Nylon aus Holzabfällen

Nylon aus Holzabfällen

Biotechnologen aus dem Saarland haben Mikroben so umgerüstet, dass sie fortan den Holzstoff Lignin in einen chemischen Grundbaustein für die Nylonproduktion umwandeln können.

In drei Jahren sollen solche Mutanten der Art P.putida die Basischemikalie Adipinsäure bereits im Kilogramm-Maßstab erzeugen.
In drei Jahren sollen solche Mutanten der Art P.putida die Basischemikalie Adipinsäure bereits im Kilogramm-Maßstab erzeugen.

Knapp ein Drittel der Holzbiomasse wird bislang ungenutzt als Abfall verbrannt. Bakterien sollen jetzt helfen, aus der Substanz Lignin den Nylongrundstoff Adipinsäure herzustellen. Biotechnologen aus dem Saarland haben die Mikroben gentechnisch so umgerüstet, dass sie die chemischen Ringstrukturen des Lignins nun knacken können. Gelingt es, den Laborprozess industrietauglich zu machen, wartet ein potenzieller Milliarden-Markt.

Industrietaugliche Prozesse zu entwickeln ist für Christoph Wittmann kein Neuland. Der frisch an die Universität des Saarlandes berufene Professor für Systembiotechnologie hat mit der Ludwigshafener BASF SE bereits an der Herstellung von Bio-Bernsteinsäure geforscht, die das Unternehmen seit kurzem vom Partner Purac, einer CSM-Tochter, im spanischen Montmelo kommerziell herstellen lässt. Sobald im April die neuen Labore eingerichtet sind, machen er und seine zehn Mitarbeiter sich nun daran, eine Komponente mikrobiell herzustellen, die es für Bio-Nylon braucht – die Adipinsäure. Da die biotechnologische Herstellung der Adipinsäure eine echte Alternative zur energiefressenden und Klimagas-produzierenden petrochemischen Synthese bietet, wäre das Interesse der weltweit 20 bis 25 Großproduzenten hoch. Allerdings erst, nachdem alle Hürden genommen sind, um den bereits vorhandenen Laborprozess industriekompatibel und wirtschaftlich zu machen. „In der Industrie findet bereits ein Umdenken in Richtung biobasierte Prozesse statt. Viele sind aber skeptisch, solange nicht gezeigt ist, dass die Produktqualität stimmt und das Biotech-Produkt sich genauso gut wie das petrochemische in den vorhandenen Anlagen verarbeiten lässt”, so Wittmann zu biotechnologie.de. „Das wissenschaftlich und wirtschaftlich zu schaffen, ist die Herausforderung in unserem neuen Projekt.“  

Adipinsäure aus Benzol & Co.

Mit einer 1,4 Millionen Euro-Förderung durch die BMBF-Förderinitiative „Validierung des Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung” (VIP) wollen die aus Braunschweig nach Saarbrücken gewechselten Stoffwechselingenieure die Basischemikalie mit optimierten Pseudomonas putida-Bakterien in drei Jahren im Kilogramm-Maßstab gewinnen. In einem ersten Schritt wollen Wittmann und Mitarbeiter mit Partnern ein Verfahren finden, das effizient die zur Biosynthese von Adipinsäure benötigten aromatischen Verbindungen pyrolytisch aus Holz herausbricht. Dass Bakterien des Sicherheitsstammes KT2440 die stabilen Ringstrukturen mit Hilfe von Co-faktor-abhängigen Dioxygenasen öffnen können, hat Wittmans Mitarbeiter Joost van Duuren bereits im Labor gezeigt und patentrechtlich schützen lassen.

Die aus der biokatalytischen Spaltung resultierende cis-cis-Muconsäure könne laut Wittmann direkt hydriert werden, um Adipinsäure zu erhalten. Allerdings steckt der Teufel im Detail. Obgleich van Duuren im Labor mit einer Mutante schon achtmal höhere Produktionsraten als mit bisher bekannten Prozessen erzielte, sollen die Produzenten durch weiteres molekulare Veränderungen noch wesentlich verbessert werden. Obgleich die Bodenbakterien einiges aushalten, sind laut Wittmann „Lignin-basierte Rohstoffe eine Herausforderung“.  Das Ziel – ein Prozess, der möglichst nahe am Marktpreis der Spitzenchemikalie von derzeit 1,30 Euro pro Kilogramm liegt – nennt er ambitioniert. Für die Umwelt wäre die Biotech-Produktion allemal ein Gewinn. Mit Phenol als Substrat konnten die Forscher den Energiebedarf des Herstellungsprozesses gegenüber der petrochemischen Produktion um 25 bis 50 Prozent senken. Doch Wittmann stapelt tief: „Noch stehen wir ganz am Anfang. Es müssen viele Dinge passen, damit es gelingt, einen industrie­tauglichen Prozess zu entwickeln.

Großes Marktpotenzial

Wie alle 1:1 ersetzbaren Chemikalien verspricht Bio-Adipinsäure gute Marktperspektiven. „Derzeit wächst die weltweite Jahresproduktion von fast 3 Millionen Tonnen des Grundstoffes für die Herstellung von 6,6-Nylon um 3,5 Prozent”, so Wittmann. „Rund 90 Prozent werden für die Nylonproduktion genutzt, daneben dient Adipinsäure als Grundstoff für Lebensmittelzusätze, Dünger, Pharmazeutika und Pflanzenschutzmittel. Laut dem Forscher sei ein „wachsendes Interesse der Industrie an Bio-Nylon“ deutlich zu spüren. Wie schnell neue Biotech-Basischemikalien den Markt verändern können, zeigt eine Studie aus dem März 2013. Nachdem Coca-Cola den Biokunststoff PET seit Ende 2012 für seine „Green Bottle“ nutzt, soll der aktuelle Markt von derzeit 620.000 auf 5 Millionen Jahrestonnen wachsen und so Ähnliches Wachstumspotenzial sprechen die Studienautoren auch anderen Ersatzchemikalien zu.

bb