Wie ein Killertoxin bei Pflanzen wirkt

Wie ein Killertoxin bei Pflanzen wirkt

Manche Nutzpflanzen werden von dem Giftstoff Cytolysin zerstört, anderen kann das Pilztoxin nichts anhaben. Laut Tübinger Forschern liegt dies an unterschiedlichen Rezeptoren.

Phytophthora ist ein Erreger der das Pflanzengift Cytolysin bildet und so Gemüse wie Tomaten befällt.
Phytophthora ist ein Erreger der das Pflanzengift Cytolysin bildet und so Gemüse wie Tomaten befällt.

Die große Hungersnot in Irland im 19. Jahrhundert wurde durch den Ausfall mehrere Kartoffelernten ausgelöst. Der Ausfall wiederum entstand durch den sogenannten Eipilz. Dieser Erreger produziert das Toxin Cytolysin, welches die Kartoffelfäule bewirkt. Um Pflanzen vor diesen Krankheitserregern zu schützen, werden in der Landwirtschaft bisher Fungizide eingesetzt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Tübingen hat nun die Wirkungsweise von Cytolysin entschlüsselt.

Giftig für Kartoffeln, nicht aber für Getreide

„Dieser Krankheitserreger produziert mit dem giftigen Cytolysin ein regelrechtes Killertoxin. Ziel des Erregers ist es, Pflanzenzellen zu töten, um sich anschließend von totem Gewebe ernähren zu können“, erklärt die Tübinger Molekularbiologin Isabell Albert. Das Besondere: Das Toxin schadet nicht allen Nutzpflanzen. Bei Kartoffeln beispielsweise kann das Gift ganze Ernten vernichten, während der Erreger Pflanzenzellen von Getreidearten nichts anhaben kann. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Berkeley, Bordeaux, Göttingen, dem slowenischen Ljubljana, dem belgischen Lüttich und Wako in Japan hat das Team um Albert untersucht, warum Cytolysin bei Pflanzen so unterschiedlich wirkt.

Länge der Molekülkette bestimmt Toxin-Empfindlichkeit

Wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Science“ berichten, hängt die Empfindlichkeit von einem Rezeptor der Pflanzenzelle ab, der sich bei verschiedenen Pflanzengruppen deutlich unterscheidet. Bei diesem Rezeptor handelt es sich jeweils um eine Molekülkette aus Kohlenhydraten und Fetten. Doch während Pflanzen wie Kartoffeln oder Tomaten nur über eine kurze Molekülkette verfügen, ist diese bei Getreidepflanzen deutlich länger. „Dieser längere Rezeptor führt offensichtlich dazu, dass das Cytolysin bei Weizen oder Gerste zwar andocken kann, aber nicht an die Membran der Pflanzenzellen herankommt und so auch seine tödliche Wirkung nicht entfalten kann“, berichtete Albert. Die Länge der Molekülkette ist demnach entscheidend, ob das Toxin bis zu den Pflanzenzellen vordringen kann. Das Wissen um die Wirkungsweise dieses Rezeptors eröffnet ganz neue Wege, um Nutzpflanzen künftig besser vor Krankheitserregern zu schützen.

Basis für Entwicklung natürlicher Herbizide

„Zu den Pflanzen, die aufgrund ihres Rezeptors empfindlich auf Cytolysin reagieren, gehören auch viele Unkräuter“, sagt der Leiter der Studie, Thorsten Nürnberger. So könnte auf der Basis eines mikrobiellen Giftstoffs ein natürliches Herbizid entwickelt werden, das den Forschern zufolge sehr selektiv wirkt und umweltfreundlicher als herkömmliche Total-Herbizide wie Glyphosat ist. Auch neue biologische Pflanzenschutzmittel, die mithilfe spezieller Zuckermolekülen das giftige Cytolysin blockieren und so das Andocken an die Pflanzenzellen verhindern, wären vorstellbar, um künftig Nutzpflanzen vor tödlichen Pflanzenkrankheiten zu bewahren.

bb