Modellprojekte für eine nachhaltige Landwirtschaft

Modellprojekte für eine nachhaltige Landwirtschaft

Das Global Forum for Food and Agriculture stellte Initiativen entlang der Nahrungsproduktionskette für Resilienz gegen den Klimawandel vor.

Moderatoren der GFFA blicken auf einen Bildschirm, der weitere Teilnehmer der Videokonferenz zeigt.
Experten aus aller Welt diskutierten beim ersten vollständig digitalen Global Forum for Food and Agriculture.

Am Freitag, 22. Januar 2021, ging das 13. Global Forum for Food and Agriculture zu Ende, zum ersten Mal komplett digital durchgeführt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Kooperation mit dem Senat von Berlin, der Messe Berlin GmbH und dem GFFA Berlin e.V. In der zweiten Hälfte der fünftägigen internationale Konferenz zu zentralen Zukunftsfragen der globalen Land- und Ernährungspolitik ging es unter anderem um das Tierwohl und die Bedeutung gesunder Böden in Zeiten von Klimawandel und Covid-19-Pandemie.

Positive Seiten der Tierhaltung

So betonte Shirley Tarawali von der Global Agenda for Sustainable Livestock: „Covid-19 hat keinen Zweifel daran gelassen, dass Tiergesundheit und -wohlergehen soziale Dimensionen in allen Teilen der Welt stark beeinflussen.“ Damit ergänzte sie das Eingangsstatement von Jude Capper, Beraterin für Nachhaltigkeit in der Tierhaltung, die verdeutlicht hatte, dass eine verbesserte Gesundheit und Produktivität des Nutzviehs auch dessen Umweltfolgen reduziert. Tarawali forderte daher, die positiven Seiten der Tierhaltung nicht zu übersehen. Als wichtige Herausforderungen benannte die Expertin Zoonosen und antibiotikaresistente Mikroorganismen.

Allein die Folgekosten der Antibiotikaresistenzen und Tierseuchen würden sich bis zum Jahr 2050 auf 100 Billionen US-Dollar summieren, wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, führte Anne Mottet vom Livestock Development Office der Welternährungsorganisation aus. Für eine Milliarde Menschen, die von weniger als zwei US-Dollar am Tag lebten, sei Nutzvieh eine zentrale Existenzgrundlage. „Gras, Blätter, Futterpflanzen, Getreidereste, Nebenprodukte – ein Großteil der genutzten Biomasse wäre verschwendet, wenn sie nicht als Futter verwendet würde.“ Die Viehhaltung passe gut in eine zirkuläre Bioökonomie, hieß es. Die EU sei daher dabei, die Gesetzgebung zum Tierwohl zu überarbeiten und den neuesten wissenschaftlichen Daten anzupassen, versicherte Claire Bury von der Europäischen Kommission.

Gesunde Böden für Nahrungssicherheit und Klimaschutz

Mehr Daten seien auch dringend nötig, um Fortschritte beim Schutz der Böden und deren Rolle beim Klimawandel bewerten zu können, sagte Wolfgang Zornbach vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Dass es beim Boden vorrangig um drei Ziele gehe, erläuterte Claire Chenu, Forschungsdirektorin des französischen Instituts INRAE: den Anteil organischer Kohlenstoffverbindungen im Boden halten beziehungsweise erhöhen, den Klimawandel durch Kohlenstoffbindung im Boden verlangsamen und die Ernährungssicherheit durch Bodenfruchtbarkeit gewährleisten. Im von ihr vorgestellten „4per1000“-Projekt gebe es dazu vier Säulen: das Potenzial und die Vorteile der organischen Kohlenstoffverbindungen im Boden abschätzen; Praktiken des Bodenmanagements entwickeln und anwenden; für Landwirte ein Umfeld schaffen und stärken, dass sie zu Bodenschutzmaßnahmen befähigt; und diesen ganzen Prozess wissenschaftlich begleiten – vor, während und nach der Implementierung von Maßnahmen.

Zu den weiteren vorgestellte Projektbeispielen zählte eine Initiative aus Großbritannien, in der Landwirte, Wasserindustrie, Forschung und Politik zusammen daran arbeiten, eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwerfen, die auch die Bodengesundheit berücksichtigt. Aus Frankreich stammte „One Planet Business for Biodiversity“, gestartet beim UN-Klimagipfel 2019, eine handlungsorientierte Initiative der Wirtschaft zum Schutz der Artenvielfalt. 27 Konzerne, die in 190 Ländern aktiv sind und gemeinsam einen Jahresumsatz von 1,1 Billionen US-Dollar erzielen, wirken darin mit und wollen die Landwirtschaft zur Nachhaltigkeit transformieren. Einen anderen Ansatz verfolgen die „Twin Regions“ wie Sinendé im Benin und Alfter in Deutschland: Während ein Partner wenig Land, aber hohe CO2-Emissionen und Wohlstand hat, ist der andere Partner arm an Geld, aber reich an unverbauten Böden, in denen durch geeignete Maßnahmen CO2 gebunden werden kann und so für den ersten Partner ein Ausgleich geschaffen wird.

Nachhaltigkeit und Profitsteigerung verbinden

Nicht fehlen durfte auf der Konferenz ein beispielhafter Überblick über die unterschiedlichen Herausforderungen und Lösungsansätze rund um den Globus. In Afrika und Südamerika seien die Probleme vor allem hohe Emissionen pro Kilo Ertrag infolge einer geringen Produktivität, so Claus Deblitz, Koordinator des Projekts „agri-benchmark“ am Thünen-Institut. Die geringe Produktivität wiederum beruhe unter anderem auf fehlendem Managementwissen, begrenztem Zugang zu Kapital und fehlender politischer Unterstützung. In zwölf standardisierten Fallstudien sei es bislang gelungen, die Produktivität, das Tierwohl und die Profite zu steigern und zugleich die Treibhausgasemissionen zu senken.

Die Rolle des Wissens hob auch das spanische Forschungsnetzwerk „Red REMEDIA“ hervor. Die Mitglieder bilden Forschende, technisches Personal, Leute aus der Produktion und politische Entscheidungsträger in Sachen Klimawandelminderung fort. Für das deutsche Forschungsprogramm „klimAgrar“ resümierte Hubert Wiggering von der Universität Potsdam vielleicht unbeabsichtigt die gesamte Konferenz: „Covid-19 ist keine Entschuldigung, die Anstrengungen gegen den Klimawandel abzuschwächen. Wir haben die Lektion gelernt, dass eine Transformation wesentlich und das gemeinsames Handeln dazu möglich ist.“

bl