Warum 110 Nobelpreisträger für Grüne Gentechnik werben
Mehr als 100 Nobelpreisträger, darunter sechs deutsche, haben sich in einem offenen Brief für den Einsatz Grüner Gentechnik in der Landwirtschaft stark gemacht. Sie fordern Umweltorganisationen wie Greenpeace mit ungewohnter Schärfe zum Umdenken auf.
Diese Stimmen haben Gewicht: Die Debatte um gentechnisch veränderte Pflanzen in der Landwirtschaft hat neue Nahrung aus Reihen der Spitzenforschung erhalten. In einem offenen Brief an die Regierungen machen sich 110 Nobelpreisträger, darunter auch sechs deutsche Laureaten, für den Einsatz der Grünen Gentechnik stark. In dem am 30. Juni veröffentlichten Appell erheben die Wissenschaftler zudem schwere Vorwürfe gegen die Umweltorganisation Greenpeace, die aus Sicht der Wissenschaftler maßgeblich die Einführung des Vitamin-A-Projekts „Goldener Reis“ blockiert. Greenpeace & Co. hätten die Risiken und Vorteile verzerrt dargestellt und Feldzerstörungen Vorschub geleistet. Das Fazit der Autoren: "Opposition auf der Basis von Emotionen und Dogmen, die durch die Datenlage widerlegt werden, muss aufhören".
Der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft ist bis heute umstritten. Gegner der Grünen Gentechnik wie die Umweltorganisation Greenpeace warnen seit vielen Jahren plakativ vor den nicht einkalkulierbaren Folgen für Umwelt und Mensch, während Befürworter, darunter mehrheitlich Forscher, Wissenschaftsakademien und viele Kirchenvertreter darin ein wichtiges Werkzeug zur Bekämpfung des Hungers in der Welt sehen. Angesichts der von der UN-Welternährungsorganisation FAO prognostizierten Nahrungsmittelknappheit im Zuge der wachsenden Weltbevölkerung hat sich nun eine breite Front aus hochkarätigen Forschern gebildet, die sich für den Einsatz von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln stark macht. Die Organisatoren des Briefs sind der Biotech-Unternehmer Richard Roberts und Nobelpreisträger Philip Sharp. Auf der Website supportprecisionagriculture.com wurde das Plädoyer veröffentlicht.
Mit Grüner Gentechnik die Welternährung sichern
Um die Welternährung zu sichern, fordern darin mittlerweile 110 Nobelpreisträger verschiedener Disziplinen sowie mehr als 2.700 Wissenschaftler und Bürger in einem offenen Brief die Regierungen auf, den Anbau von Gentechnik-Pflanzen in der Landwirtschaft zu unterstützen. Zu den Unterzeichnern des Aufrufes gehören auch die deutschen Medizinnobelpreisträger Harald zur Hausen, Erwin Neher und Christiane Nüsslein-Volhard, sowie das deutsche Chemie-Nobelisten-Trio von 1988, Johann Deisenhofer, Robert Huber und Hartmut Michel. Bemerkenswert: Auch die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek taucht in der Lister der Unterzeichner auf.
Nach Einschätzung der FAO müsse die Lebensmittelproduktion bis 2050 verdoppelt werden, um die Ernährung der von fast 10 Milliarden Menschen zu garantieren, heißt es in dem Brief. Aus Sicht der Unterzeichner bieten gentechnisch veränderte Pflanzen die Chance, den globalen Ernährungsproblemen zu begegnen. Die Autoren verweisen darauf, dass wissenschaftliche Gremien wiederholt festgestellt haben, dass die Umweltauswirkungen von biotechnologisch veränderten Pflanzen nur gering und der Verzehr solcher Lebensmittel auch sicher sei. "Es hat keinen einzigen bestätigten Fall gegeben, der auf eine negative gesundheitliche Auswirkung durch den Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel hindeutet."
Greenpeace zum Umdenken aufgefordert
Der Brief führt besonders das Beispiel des vor nunmehr 20 Jahren gestarteten Projekts „Goldener Reis“, ein durch mittels biotechnischer Verfahren veränderter, besonders Vitamin-A-haltiger Reis. Die Autoren kritisieren vehement die Haltung der Umweltorganisation „Greenpeace“ und weiterer Anti-Gentechnik-Aktivisten. Die Umweltschützer hätten wiederholt Fakten geleugnet, Risiken falsch dargestellt und sich gegen Innovationen in der Landwirtschaft gewehrt. Die Nobelpreisträger fordern Greenpeace & Co. auf, die „Erkenntnisse von Regulierungsbehörden und zuständigen wissenschaftlichen Einrichtungen anzuerkennen“ und „ihre Kampagnen gegen gentechnisch veränderte Pflanzen und insbesondere den 'Goldenen Reis'“ aufzugeben. Die Autoren sehen in der Opposition der Grünen Gentechnik eine Gefährdung der globalen Ernährungssicherheit.
In einer ersten Stellungnahme hat Greenpeace den Vorwurf der Wissenschaftler, die Einführung der gentechnisch veränderten Reissorte zu blockieren, zurückgewiesen. "Konzerne bauschen den Goldenen Reis auf, um den Weg für eine Zustimmung zu profitableren genetisch veränderten Sorten freizumachen", erklärte eine Sprecherin von Greenpeace Southeast Asia dazu. Der Goldene Reis sei ein teures Experiment, das selbst nach 20 Jahren der Entwicklung nicht marktreif sei. Zudem habe das Gentechnik-Projekt den Blick von alternativen Methoden weggelenkt. Der Miterfinder des Goldenen Reises, der Freiburger Pflanzenforscher Peter Beyer, kann darüber nur den Kopf schütteln: "Diese Argumente sind logischer Quatsch", sagte Beyer der Süddeutschen Zeitung. "Die Aktivisten tun alles dafür, dass der Reis nicht einsatzbereit wird, und dann beschweren sie sich noch darüber".
Werkzeug gegen Mangelernährung
In den Reihen der Umweltschützer gibt es durchaus Fürsprecher für den „Goldenen Reis“. 2014 startet Greenpeace-Mitgründer Patrick Moore die Kampagne „AllowGoldenRiceNow“, um die ideologische Front der Organisation gegen die Gentechnik-Reissorte zu brechen. Bei dem „Goldenen Reis“ handelt es sich um eine gentechnisch veränderete Pflanze mit einem hohen Anteil an Beta-Carotin (Provitamin A), was den Körnern eine goldgelbe Farbe verleiht. Rund 250 Millionen Menschen leiden weltweit nach Einschätzung der FAO an Vitamin-A-Mangel. Die Folgen sind Erblindung und Infektionen. Vor allem Kinder in Afrika und Südostasien sind davon betroffen und sterben daran. Nicht nur Forscher, auch hochrangige Kirchenvertreter sehen daher im "Goldenen Reis" ein geeignetes Mittel, um Krankheit und Tod durch Mangelernährung zu bekämpfen. 2009 hatte sich der Vatikan für den Einsatz gentechnisch veränderter Nahrungsmittel ausgesprochen, um die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung zu gewährleisten. 40 Experten hatten das Papier damals unterzeichnet.