Bessere Tomaten durch Genome-Editing

Bessere Tomaten durch Genome-Editing

Pflanzenforschern ist es erstmals gelungen, mithilfe der Genomschere CRISPR-Cas aus einer wilden Tomatenpflanze innerhalb einer Generation eine neue Kulturpflanze zu züchten.

Ein internationales Forscherteam mit Münsteraner Beteiligung hat aus der ursprünglichen Tomatenwildpflanze innerhalb einer Generation mithilfe der Genschere CRISPR-Cas eine neue Kulturpflanze mit zahlreichen positiven Merkmalen gezüchtet.

Seit Jahrtausenden züchten Menschen Nutzpflanzen wie Weizen, Mais oder Tomaten. Dabei bemühten sich Landwirte und Züchter vor allem um immer größere Ernteerträge. Durch die gezielte Züchtung gingen jedoch andere nützliche Merkmale und die genetische Vielfalt verloren. So sind moderne Zuchtpflanzen oft anfälliger für Krankheiten und haben einen verminderten Vitamin- und Nährstoffgehalt. Das Problem: Eigenschaften, die durch das Zusammenspiel zahlreicher Gene bestimmt werden, kann man durch klassische Zucht kaum oder gar nicht wiederherstellen. Einem internationalen Forscherteam mit Münsteraner Beteiligung ist es nun erstmals gelungen, mithilfe der Genschere CRISPR-Cas von einer „Wildtomate“ innerhalb einer Generation gleichzeitig mehrere Nutzpflanzen-Merkmale zu erzeugen, ohne die gewünschten ursprünglichen genetischen Eigenschaften dieser Wildpflanze zu zerstören.

Neuanfang für die Domestikation

Wie die Pflanzenforscher im Fachjournal „Nature Biotechnology“ berichten, wählten sie als Ausgangspflanze einen Vorfahren heutiger Kulturtomaten: die wilde Tomatenart Solanum pimpinellifolium aus Südamerika. Die Wildpflanze hat zwar nur erbsengroße Früchte und liefert einen geringen Ertrag, dafür sind ihre Früchte aromatischer und enthalten mehr Lycopin – der sogenannte Antioxidans gilt als sehr gesund. „Die neue Methode erlaubt es uns, bei null anzufangen und einen Domestikationsprozess noch einmal ganz neu zu starten. Wir können das genetische Potenzial und besonders wertvolle Eigenschaften der Wildpflanzen bewahren und gleichzeitig die gewünschten Merkmale moderner Nutzpflanzen in kürzester Zeit erzeugen“, sagt Biologe Jörg Kudla von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der mit seinem Team an der Studie beteiligt war. Die Arbeit der Münsteraner wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Die neue Zuchttomate (rechts) unterscheidet sich deutlich von der Wildpflanze (links): Sie hat mehr Blüten und entsprechend mehr als auch größere Früchte, enthält mehr Lycopin (erkennbar durch tiefere Rotfärbung des Saftes) und hat einen kompakteren Wuchs.

Größere und gesündere Früchte

Mithilfe des Multiplex-CRISPR-Cas9-Verfahrens schalteten die Wissenschaftler bestimmte Gene gezielt aus. Aus diesen genetisch veränderten Pflanzen wählten sie nach dem Heranwachsen geeignete Mutterpflanzen aus. Deren Tochterpflanzen überprüften die Forscher dann auf ihre äußerlich sichtbaren Merkmale und analysierten anschließend ihre Eigenschaften. Folgende Veränderungen gegenüber der Wildtomate konnten die Forscher erzielen: Die Früchte waren jetzt etwa so groß wie eine Cocktailtomate und die Zahl der Früchte hatte sich verzehnfacht. Ihre Form war hingegen ovaler als bei der runden Wildfrucht und der Wuchs der Pflanzen insgesamt kompakter.

Das Besondere: Die neu gezüchteten Tomaten enthalten doppelt so viel Lycopin wie die wilde Ausgangsart und sogar mehr als fünfmal so viel wie konventionelle Cocktailtomaten. „Lycopin kann helfen, Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen. Die von uns geschaffene Tomate hat also unter gesundheitlichen Aspekten wahrscheinlich einen Mehrwert gegenüber konventionellen Zuchttomaten und anderen Gemüsen, die Lycopin nur in sehr begrenzten Mengen enthalten“, betont Kudla. Bisher hatten sich Züchter vergeblich bemüht, den Gehalt an Lycopin bei Kulturtomaten zu erhöhen.

Genom-Editierung eröffnet neue Möglichkeiten

Das Fazit der Forscher: Die moderne Genom-Editierung ermöglicht es, die Vorteile der Wildpflanze zu nutzen und bisherige Zuchtprobleme zu lösen. „Die molekulare ‚De-novo-Domestikation‘ birgt ein enormes Potenzial – auch, um neue wünschenswerte Eigenschaften zu erzeugen“, sagt Kudla.  In der Landwirtschaft bisher kaum genutzte Pflanzen könnten nun beispielsweise durch die gezielte Vergrößerung ihrer Früchte zu Nutzpflanzen werden.

jmr