Von Kimchi, Käse und Aromen: Fermentation im Trend

Von Kimchi, Käse und Aromen: Fermentation im Trend

Bei der zweiten Ausgabe von Bioökonomie im Gespräch im Rahmen der Ausstellung NaturFutur standen nützliche Mikroben im Mittelpunkt – als vielseitige Helfer in der Küche und als industrielle Produzenten von Lebensmitteln und Chemikalien.

Diskussionsrunde Fermentation bei NaturFutur
Von links: Sandra Wirsching (bioökonomie.de), Jonas Grube, Alexis Goertz (Edible Alchemy). Grzegorz Kubick (Fraunhofer IGB) und Lisa Franke (Cellag e.V.), auf dem Screen: Sandra Wilde (Formo)

Mikroorganismen sind die Helden der Fermentation: Sie wirken im Sauerteig, in der Joghurtmaschine oder in den Stahltanks der Biotechnologie-Industrie. Hier setzen die Zellen Umwandlungsprozesse in Gang und stellen durch Gärung oder andere Stoffwechselprozesse interessante Produkte her. Schon vor Jahrtausenden machten Menschen mit dieser Methode Lebensmittel haltbar, bekömmlich und nährstoffreicher. Dass dabei Mikroorganismen am Werk sind, wurde erst sehr viel später entdeckt. Heutzutage lassen sich Mikroben immer präziser umfunktionieren und für die industrielle Produktion von bestimmten Substanzen nutzen.

Das Ausstellungsprojekt NaturFutur im Berliner Museum für Naturkunde beleuchtete am 18. November das Potenzial der Fermentation. Für die zweite Ausgabe der Reihe „Bioökonomie im Gespräch“ hatten das Informationsportal bioökonomie.de und das Museum für Naturkunde Berlin Fachleute eingeladen, um den Möglichkeiten und Ansätzen der Fermentation weiter auf die Spur zu kommen und um besser zu verstehen, was Präzisionsfermentation bedeutet – für die Wissenschaft, die Bioökonomie und unseren zukünftigen Alltag. Moderiert wurde die  Diskussion im Museum vor kleinem Publikum von Sandra Wirsching von bioökonomie.de. Interessierte konnten per Livestream dabei sein.

Do-it-Yourself: Fermentation selbst gemacht

Im Zuge eines wiederauflebenden Interesses am Konsum gesunder Lebensmittel erlebt die Fermentation eine Renaissance in vielen Haushalten. Sauerteig, Kimchi, Kefir und Joghurt sind Beispiele – immer mehr Menschen wollen diese Produkte nicht nur gern essen, sondern auch selbst zuhause herstellen. Diesen Do-it-yourself-Trend befeuern wollen Alexis Goertz und Jonas Grube von Edible Alchemy. Das Duo hat sich in den vergangenen Jahren einen "Mikroben-Zirkus" aufgebaut, mit dem sich zuhause mit einfachen Mitteln eine bunte Vielfalt an fermentierten Lebensmitteln herstellen lässt.

„Wir verknüpfen in unserer Alchemistenküche Fermentation mit Kulturtechniken aus aller Welt“, so Jonas Grube. „Dabei nutzen wir die althergebrachten Techniken und kombinieren sie mit neuen Möglichkeiten“, sagte Alexis Goertz. Fermentation sei nicht nur eine tolle Methode, um die Ernte aus dem Schrebergarten einzulegen und haltbar zu machen. „Man erreicht dabei diesen runden, komplexen Umami-Geschmack, der nicht nur in der Kulinarik-Szene so gefragt ist“, so Goertz. Ein weiteres Prinzip von Edible Alchemy heißt: „Zutaten regional, Kulturtechniken global“. Miso und Kimchi muteten sehr fremd an, könnten aber mit mitteleuropäischen Hülsenfrüchten oder Gerste perfekt hergestellt werden.

Sein Know-how vermittelte das Duo bei einem NaturFutur-Workshop, der vor der Gesprächsrunde im Naturkundemuseum stattfand. „Wir haben mit Hefe und Zucker ein Wildferment für eine unendliche Limonade angesetzt“, berichtete Jonas Grube. Auch der 156 Jahre alte Sauerteig namens Cornelius wurde weiter vermehrt. In den Workshops gehe es immer auch darum, Berührungsängste mit Mikroorganismen abzubauen. „Wir wollen den Schrecken im Umgang mit Schimmel, Bakterien und Hefen nehmen und vermitteln, was für leckere Sachen mit ihnen machen kann“, so Goertz.

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Präzise Fermentation für die Bioindustrie

Wie Fermentation im Industriemaßstab genutzt wird, um in maßgeschneiderten Prozessen interessante Chemikalien und Wirkstoffe herzustellen, erläuterte Grzegorz Kubik, Leiter des Innovationsfeldes Industrielle Biotechnologie am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Am Bioraffinerie-Forschungszentrum CBP in Leuna ist er an der Entwicklung zahlreicher biotechnologischer Produktionsprozesse beteiligt.
„Es sieht bei uns aus wie in einer Bierbrauerei, aber es ist natürlich eine Hochleistungsanlage mit vielen Stahltanks, in der wir deutlich mehr Kontrolle über den Prozess haben und spannende Chemikalien herstellen können“, so Kubik. Darunter sind Biotenside, also waschaktive Substanzen, die die Forschenden aus Pflanzenölen mithilfe von brandpilzartigen Mikroben gewinnen.

In einem Kooperationsprojekt mit dem Unternehmen Global Bioenergies haben die Leunaer Biotechnologen Bakterien beigebracht, Zucker in den gasförmigen Kohlenwasserstoff Isobuten umzuwandeln. Er lässt sich als Drop-In-Chemikalie in Kraftstoffen oder Kosmetika einsetzen. In einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt hat das Team um Kubik Bakerien beigebracht, Ferulasäure herzustellen, eine Vorstufe des Aromastoffs Vanillin, der in der Lebensmittelindustrie wichtig ist. „Dabei helfen uns immer präzisere Technologien aus dem Werkzeugkasten der Molekularbiologie – wie CRISPR-Cas“, so Kubik. Durch die gezielte Veränderung von Mikroorganismen könne Fermentation zu einem präzisen Herstellungsprozess werden.

Veganer Mozarella und Ricotta aus dem Labor

Käse, der nach Käse schmeckt, aber ohne Kühe als Milch-Produzenten auskommt: Mit diesem Konzept will das Berliner Start-up Formo den Markt erobern. Sandra Wilde, Head of Food Science bei Formo erläuterte, wie ihr Team mithilfe von Präzisionsfermentation tierfreien Käse aus echtem Milchprotein herstellen will. „Das ist bei uns wie beim Bierbrauen, nur dass bei uns die Zellen keinen Alkohol herstellen, sondern Milchprotein“, sagte Wilde. Das Protein werde in weiteren Schritten von den Zellhüllen abgetrennt. „Dann beginnt die Lebensmittel-Wissenschaft“, sagte Wilde. Das Formo-Team mischt nun noch pflanzliche Fette dazu und mikrobielles Lab – damit ein typischer Käsebruch entstehen kann. Am Ende stehen vegane Produkte wie Mozarella oder Ricotta. „Wir wollen 2023 mit unseren ersten Produkten in Testmärkten sein, in Europa wohl erst anderthalb Jahre später“, sagte Wilde.

Die Lebensmitteltechnologin Lisa Franke forscht an der TU Berlin an 3D-Druck-Verfahren und kultiviertem Fleisch. Sie ist zudem Co-Gründerin von CellAg Deutschland e.V., einer gemeinnützigen Organisation, die über das Thema Zelluläre Landwirtschaft informieren will. Gemeint ist damit die Produktion von Fisch, Fleisch und Milchprodukten mithilfe moderner Zellkulturverfahren. Eine Hürde seien die hier die derzeit noch hohen Kosten, hier werde aber auf vielen Ebenen geforscht, so Franke. "Um weg von Kälberseren zu kommen, werden alternative Nährmedien entwickelt", sagte Franke. Eine Herausforderung bei der Fleischproduktion im Labor sei es zudem, eine entsprechende Textur zu erzeugen.

Neben der Frage, wie nachhaltig die biotechnischen Prozesse sind, diskutierte die Runde auch darüber, wie die zellbasierten Produkte aus dem Bioreaktor bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen. "Nachhaltig produzierte Produkte liegen im Trend, aber niemand kauft etwas, das nicht schmeckt", brachte es Sandra Wilde auf den Punkt. Nur wenn Preis und Geschmackserlebnis wirklich vergleichbar seien, würden die Verbraucher zugreifen. Formo hat im Rahmen einer Verbraucherstudie ermittelt, dass bei Käseliebhabern und Flexitariern eine hohe Bereitschaft vorhanden ist, die veganen Käseersatzprodukte des Start-ups zu kaufen. Vielen Befragten sei es egal, wie die Produkte hergestellt werden – solange Preis und Geschmack stimmten.

pg