Mehr Mehrweg per Gesetz

Mehr Mehrweg per Gesetz

Nach zähem Ringen wurde Mitte Mai ein neues Verpackungsgesetz verabschiedet. Es soll zwar Recycling und Mehrweg-Nutzung fördern, aber vielerorts gibt es Kritik.  

Seit Jahren wird an einer Vereinfachung der Mülltrennung gearbeitet, ab Januar 2019 gilt ein neues Verpackungsgesetz.

Jahrelang wurde um das neue Verpackungsgesetzt gestritten, Mitte Mai hat der vom Bundestag im März verabschiedete Entwurf auch den Bundesrat passiert. Damit kann das Gesetz Anfang Januar 2019 in Kraft treten. Es ist eine deutlich abgespeckte Variante der ursprünglichen Idee eines Wertstoffgesetzes. Eigentlich sollte eine bundesweit einheitliche Wertstofftonne für die Sammlung aller stoffgleichen Nicht-Verpackungen eingeführt werden.

Streit um die Wertstoffetonne 

Doch der Plan scheiterte am Streit zwischen den Kommunen und den Privatunternehmen, die Verpackungsmüll sammeln und verwerten. Die Wertstoffsammlung ist inzwischen ein gutes Geschäft, die privaten Unternehmen machen nach Angaben des Verbands der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) pro Jahr rund eine Milliarde Euro Umsatz. Das wollten sie sich nicht wegnehmen lassen von den Kommunen, die sich bisher schon um den Restmüll kümmern. 

Die neue Regelung überlässt die Entscheidung nun den Beteiligten: Ob man eine Gelbe Tonne oder Gelbe Säcke für Verpackungsmüll hat oder eine Orange Tonne für alle Wertstoffe, das hängt davon ab, ob Kommunen und private Unternehmen sich darauf verständigen. Nach BDE-Angaben haben 12 bis 15 Millionen Deutsche eine Wertstofftonne. Da viele Städte und Gemeinden auf ein Gesetz gewartet haben, dürften es bald mehr werden. In vielen Städten, etwa Berlin, sind die Tonnen orange. Darin landen dürfen sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen - also Dinge, die aus Plastik oder Metall sind wie Verpackungen, aber keine sind. Bratpfannen werden gerne als Beispiel genannt oder auch Barbiepuppen.

Im dritten Teil der Reihe "Stadt der Zukunft" wird gezeigt, dass Müll auch ein Rohstoff sein kann. 

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Verwirrung um Plastikmüll bleibt

Tatsächlich ist die Verwirrung um den „grünen Punkt“, den „gelben Sack“ und die „orange Tonne“ nach wie vor groß. Der grüne Punkt wurde in den 90er Jahren eingeführt, um Verpackungsmüll für den gelben Sack zu kennzeichnen. Tatsächlich wird aber oft wird alles, was als Plastik verstanden wird, mit dem gelben Sack entsorgt. Dadurch wird der Recyclingprozess erheblich erschwert. Die orange Tonne (oder Wertstofftonne) sollte hingegen alles, was recycelt werden kann aufnehmen.

Neues Gesetz setzt auf höheren Mehrweg-Anteil

Im Kern des Gesetzentwurfes geht es jedoch um die Verringerung und Verminderung von Plastikabfall, sowie einer Erhöhung der Recyclingquote. So soll die Quote bei Kunststoff von derzeit 36 Prozent bis 2022 auf 63 Prozent steigen, bei Metallen, Papier und Glas sogar auf 90 Prozent. Der Mindestanteil von Mehrwegmaterialien soll bei 70 Prozent liegen - dieser Anteil der verkauften Getränkeverpackungen soll also wiederverwendbar sein. Bisher liegt man bei rund 45 Prozent, Tendenz seit Jahren sinkend. Weil keine Sanktionen geplant sind, äußerten viele Umweltverbände bereits Kritik. "Das Gesetz ist zu lasch, um beim Ressourcenschutz einen echten Schritt voranzukommen", sagt etwa NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Gefordert wird stattdessen eine Extra-Steuer oder Abgabe auf Einweg-Getränkeverpackungen, um Menschen dazu zu bringen, Mehrwegflaschen zu kaufen.

Was ist eigentlich Bio-Plastik? Unsere Express-Reihe erklärt es schnell und anschaulich.

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Die Deutschen sind Müll-Meister

Dass hierzulande Handlungsbedarf besteht, ist beim Blick auf die Statistik klar: Denn seit Jahren führt Deutschland mit etwa 220 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf und Jahr die Müllverbraucher-Liste in Europa an. Mehr als 2,8 Milliarden Coffee-to-go-Becher landen jährlich in der Tonne, pro Jahr kaufen die Deutschen etwa 17 Milliarden Einweg-Pfandflaschen. Im Zuge des neuen Gesetzes wird es künftig auch auf Fruchtschorlen, Fruchtsaftnektare und Mischgetränke mit einem Molkeanteil von mindestens 50 Prozent Einweg-Pfand geben. Im Supermarkt sollen zudem Schilder an Regalen die Kunden darüber informieren, wo Mehrwegflaschen stehen. 

Neues Gesetz erntet viel Kritik

Die Kritik am neuen Gesetz kommt von allen Seiten. Die grüne Opposition hatte schon im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt - aus Enttäuschung über den Kompromiss, wie Britta Haßelmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen deutlich machte: "Auch in Zukunft werden die Verbraucher nicht verstehen, warum man nicht auch Produkte wie ein Quietsche-Entchen oder eine Bratpfanne zu den Verpackungen werfen darf." Die zuständige Umweltministerin, Barbara Hendricks von der SPD, zeigte sich dennoch zufrieden, dass es gelungen sei, einen tragfähigen Kompromiss zu finden: "Das Verpackungsgesetz ist ein wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft."

Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft

Eines der Ziele der Bioökonomie besteht darin, Abfälle in nützliche Rohstoffe zu verwandeln. Folgende Ideen gibt es bereits:

Recycling-Weltmeister Deutschland schlechter als gedacht

Vielfach wird moniert, dass das System des Recyclings in Deutschland schlechter funktioniert, als man meinen würde und das neue Gesetz daran nichts ändern wird. Eigentlich werden laut der Europäischen Umweltagentur EEA zwei Drittel des Haushaltsmülls in Deutschland recycelt, Rekord in Europa. Das Bundesumweltministerium kommt auf eine Recycling-Quote von rund 80 Prozent, gewerblicher Müll und Industrieabfälle eingeschlossen. All diese Mengen, insgesamt mehr als 200 Millionen Tonnen pro Jahr, werden also in irgendeiner Form noch mal verwertet und landen nicht auf einer Deponie. Doch etwa die Hälfte des Plastikabfalls wird oft nur „thermisch verwertet“ – mit anderen Worten: der Großteil wird  verbrannt, zählt aber in den Statistiken als recycelt. Denn alles, was in der Recyclinganlage ankommt, kann auch als recycelt gewertet werden – auch wenn sich beim Sortieren das Gegenteil heraustellt. Der Rat für nachhaltige Entwicklung hält daher eher eine Quote von 30 bis 40 Prozent für realistisch. Vor diesem Hintergrund betonen Experten, dass es weniger auf Recyclingquoten ankommt, sondern darauf, was mit dem Abfall geschieht – und hier liefert die Bioökonomie einige vielversprechende Ansätze. 

jmr/sw