Ökolandbau bewirkt Veränderungen im Pflanzen-Erbgut
Pflanzen, die im Biolandbau angebaut werden, passen sich genetisch im Laufe der Zeit an die Bedingungen an. Das zeigt eine Studie der Universität Bonn.
Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Felder ohne Mineraldünger und chemische Pflanzenschutzmittel tut Umwelt und Klima gleichermaßen gut – das haben Studien gezeigt. Doch wie beeinflusst der Ökolandbau die Genetik der Pflanzen? Dieser Frage gingen Forschende der Universität Bonn nach. Im Rahmen einer Langzeitstudie wurde untersucht, welche Auswirkungen die Anbaubedingungen auf die Erbanlagen von Pflanzen haben.
Langzeitexperiment mit Gerste
Dafür wurde 1990 auf einem Feld Gerste angebaut, wobei eine Fläche konventionell, die andere ökologisch bewirtschaftet wurde. „Zunächst haben wir Hochleistungsgerste mit einer Wildform gekreuzt, um die genetische Variation zu erhöhen. Dann haben wir diese Population auf zwei benachbarten Feldern angebaut“, erklärt Jens Léon, der das aufwendige Experiment geleitet hat. Die Gerste wuchs Leon zufolge also 23 Jahre „auf demselben Boden und unter denselben klimatischen Bedingungen“, wurde lediglich unterschiedlich bewirtschaftet.
Ein Feld, zwei Anbauformen
Auf dem einen Feld wurden demnach Schädlinge mit Pestiziden bekämpft, Unkräuter mit chemischen Mitteln beseitigt und Pflanzen mithilfe von Mineraldüngern mit Nährstoffen versorgt. Auf dem benachbarten Feld wurde gänzlich auf chemische Substanzen verzichtet. Stattdessen wurden Unkräuter mechanisch beseitigt und Stallmist als Dünger ausgebracht.
Ein Teil des geernteten Korns behielten die Forschenden für die Aussaat im nächsten Jahr zurück, wobei die Öko-Samen auf dem Öko-Acker und das Korn vom konventionell bewirtschafteten Feld auf diesem ausgebracht wurden. Parallel dazu wurde am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn jedes Jahr das Genom der konventionell und ökologisch angebauten Pflanzen analysiert.
Erbgutanpassung bei Biogerste
Nun liegt das Ergebnis vor: Wie das Team in der Fachzeitschrift „Agronomy for Sustainable Development“ berichtet, passen sich Pflanzen mit der Zeit genetisch an die speziellen Verhältnisse der Biolandwirtschaft an. Die Anpassung bezieht sich dabei auf sogenannte Allele, eine Genvariante, welche die Ausprägung eines Erbmerkmals bestimmt. Die Häufigkeit, mit der bestimmte Allele vorkommen, kann sich mit der Zeit verschieben und wird auch von Umweltbedingungen beeinflusst. Allele, die dafür sorgen, dass Pflanzen in ihrer Umgebung besser gedeihen, werden in der Regel häufiger.
Die genetischen Untersuchungen ergaben, dass sich in den ersten zwölf Jahren des Experiments die Allel-Häufigkeit der Gerste auf beiden Feldern in dieselbe Richtung veränderte. „Wir interpretieren das als eine Anpassung der durch die Einkreuzung mit Wildgerste sehr diversen Populationen an die Standortverhältnisse“, so Agim Ballvora, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Faktoren wie Klima, Boden und insbesondere Tageslängen waren ja für beide Populationen identisch.“
In den folgenden Jahren lief die Entwicklung der Allel-Frequenzen beider Kulturen jedoch zunehmend auseinander, schreiben die Forschenden. Demnach prägten sich unter Öko-Bedingungen vor allem Genvarianten aus, die für eine geringere Empfindlichkeit gegen Nährstoff- oder Wassermangel sorgen – wie Allele, die die Struktur der Wurzel beeinflussen. „Ein Grund dafür ist vermutlich die stärker schwankende Nährstoff-Verfügbarkeit im Ökolandbau“, meint Léon.
Ökolandbau sorgt für mehr genetische Heterogenität
Bei den konventionell angebauten Gersten war das anders: Die einzelnen Pflanzen glichen sich mit der Zeit genetisch immer mehr. Bei der Biogerste hingegen zeigte sich der Studie zufolge eine höhere Heterogenität. Auch die Allelhäufigkeiten hätten im Laufe der Zeit stärker geschwankt. Eine Ursache für die starken Schwankungen bei der Biogerste könnte den Forschenden zufolge sein, „dass die Umweltbedingungen im Biolandbau stärkeren Schwankungen unterliegen als bei konventionellen Anbaumethoden“. Die Variabilität ihrer Umwelt würde die Pflanzen quasi zu mehr genetischer Heterogenität zwingen, heißt es. „Denn dadurch fällt es ihnen leichter, sich auf derartige Veränderungen einzustellen“, sagt Léon.
Biolandbau braucht optimierte Sorten
Nach Ansicht der Forschenden zeigen die Ergebnisse, dass es sinnvoll ist, für den Biolandbau optimierte Sorten zu züchten, da diese aufgrund ihrer angepassten genetischen Ausstattung robuster sind und höhere Erträge versprechen. „Zudem scheint es sich zu lohnen, bei der Züchtung auch ältere Sorten oder sogar Wildformen einzukreuzen“, erklärt Léon. „Davon können unseren Daten zufolge selbst konventionelle Hochleistungssorten profitieren.“
bb