Lotuseffekt: Biofilme lassen Wasser abperlen
Bakterielle Biofilme sind oft stark wasserabweisend und lassen sich deshalb nur schwer entfernen. Münchner Forscher haben gezeigt, wie genau die Biofilme Wasser abperlen lassen.
Das Abperlen von Wassertropfen auf bestimmten Pflanzenblättern ist als Lotuseffekt bekannt. Dieses Phänomen wird durch spezifische Nanostrukturen auf den jeweiligen Oberflächen bewirkt. Der Effekt wird in der Industrie bereits oft als Schutz für empfindliche Textilien oder Häuserwände eingesetzt. Bakterielle Lebensgemeinschaften wie Zahnplaque oder den bräunliche Schleim in Abflussrohren, die sogenannten Biofilme, besitzen oft ebenfalls eine solche wasserabweisende Oberfläche, und sind daher nur sehr schwer zu entfernen. Mit seinem Team untersucht Oliver Lieleg, Professor für Biomechanik an der Munich School of BioEngineering die physikalischen Prinzipien, die bakterielle Biofilme so widerstandsfähig machen. Die Forscher berichten im Fachjournal „NPJ Biofilms and Microbiomes“.
Biofilm mit Schutzfunktion
Der bakterielle Belag in Abwasserrohren oder auf medizinischen Geräten ist oft wasserabweisend und daher nur sehr schwer zu entfernen. Das liegt an einer dichten Hülle von selbst hergestellten Polymeren, mit der sich Bakterien umgeben. Diese Hülle schützt sie vor Umwelteinflüssen. Die Kombination von Bakterien und dem von ihnen produzierten Schleim nennt man Biofilm. In ihrer aktuellen Studie haben die TUM-Wissenschaftler die Oberfläche von Biofilmen mit konfokalen Reflexions-Lichtmikroskopen genau vermessen.
„Unsere erste Erkenntnis war: Biofilm ist nicht gleich Biofilm – auch wenn er vom selben Bakterium erzeugt wird“, sagt Lieleg. Denn das Bodenbakterium Bacillus subtilis kann Biofilme mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften herstellen, sodass sich die Wassertropfen entweder fast sofort auf der Oberfläche ausbreiten, von der Oberfläche herunterrollen, oder aber sogar in kugeliger Form auf der Oberfläche haften bleiben – selbst wenn diese senkrecht gestellt wird.
Bakterien ahmen Pflanzeneffekt nach
Die Forscher fanden heraus, dass die Mikroben hierbei bekannte Effekte aus der Pflanzenwelt verwenden: das wasserabweisende Verhalten der Blätter von Lotuspflanzen und Rosen. Außerdem konnten Lieleg und sein Team nachweisen, dass die Oberflächenstruktur des Biofilms tatsächlich denen der Pflanzenblätter sehr ähnlich ist. Genau wie die Blätter weist auch der Biofilm raue Strukturen sowohl im Mikrometer- als auch im Nanometerbereich auf. Durch diese speziellen Strukturen wird die Benetzung mit Wasser erheblich erschwert.
Das Besondere am Lotuseffekt: zwischen dem Wassertropfen und der Oberfläche des Blattes werden kleine Luftbläschen eingeschlossen, beim Rosenblatt-Effekt hingegen nicht. Deshalb perlen Wassertropfen von Lotusblättern ab, nicht aber von Rosenblättern. Die Forscher konnten zeigen, dass die jeweils vorhandenen Nährstoffe die Oberflächenstruktur bestimmen, und somit auch ob sich ein Biofilm eher wie ein Lotus- oder wie ein Rosenblatt verhält.
Anti-Oberflächenstruktur statt Antibiotika
Bakterielle Biofilme lassen sich oft nur schwer mit Antibiotika und anderen Chemikalien bekämpfen. Deshalb schlagen die Forscher vor, auch die wasserabweisenden Eigenschaften der Biofilme anzugreifen: „Wenn ein antibakterieller Stoff die Oberfläche eines Biofilms gar nicht erreicht, weil er abperlt, dann kann er auch nicht wirken. Wir müssen deshalb diese wasserabweisende Oberflächentextur verändern“, sagt Lieleg. Für den Münchner Forscher wäre das ein neuer Ansatzpunkt, um Biofilme von Oberflächen wie Rohren, Kathetern oder infizierten Wunden zu entfernen.
jmr