltenen Algen lässt sich unter anderem PLA extrahieren. Angereichert mit nanoskaligen Fasern und Füllstoffen aus Bananen- und Mandelschalen oder Fischereiabfällen wie Chitin aus Krustentieren lassen sich daraus Kunststofffolien herstellen, wie Fraunhofer-Forscher gemeinsam mit internationalen Kollegen festgestellt haben. Auch für Verbandsmaterialien sind Algen sind eine Rohstoffquelle. Bestimmte Alginate, die aus Braunalgen gewonnen werden und reich an Kalzium- und Natriumionen sind, werden heutzutage bereits in der Wundversorgung als Hydrogele eingesetzt. Sie binden das Wundsekret zu einem Gel und schaffen dadurch ein feuchtes Milieu. Die Alginat- Wundversorgung bietet sich bei stark nässenden, infizierten Wunden an.

Mikroben – vielseitige Winzlinge im Bioreaktor

Auch die Entwicklung von Produktionsprozessen auf der Basis von Mikroorganismen und Enzymen ermöglicht neue Ansätze für die Herstellung von Materialien. Schon lange vor ihrer eigentlichen Entdeckung, hat der Mensch sich die enormen Fähigkeiten von Mikroorganismen zunutze gemacht. Man denke nur an die Vergärung von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln zu Alkohol mithilfe von Hefen oder die Milchsäuregärung unter Verwendung von Bakterien. Heute ist der Mensch in der Lage diese Fähigkeiten auch gezielt für die Produktion von Materialien einzusetzen. Da komplexe Stoffumwandlungen mit hoher Ausbeute bei Zimmertemperatur und Normaldruck bewältigen, kommen sie inzwischen vielfach bei der Produktion von chemischen Bausteinen zum Einsatz, die wiederum als Basis für Biokunststoffe dienen. Der molekularbiologische Fortschritt hat zudem erlaubt, auf diese Weise ganz neue Herstellungsverfahren für neue Materialien zu etablieren. So können Mikroben heutzutage zum Beispiel Spinnenseide herstellen.

Abfälle als Basis für neue Materialien

Darüber hinaus rücken weitere bislang nicht genutzte organische Rest- und Abfallstoffe zunehmend als wertvolle Ressourcen und vielversprechende Ausgangsbasis für Materialien in den Fokus. Um diese Biomasse als Rohstoff durch Kuppel- und Kaskadennutzung bis hin zu Recyclingprozessen in einen nachhaltigen Stoffkreislauf einzubringen, arbeiten Forscher weltweit an effizienten Verfahren und Technologien. Vor diesem Hintergrund verfolgen viele Ansätze der Bioökonomie auch das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Diese verfolgt das Ziel, dass in einer Welt mit endlichen Ressourcen nur Produktionsverfahren mit einem hundertprozentigen Kreislauf unbeschränkt fortgeführt werden können. Idealerweise sollte in einer „Circular Economy“ überhaupt kein Müll mehr anfallen. Statt Reststoffe zu deponieren oder zu verbrennen, sollen sie  als Rohstoffe wieder vollständig in den Produktionsprozess zurückgeführt werden. Recycling, um Abfallprodukte als Sekundärrohstoffe wiederverwerten zu können sowie die Kaskadennutzung, bei der ein Rohstoff über mehrere Stufen genutzt wird, sind daher wichtige Elemente einer biobasierten Wirtschaft.

Werkstoffe und Textilien

Erdöl ist in unserem Alltag allgegenwärtig, nicht nur als Energiequelle – etwa zwei Drittel des geförderten Erdöls werden hierfür verbraucht – das restliche Öl steckt in irgendeiner Form in nahezu allen Produkten des täglichen Lebens. So sind beispielsweise 60 Liter Erdöl durchschnittlich in einer Couch verarbeitet, in einer Zahnbürste stecken 0,1 bis 0,2 Liter Erdöl, ebenso viel im Handy, die Ein-Liter-Flasche aus PET enthält 0,2 bis 0,3 Liter Erdöl, der Motorradhelm 1,3 Liter. Bodenbeläge, Fasern für Kleidung, CDs und DVDs, Schuhsohlen, Tennisschläger, Campingzelt – die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen und verdeutlich, welch großes Potenzial in biobasierten Alternativen steckt, vor allem im Bereich der biobasierten Kunststoffe.

Neue Alternative für fossile Kunststoffe

Heutzutage könnte fast jeder konventionelle fossile Kunststoff bereits durch einen alternativen biobasierten Kunststoff ersetzt werden. Wobei es biobasierte oder ­teilweise biobasierte Kunststoffe gibt, die nicht biologisch abbaubar sind sowie Kunststoffe, die sowohl biobasiert als auch biologisch abbaubar sind.

Biologisch abbaubar ist nach DIN EN 13432 ein Material, das sich nach einer festgeschriebenen Zeit unter definierten Temperatur-, Sauerstoff- und Feuchtebedingungen in der Anwesenheit von Mikroorganismen oder Pilzen zu mehr als 90 Prozent zu Wasser, CO2 und Biomasse abgebaut haben muss.

Außerdem unterscheidet man biobasierte Drop-in-Lösungen und neuartige Biopolymere. Unter Drop-in-Lösungen werden biobasierte Kunststoffe verstanden, die einen biobasierten Rohstoff für eine bekanntes Material auf Mineralölbasis nutzt oder Teile bisheriger Materialkombinationen auf ein biobasiertes Verfahren umstellt. Beispiele dafür sind Bio-PET (Polyethylenterephthalat), Bio-PE (Polyethylen), Bio-PP (Polypropylen) und Bio-PVC (Polyvinylchlorid). Diese biobasierten Kunststoffe haben identische Eigenschaften wie die jeweiligen Originale. Sie lassen sich in bestehende Anlagen integrieren.

Biobasierte neuartige Polymere, auch Biopolymere genannt, haben hingegen neue Eigenschaften, für sie muss daher ein völlig neues Herstellungsverfahren entwickelt und etabliert werden. Dadurch eröffnen sich auch neue Anwendungsgebiete, allerdings sind hier vergleichsweise hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung nötig, bis der gewünschte Werkstoff mit den spezifischen Eigenschaften gefunden ist und entsprechend im hohen Durchsatz nach industriellen Ansprüchen produziert werden kann. Zu diesen Biopolymeren gehören beispielsweise PLA (Polylactid), PHA (Polyhydroxyalkanoate) oder PEF (Polyethylenfuranoat). Gerade neue Kunststoffe müssen sich aber auch der Herausforderung des Recyclings stellen. Bei PLA beispielsweise handelt es sich um einen Biokunststoff, der aus Mais gewonnen wird, und sich im Markt aufgrund von nicht zugänglichen Recyclingsystemen nicht flächendeckend durchsetzen konnte. Anders verhält es sich mit PEF, das sich gut wiederverwerten lässt.

Biobasierte Verbundwerkstoffe

Damit ein Material die gewünschten Eigenschaften erhält, werden häufig keine reinen Kunststoffe verarbeitet. Stattdessen werden Blends verwendet, d. h. es kommen verschiedene Kunststoffe gleichzeitig zum Einsatz oder es werden Fasern und Kunststoffe kombiniert. Auch hier gibt es inzwischen Verbundwerkstoffe, die entweder vollständig oder teilweise mit biobasierten Rohstoffen hergestellt werden.

 

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DIN CERTCO, die Zertifizierungsstelle des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN) bietet zur transparenteren Einordnung für solche Blends standardisierte Zertifikate an, die den prozentualen Gehalt an biobasiertem Kohlenstoff ausweisen.

Zu den wichtigsten biobasierten, nicht­­­­ abbaubaren Kunststoffen zählen die sogenannten Bioverbundwerkstoffe. Mindestens eine der beiden Hauptkomponenten von Bioverbundwerkstoffen wurde also auf Basis von Biomasse gefertigt. Die beiden wichtigsten Bioverbundwerkstoffe sind die naturfaserverstärkten Kunststoffe (NFK). Hierzu gehören beispielsweise Hanf-, Flachs-, Jute- und Flachsfasern mit Polypropylen, Polyethylen, Polyethylenterephthalat oder Phenolharz sowie die Holz-Polymer-Werkstoffe (Wood-Plastics-Composites, WPC). Bei den Wood-Plastics-Composites handelt es sich um thermoplastisch zu verarbeitende Verbundwerkstoffe, etwa aus Polyethylen oder Polypropylen mit bis zu 80 Proz­ent Holzmehl und Additiven, wie Haftvermittler, UV-Schutzmittel und Farbpigmenten.

  

  

Organigramm Biokunststoffe - biobasierte Kunststoffe

Weitere Materialien und Fasern

Dank der Entwicklung neuer Verfahren und Technologien werden heute schon diverse weitere Produkte aus vollständig biobasierten Materialien hergestellt. Mithilfe chemischer Prozesse beispielsweise werden aus natürlichen Polymeren Fasern hergestellt, beispielsweise Viskose aus Cellulose. Allerdings werden bei der Herstellung von Viskose ungesunde und ­­­­umweltschädliche Gifte wie Schwefelwasserstoff (H2S) und Schwefelkohlenstoff (CS2) freigesetzt. Cellulosefasern wie Tencel- und Lyocellfasern haben dieses Problem nicht. Für ihre Produktion wurde ein Direkt-Löse-Verfahren entwickelt, das auf ein ungiftiges Lösungsmittel setzt und in einem geschlossenen Stoffkreislauf funktioniert.

Dank der Biotechnologie kommen auch neue Verfahren zum Einsatz, die Mikroorganismen oder Enzyme nutzen, um neue Fasern zu gewinnen. So wird Spinnenseide heutzutage bereits mithilfe von Bakterien in einem industriellen Verfahren hergestellt. Der Sportartikelhersteller Adidas nutzt den Stoff für Sneaker.  

Ein anderes Beispiel aus der Natur, dessen Kopie biotechnologisch nachgebaut werden soll, ist der Stiel, mit dem Florfliegen ihre Eier an Blättern befestigen. Er ist sehr biegesteif und könnte somit als Verstärkungsmaterial in Kompositen dienen. Aus der Faser des Muschelbarts, mit ihr halten sich Muscheln am Untergrund fest, könnten mithilfe von Mikroben die ersten synthetischen Sehnen produziert werden.

Durch neue Verfahren und Technologien finden auch Abfallprodukte wie Holzschliff und pflanzliche Reststoffe wie Reishülsen, Ananas- oder Eukalyptusblätter u. v. a. wieder Verwendung. Beispiele hierzu im folgenden Kapitel und unter der Rubrik Produkte.

 

Anwendungsbereiche

Die Anwendungsbereiche für biobasierte Werkstoffe sind vielfältig, vor allem wenn es sich um biobasierte Kunststoffe handelt. Von A wie Armaturenbrett über B wie Brotdose, C wie Computergehäuse, D wie Dübel bis Z wie Zahnbürste, in allen Lebensbereichen sind Kunststoffe zu finden – daher gibt es auch für die biobasierten Alternativen ein großes Nutzungspotential.

Im Jahr 2014 wurden weltweit 311 Mio. Tonnen Kunststoffe produziert, laut Branchenverband European Bioplastics aber nur 1,7 Mio. Tonnen Bioplastik. Diese Zahl hat sich 2016 mehr als verdoppelt, inzwischen wurden weltweit 4,16 Mio. Tonnen biobasierte Kunststoffe produziert. Zu den größten Nutzern zählt hier die Verpackungsindustrie. Sie nutzt bereits 1,6 Mio. Tonnen (39%) biobasierten Kunststoff, etwa für Lebensmittelfolien.

Vielfältige Möglichkeiten

Bedarf ist also reichlich vorhanden, nicht nur bezüglich biobasierter Verpackungen und Folien. Im Jahr 2009 führte Coca Cola eine Flasche ein, die zu 30% aus pflanzlichem Material besteht. Zuckerrohr basiertes Ethanol aus Brasilien ersetzt anteilig die Rohstoffe auf Erdölbasis, die normalerweise zur Herstellung von PET-Flaschen benötigt werden. Die Flasche ist ebenso wie Flaschen aus herkömmlichen PET vollständig recycelbar. Es wird sowohl daran gearbeitet, das Material für die Flaschen zu 100% aus Pflanzenabfällen zu gewinnen als auch an Verfahren, Bio-Ethanol aus anderen Pflanzen und Pflanzenresten herzustellen.

Auch in der Medizin werden biobasierte Kunststoffe bereits seit Jahren eingesetzt. Polymilchsäure (PLA) beispielsweise wird häufig als chirurgisches Nahtmaterial genutzt oder es kommt in resorbierbaren Implantaten wie Schrauben, Nägeln und Platten zum Einsatz. Das Material wird durch den Stoffwechsel abgebaut und macht so eine weitere Operation zur Entnahme überflüssig. Auch in Hygieneartikeln finden biobasierte Kunststoffe häufig Verwendung, als Windelfolie oder Betteinlagen und auch in Einmalhandschuhen werden die biobasierten Folien bereits genutzt.

Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) zeichnen sich durch eine hohe Stabilität aus, diese erhalten sie durch die eingearbeiteten Naturfasern. Bauteile aus NFK weisen somit hohe Festigkeiten sowie eine geringe Dichte auf, d. h. sie sind mechanisch strak belastbar und gleichzeitig leicht. Durch diese Eigenschaften sind sie optimal für den Automobilbau geeignet, wo sie auch hauptsächlich Verwendung finden, u. a. für den Bau von Türverkleidungen, Sitzschalen und Hutablagen. Immerhin besteht ein modernes Auto zu etwa einem Drittel aus Kunststoff.
Aber es gibt auch Beispiele aus anderen Bereichen, in denen naturfaserverstärkte Kunststoffe eingesetzt werden. So stellt die hessische Firma Biowert Terrassendielen aus einem Kunststoff her, der zu 75% aus Wiesengras besteht.

Wood-Plastics-Composites finden vor allem in der Baubranche Anwendung. Hier werden sie gerne genutzt für die Produktion von Terrassenbelägen, Bootsstegen und Promenaden, aber auch für Außenfassaden, als Sicht- und Lärmschutzwände, Zäune sowie Geländer, Fensterrahmen und Türen.

Investionen in F&E erforderlich

Einen herkömmlichen Kunststoff durch einen Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen ist oft kein Kinderspiel. Es kann nicht einfach weiterproduziert werden wie bisher. Diese Erfahrung machten auch zwei Unternehmen aus Baden-Württemberg. Gemeinsam suchten die Unternehmen Eurodisc und Tecnaro die optimale Rezeptur zur Herstellung einer Frisbee-Scheibe aus nachwachsenden Rohstoffen. Fündig wurden sie erst nach mehr als drei Jahren. Erste Prototypen waren zu schwer, die Scheiben flogen nicht. Dann wiederum war das Material nicht flexibel genug, bildete bei der Verarbeitung Blasen oder war zu klebrig. Schließlich kam bei den Frisbee-Scheiben eine Rezeptur aus Polyethylen auf Basis von Zucker und einem Bio-Polyethylen zum Einsatz.

Noch länger arbeitete die Firma AmSilk aus Martinsried an der Entwicklung eines ganz besonderen Materials. Schon lange begeistern sich Biomaterialforscher für die besonderen Eigenschaften von Spinnenseide. Spinnenseide ist ultraleicht, extrem robust, antibakteriell und superelastisch. Elf Jahre dauerte es bis zur Marktreife der Faser namens Biosteel. Die künstliche Spinnenseide wird rekombinant, also mit gentechnisch veränderten Bakterien hergestellt. Sie ist nicht nur leicht und fest, sondern mit einem Enzym auch vollständig biologisch abbaubar und ressourcenschonend herzustellen. Inzwischen wird die Spinnenseide nicht nur in einem Laufschuh, der rund 15% leichter ist als vergleichbare Schuhe, verarbeitet, sondern findet auch Anwendung in der Beschichtung von Implantaten oder als Basis für die Herstellung von Herzersatzgewebe.

Des Weiteren gibt es sehr viele Projekte und Ideen, die sich damit beschäftigen, rein biobasierte Materialien oder Reststoffe sinnvoll weiter zu verwerten. Im Bereich des Caterings werden diese Materialien gerne eingesetzt, da Verpackungsmaterialien aus Holzschliff, Einweggeschirr aus Zuckerrohrfaser, ein Reststoff, der massenhaft durch die Zucker-Extraktion bei der Gewinnung von Rohrzucker entsteht, sowie Besteck aus Palmblättern gemeinsam entsorgt werden können, denn die Produkte sind alle komplett kompostierbar.

Auch in der Modebranche werden immer häufiger Verfahren eingesetzt, um aus Reststoffen neue Materialien zu gewinnen. Kleider aus Fasern, die aus Milchabfällen der Lebensmittelindustrie gewonnen werden oder Lachshaut als Leder für Gürtel und Taschen. Recycelte Polyesterfasern und Reishülsen werden zum Sneaker oder in Kombination mit Kaffeesatz zur Funktionskleidung. Auch aus heimischem Holz sowie aus Bambus werden Fasern für die Bekleidungsbranche. Im Vergleich zur Baumwolle sind sie deutlich umweltschonender – sie verbrauchen weniger Wasser und sparen auch CO2 ein.

Weitere Infos zu einzelnen Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen oder auch Reststoffen finden Sie in der Rubrik Produkte und im nachfolgenden Video.

   

Grüne Produktion

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Öffentliche Förderung

Die Bundesregierung hat sich in Deutschland schon frühzeitig darauf verständigt, wie Forschungspolitik die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie vorantreiben kann. Als eines der ersten Länder hat Deutschland Ende 2010 eine langfristig angelegte, ressortübergreifende „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ veröffentlicht und damit hierzulande erstmals konkrete Weichen für eine biobasierten Wirtschaft gestellt.

Die Strategie wurde unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit sechs weiteren Ministerien erarbeitet. Unter ihrem Dach wurden insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro an Mitteln für Forschung und Entwicklung (F&E) zur Verfügung gestellt. Die „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ hat alle zum damaligen Zeitpunkt relevanten Ziele und Visionen konkretisiert und hier auch im internationalen Vergleich einen hohen Standard gesetzt. Kaum ein anderes Land hat sich so früh und dezidiert mit den Themen der Bioökonomie und ihrer Bedeutung für den industriellen Strukturwandel sowie für den Klima- und Umweltschutz im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums auseinandergesetzt.

Die industrielle Nutzung nachwachsender Rohstoffe – unter Berücksichtigung des Primats der Ernährungssicherung – ist daher ein zentraler Treiber der Bioökonomie. Zunehmend wird hierbei das große Potenzial der Verwertung bislang ungenutzter Nebenströme oder Rest- und Abfallstoffe erschlossen. Unter dem Dach der Forschungsstrategie werden daher effiziente und intelligente Verfahren und Technologien gefördert, um Biomasse als Rohstoff durch Kaskadennutzung bis hin zu Recyclingprozessen in einen nachhaltigen Stoffkreislauf einzubringen und die Wertschöpfung zu steigern.

Mit der im Sommer 2013 vom Bundeskabinett beschlossenen „Nationalen Politikstrategie Bioökonomie“ hat die Bundesregierung einen weiteren Meilenstein für den Wandel zu einer biobasierten, nachhaltigen Wirtschaft gelegt. Die unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erstellte, ressortübergreifend wirksame Strategie hat sich zum Ziel gesetzt, eine kohärente Politikgestaltung zu ermöglichen.

  

Redaktion: Simone Ding, Sandra Wirsching