Studie: Mit alternativen Proteinen gegen Flächenknappheit

Studie: Mit alternativen Proteinen gegen Flächenknappheit

In einer Studie hat der Think Tank Green Alliance berechnet, wie sich die Umstellung auf eine Ernährung mit alternativen Proteinen auf die Landnutzung in Europa auswirken könnte.

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Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen sind wichtige Proteinquellen für eine gesunde Ernährung.

Leguminosen, Algen, Pilze und Insekten sowie Proteine, die durch zelluläre oder fermentative Verfahren gewonnen werden, sind geeignete Ressourcen für eine gesunde, umweltfreundliche und nachhaltige Ernährung. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und knapper werdender Ressourcen durch den Klimawandel gewinnen diese alternativen Eiweißquellen zunehmend an Bedeutung.

Doch Anbauflächen sind ein rares Gut. Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Schweden und Spanien wird heute für die Erzeugung von Fleisch- und Milchprodukten genutzt. Nur 20% der landwirtschaftlichen Fläche wird für den Anbau von Pflanzen genutzt, die von der Bevölkerung gegessen werden.

Doch wie würde sich die landwirtschaftliche Flächennutzung in diesen zehn Ländern verändern, wenn Milch- und Fleischprodukte aus der Tierhaltung weitgehend durch alternative Proteine ersetzt würden, also Lebensmittel auf Basis von Pflanzen, Fermentation und tierischen Zellen? Dieses Szenario hat die Denkfabrik Green Alliance in einer aktuellen Studie betrachtet.  

Mehr freie Flächen durch Konsum von Ersatzprodukten

Die Autoren der Studie mit dem Titel "Eine neue Flächendividende" kommen zu dem Schluss, dass sich pflanzliche Ersatzprodukte bis zu einem gewissen Grad von selbst durchsetzen würden. „Unsere Analyse legt nahe, dass alternative Proteine selbst im Fall von wenig politischer Unterstützung bis 2050 ein Sechstel des europäischen Fleisch- und Milchkonsums ausmachen könnten“, heißt es in dem Report.

Mit dem richtigen Maß an politischer Unterstützung könnte es sogar gelingen, die Entwicklung modernerer Formen wie der Präzisionsfermentation oder der Zellkultivierung voranzutreiben. Im besten Fall könnten alternative Proteine dann bis 2050 „zwei Drittel der derzeit in Europa konsumierten tierischen Produkte ersetzen“ und so „die Flächenknappheit in Europa beheben“.

Für Deutschland bedeutet dies, dass im niedrigsten Szenario mit einem Marktanteil von einem Sechstel 22% der landwirtschaftlichen Nutzfläche frei werden könnten. Dies entspricht einer Fläche von 3,7 Millionen Hektar. Fast 44% der heute landwirtschaftlich genutzten Fläche stünden also zur Verfügung, wenn der Konsum von tierischen Fleisch- und Milchprodukten um zwei Drittel reduziert würde. In anderen europäischen Ländern würden sogar 57% der Flächen eingespart, die heute noch für den Export von Nahrungsmitteln nach Europa benötigt werden, schreiben die Autoren.

Freiflächen für Ökolandbau nutzen

Die freiwerdenden Flächen könnten von den betroffenen Ländern vielfältig genutzt werden, so die Studie: zum Anbau eigener Nahrungsmittel und damit zur Verbesserung der Selbstversorgung, zur Schaffung neuer natürlicher Lebensräume, die Kohlenstoff speichern und die Artenvielfalt fördern, oder zur Ausweitung der Flächen für agrarökologische Anbaumethoden wie den Ökolandbau in Europa.

Das Fazit der Autoren: „Ein höherer Anteil von alternativen Proteinen an unserer Lebensmittelversorgung würde Europa eine noch nie dagewesene Flächendividende bescheren. Auf diesem Weg ließen sich schwierige Abwägungsprozesse zwischen den Zielen einer Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, dem Klima- und Umweltschutz, dem Schutz der biologischen Vielfalt und dem Erhalt der ländlichen Lebensgrundlagen vermeiden.“

Mehr Informationen zur Studie „Eine neue Flächendividende – Das Potenzial alternativer Proteine in Europa“ finden sie auf der Website von Green Alliance

 

Die Autoren empfehlen: Die Politik sollte die Entwicklung alternativer Proteine in Europa mit öffentlichen Investitionen unterstützen und Landwirte für agrarökologische Maßnahmen entlohnen. Gleichzeitig sollte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) von Direktzahlungen zur Unterstützung der konventionellen Fleisch- und Milchproduktion absehen und Zahlungen der GAP angepasst sowie die Flächennutzung breit aufgestellt werden.

Landnutzungsexperte hält weitere Studien für erforderlich

Die Studie fand im Auftrag des Good Food Institute Europe statt – eine Nichtregierungsorganisation, die sich für die Produktion alternativer Proteine starkmacht. Wie ordnen Forschende die Aussagen der Studie von Green Alliance ein? „Wie dieses Verhältnis von eingesparten Flächen in der Viehwirtschaft und mehr Fläche für Nutzpflanzen ganz konkret aussieht, ist komplex zu berechnen“, sagte Richard Fuchs, Forscher für Landnutzungsänderung und Klima am Karlsruher Institut für Technologie gegenüber dem Tagesspiegel.

„Darum brauchen wir dringend mehr wissenschaftliche, länder- sowie technologiespezifische Studien, um einen wichtigen Debattenbeitrag im wissenschaftlichen, öffentlichen und politischen Diskurs liefern zu können.“ Grundsätzlich ist auch Fuchs davon überzeugt, dass der Anbau alternativer Proteine den Flächenbedarf der Viehwirtschaft signifikant verringern könnte. Die frei gewordenen Flächen stünden für andere Nutzungen zur Verfügung. Allerdings brauche es im Gegenzug wohl auch mehr Fläche für Nutzpflanzen, sagt der Experte.

bb