Bionik: Neuer Anstrich zu glatt für Muscheln

Bionik: Neuer Anstrich zu glatt für Muscheln

Ein internationales Forscherteam mit Bionikern aus Erlangen hat eine neue Beschichtung gegen Muschelbewuchs auf nassen Oberflächen entwickelt.

Muscheln können sich fast überall anhaften und beschädigen so nicht nur Materialien, sondern verursachen auch enorme Kosten.

Muscheln sind wahre Experten wenn es darum geht sich irgendwo anzuhaften – gerade auch auf nassem Untergrund. Wo immer sie sich festsetzen – sei es an Booten, Rohren, am Pier oder anderen Oberflächen unter Wasser – verursachen sie auch enorme Schäden. Tatsächlich sind Muscheln und vor allem Miesmuscheln die schlimmsten Verursacher des sogenannten „Biofoulings“, also dem dicken Bewuchs mit Meeresorganismen.

Bei Booten werden dadurch nicht nur die Materialien beschädigt, sondern auch enorme Treibstoffmehrkosten verursacht. Ein internationales Forscherteam, an dem auch ein Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) maßgeblich beteiligt ist, hat eine neuartige umweltfreundliche Beschichtung gegen die Anheftung der blinden Passagiere entwickelt. Außerdem konnte das Team die Haftmechanismen der Muscheln weiter entschlüsseln und diesen so gezielt entgegenwirken. Ihre Ergebnisse wurden im Fachjournal „Science“ veröffentlicht.

Bisherige Mittel zu giftig oder nicht wirksam

Auch ökologisch ist der Befall mit Muscheln problematisch: Fremde Arten gelangen quasi per Anhalter in ferne Ökosysteme und können unter Umständen deren fragile Gleichgewichte stark beeinträchtigen. Bisher wurden zur Abwehr der Anhefter vor allem immer giftigere Farbanstriche verwendet. Dadurch stieg die Schadstoffbelastung im Wasser enorm an, außerdem starben die Fische daran oder reicherten praktisch einen Giftcocktail an.

Selbst neuere Anstriche mit geringerer Oberflächenhaftung, die als ungiftige Alternativen entwickelt wurden, konnten keine Abhilfe schaffen – sie waren schlicht nicht effektiv genug und mussten oft erneuert werden. Und auch Beschichtungen auf der Basis von Silikon oder Fluoropolymeren bewirken lediglich, dass sich der Bewuchs leichter entfernen lässt.

Inspiriert von der fleischfressenden Kannenpflanze

Nicolas Vogel, heute Professor an der FAU und zu Projektbeginn noch Postdoktorand an der Harvard University, und Ali Miserez von der Nanyang Technological University in Singapur, gelang nun die Entwicklung eines neuen Ansatzes zur Muschelbekämpfung. Abgeschaut haben sich die Forscher den Trick von einer Pflanze: „Uns hat die fleischfressende Kannenpflanze inspiriert. Auf ihrer rutschigen Lippe finden Insekten keinen Halt und gleiten hilflos in das Innere der Pflanze, wo sie verdaut werden. Diesen Effekt haben wir auf synthetische Materialien übertragen“, erklärt Nicolas Vogel.

Flüssigkeitsfilm verhindert Anheftung

Das Besondere an der neuen Technologie: Oberflächen können aufgrund ihrer Strukturierung und Oberflächenchemie analog zur Kannenpflanze mit einer Flüssigkeit benetzt werden, die einen geschlossenen Film auf der Oberfläche bildet. Dieser verhindert den direkten Kontakt zur festen Oberfläche und ermöglicht die abweisende Wirkung. Im Labor beobachteten die Wissenschaftler, dass die Tiere auf den benetzten Oberflächen irritiert wirkten.

„Unmittelbar nachdem der Muschelfuß in Kontakt mit der Oberfläche kam, schnellte er wieder zurück in die schützende Schale. Es wirkte fast, als hätte die Muschel auf eine heiße Herdplatte gefasst“, umschreibt Nicolas Vogel die Beobachtungen. Die Forscher testeten zwei verschiedene Varianten der Beschichtung. Als besonders vielversprechend zeigte sich eine infiltrierte Version von Polydimethylsiloxan, einer polymeren Beschichtung, die als Silikon weitverbreitete Anwendung im Bad und in der Küche findet.

Zuletzt erprobten die Forscher ihre Ergebnisse auch unter freiem Himmel. Sie kooperierten mit einem Meeresschutzpark im Hafen von Scituate in der Nähe von Boston. Sie versenkten verschiedene Paneele mit unterschiedlichen Beschichtungen und beobachteten über 16 Wochen hinweg, wie diese besiedelt wurden. Das infiltrierte Polydimethylsiloxan erwies sich auch hier als besiedelungsresistent – und das nicht nur für Muscheln sondern auch andere Meeresorganismen, die sich sonst gerne auf Oberflächen festheften.

jmr