Tabakpflanzen zu Biofabriken
In einem EU-Projekt wollen Forscher Tabakblätter in pflanzliche Biofabriken verwandeln. Sie sollen gesunde Inhaltsstoffe für Arznei- und Kosmetikprodukte liefern.
Tabak wird im Allgemeinen für eine Vielzahl von Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Beschwerden verantwortlich gemacht. Über Jahrtausende wurden Tabakpflanzen jedoch als Heilmittel genutzt. Diese in Tabakblättern schlummernden gesunden Inhaltstoffe stehen jetzt wieder im Fokus der Forschung. Im Rahmen des EU-Projektes „NEWCOTIANA“ will ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Münchner Pflanzenpsysiologen in den kommenden 4,5 Jahren die neuesten molekularbiologischen Züchtungsmethoden nutzen, um aus Tabak und seinem wilden Verwandten Nicotiana benthamiana neue Sorten mit gesundheitsfördernden Substanzen zu entwickeln, die für die nachhaltige Produktion von Arzneimitteln und Kosmetika geeignet sind.
Impfstoffe und Anti-Aging-Produkte aus Tabakblättern
„Unser Ziel ist es, neue Tabaksorten zu züchten, die als hocheffiziente Biofabriken arbeiten“, erklärt Ralph Bock, Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie (MPI-MP) und führender Wissenschaftler in dem Projekt. Er ist überzeugt, dass „die Nutzung dieser Pflanzen als sichere Produktionsstätte für das sogenannte Molecular Farming“ es künftig ermöglichen wird, „hochwirksame medizinische Substanzen aus Pflanzen zu gewinnen“. So könnten in den Tabakblättern Impfstoffe, Antikörper aber auch Stoffe für Anti-Aging-Produkte oder Entzündungshemmer hergestellt werden.
Mit neuen Züchtungsmethoden zu gesundem Tabak
Die Potsdamer Wissenschaftler wollen unter anderem mithilfe des horizontalen Genomtransfers zu neuen Tabaksorten gelangen. Bei der Züchtungsmethode werden komplette Genome von einer Pflanzenart auf eine andere übertragen. Der Prozess findet in gepfropften Pflanzen statt und wurde von den Max-Planck-Forschern 2014 entdeckt. Mit der Genschere CRISPR-Cas9 kommt ein weiteres modernes Werkzeug der Pflanzenzüchtung zum Einsatz. „Wir werden im Rahmen von NEWCOTIANA Untersuchungen durchführen, die eine Einschätzung der Effizienz und Sicherheit der eingesetzten Züchtungsmethoden ermöglichen und werden für Industrie, politische Entscheidungsträger und Verbraucher Grundlagen liefern, um die Entscheidungsprozesse zur Einführung dieser Methoden in Europa zu unterstützen“, ergänzt Diego Orzaez vom CSIC und Koordinator des NEWCOTIANA Projekts.
Mit den neuen Züchtungen wollen die Forscher dazu beitragen, dass künftig die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Tabakpflanze wieder mehr in den Vordergrund rücken. Das Verbundvorhaben NEWCOTIANA wird von der Europäischen Union im Rahmen des Horizon-2020-Programms mit insgesamt 7,2 Mio. Euro gefördert. Daran beteiligt sind insgesamt 19 Partner aus acht europäischen Ländern und Australien. Aus Deutschland sind neben dem Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie, das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle und das Karlsruher Institute of Technology (KIT) beteiligt.
bb