Tomaten für alle
Göttinger Pflanzenforscher entwickeln zusammen mit dem Verein Agrecol und der Culinaris-Initiative eine „Open Source Lizenz" für Saatgut, um eine Patentierung der Pflanzen zu verhindern.
Bei den Worten „Open Source Lizenz“ denken die meisten vermutlich zuerst an Computerprogramme, die gemeinschaftlich von mehreren Programmierern erstellt und bearbeitet werden können. Dieses Prinzip der offenen, gemeinsamen Weiterentwicklung wollen Pflanzenzüchter der Universität Göttingen nun zusammen mit dem Verein Agrecol auch auf Nutzpflanzen übertragen und eine „Open Source Saatgut Lizenz“ entwickeln. Dadurch soll das Saatgut vor der Patentierung durch große Unternehmen geschützt und als Gemeingut rechtlich abgesichert werden. Ihren Lizenz-Vorstoß stellen die Projektpartner im Fachjournal „PLOS Biology“ vor.
Saatgut soll Gemeingut werden
„Wir beobachten mit großer Sorge, dass weltweit der Zugang zu Zuchtmaterial durch privatwirtschaftliche Interessen zunehmend eingeschränkt wird. Unter anderem verhindern Patente, dass wichtige Eigenschaften züchterisch stärker genutzt werden“, erläutert Bernd Horneburg aus der Abteilung Pflanzenzüchtung der Universität Göttingen den Hintergrund der Initiative. Um der wachsenden Privatisierung im Saatgutsektor etwas entgegenstellen zu können, haben sich Horneburg zufolge in den letzten Jahren immer mehr Menschen der Bewegung für Saatgut als Gemeingut angeschlossen. Vor allem in Deutschland, den USA, Indien und Ost-Afrika gebe es derartige Strömungen. Im Göttinger Freiland-Tomatenprojekt werden schon heute durch einen freien Austausch von Zuchtmaterial und Wissen neue, optimal angepasste Sorten entwickelt.
Keine Exklusivrechte für Saatgut
Mit „OpenSourceSeeds“ wollen Agrecol, ein Verein zur Förderung der standortgerechten Landnutzung in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa, nun zusammen mit der Universität Göttingen und der Initiative „Culinaris – Saatgut für Lebensmittel“ neue Nutzpflanzensorten mit der sogenannten Open-Source Saatgut Lizenz als Gemeingut schützen. Dadurch könnte jeder kostenlos das jeweilige Saatgut nutzen, weitergeben und weiterentwickeln. Die einzige Bedingung: Das Saatgut und seine Folgeentwicklungen dürfen nicht mit Patenten oder anderen Exklusivrechten belegt werden, damit der Open-Source-Charakter, also der breite, öffentliche Zugang zur Saatgutquelle, erhalten bleibt.
„Es gibt eine große Nachfrage durch Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt Agrecol-Projektleiter Johannes Kotschi. Immer mehr Händler bieten demnach lizenzierte Tomatensorten an. Bereits 2017 wurde die Cocktail-Tomate „Sunviva“ als erste Tomatensorte mit einer Open-Source-Lizenz ausgestattet. Mittlerweile sind weitere Sorten von Tomaten aber auch Mais und Weizen lizenziert worden – Tendenz steigend.
jmr