Tiefseebakterien zerlegen Erdöl
Meeresbiologen aus Bremen und den USA haben im Golf von Mexiko Muscheln entdeckt, die ölfressende Bakterien beherbergen. Diese Bio-Allianz trat bei einer Ölkatastrophe in Aktion.
Bakterien überraschen Forscher immer wieder mit neuen Talenten. Sie versorgen Pflanzenwurzel mit Sauerstoff, können Plastik zersetzen und den Menschen vor Krankheit schützen. Diese unsichtbaren Helfer sind daher als Untermieter bei Menschen als auch Pflanze und Tier beliebt. Nun haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen mit Kollegen aus den USA auch in den Tiefen des Golfs von Mexiko solch bakterielle Symbiosepartner entdeckt, wie sie im Fachjournal "Nature“ berichten.
In 3000 Meter Tiefe, wo Öl und Asphalt aus dem Meeresboden sprudeln, stieß das Team um die Bremer Meeresbiologen Maxim Rubin-Blum und Nicole Dubilier (hier zu unserem Porträt) auf Muscheln und Schwämme, die sich mithilfe von Bakterien von Öl und Asphalt ernähren – konkret von den kurzkettigen Alkanen aus dem Öl. Bei den Lieferanten dieser ungewöhnlichen Energie- und Nahrungsquelle handelt es sich um ölfressende Bakterien, die der Gruppe der sogenannten Ringbrecher, der Cycloclasticus, angehören. Diese können, wie der Name andeutet, schwer abbaubare Ringstrukturen im Öl, so genannte PAHs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), knacken und verwerten.
Kurzkettige Alkane im Öl leichter zu knacken
Für diesen eigentlich mühsamen und energiezehrenden Prozess brauchen die Tiefseebakterien jedoch weniger Kraft als verwandte Arten, wie die Forscher herausfanden. Der Trick: Die symbiotischen Cycloclasticus konzentrieren sich auf leicht abbaubare Bestandteile des Öls, die kurzkettigen Alkane wie Butan, Ethan und Propan. „Die Ringe der PAHs können diese Mikroorganismen gar nicht mehr knacken. Sie haben die dazu notwendigen Gene verloren“, erklärt Rubin-Blum. Cycloclasticus-Bakterien, die rein auf kurzkettige Alkane stehen und keine PAH-Ringe knacken können, waren bisher nicht bekannt.
Muscheln machen bakterielle Untermieter stark
Diese leicht zu knackenden Alkane sind allerdings als Nahrungsquelle hart umkämpft. Dass sich die ölfressenden Bakterien beim Kampf um die Nahrungsquelle durchsetzen, könnte daran liegen, dass sie sich bei Muscheln und Schwämmen als Symbionten eingemietet haben, vermutet Meeresbiologin Nicole Dubilier. „Ihre Wirte filtern das umliegende Meerwasser und liefern ihnen dadurch kontinuierlich kurzkettige Alkane. So leben sie konkurrenzfrei an einem geschützten Standort und müssen nicht mit freilebenden Bakterien konkurrieren“, erklärt die Direktorin des Bremer Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie. Mit der aktuellen Studie erweitern die Forscher somit das Spektrum der bekannten Stoffe, die chemosynthetische Symbiosen antreiben.
Cycloclasticus-Arten als Hauptakteure beim Ölabbau
Darüber hinaus verglichen sie das Genom der symbiotischen Bakterien im Golf von Mexiko mit den dort freilebenden, nahe verwandten Cycloclasticus-Arten, die nach der Deepwater Horizon-Ölkatastrophe in großen Zahlen auftraten. Hier machten die Forscher eine erstaunliche Entdeckung: „Offensichtlich handelt es sich bei Cycloclasticus um eine Schlüsselfigur im marinen Ölabbau“, sagt Rubin-Blum. Zum Erstaunen der Forscher hatte auch die freilebende Art das Talent, die kurzkettigen Alkane im Öl abbauen. Diese treten vor allem unmittelbar nach einem Ölaustritt wie der Explosion der Ölplattform auf und werden schnell und von vielen Organismen abgebaut. Als nächstes wollen die Bremer Forscher daher sowohl symbiotische als auch freilebende Arten auf ihre Fähigkeit untersuchen, Kohlenwasserstoffe im Meer abzubauen.
bb