Löwenzahn-Kautschuk für den Deutschen Zukunftspreis nominiert

Löwenzahn-Kautschuk für den Deutschen Zukunftspreis nominiert

Fahrzeugreifen aus Löwenzahn-Kautschuk sind ein Paradebeispiel für eine Bioökonomie-Innovation: Das Team hinter dieser Idee ist nun für den Deutschen Zukunftspreis nominiert worden.

Reifen aus Löwenzahnkautschuk
Hersteller Continental setzt Naturkautschuk aus Löwenzahn für die Serienproduktion von Fahrradreifen ein. Autoreifen sollen in einigen Jahren marktreif werden.

Mehr als zehn Jahre hat es gedauert, diese biobasierte Innovation auf die Straße zu bringen: Ein Fahrradreifen, der zu wesentlichen Teilen aus auf heimischen Äckern gewonnenem Löwenzahn-Kautschuk gefertigt ist. Seit 2019 kann man den Reifen kaufen. In wenigen Jahren will der Reifenhersteller Continental auch Autoreifen in Serie produzieren und seine Produktion damit nachhaltiger gestalten.

Seit 2011 hat ein Team um Dirk Prüfer von der Universität Münster gemeinsam mit Christian Schulze Gronover vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME sowie Chemikerin Carla Recker von Continental erforscht, wie sich der Löwenzahn in einen industriellen Lieferanten für Naturkautschuk verwandeln lässt. Jetzt ist das Team für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert worden: Ob das innovative Verfahren sich im Finale trotz hochkarätiger Konkurrenz durchsetzen kann, gibt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 17. November bekannt. Der Preis ist mit 250.000 Euro dotiert.

Nachhaltige Quelle für Naturkautschuk

„Die Nominierung ist eine große Ehre für uns“, freut sich Carla Recker, Leiterin des Fachgebiets Materialchemie des Reifenbereichs bei Continental. „Sie bestätigt einmal mehr das Potenzial einer neuen Rohstoffquelle für Naturkautschuk.“ Gemeinsam mit dem Projektnetzwerk habe man die Erforschung der gesamten Wertschöpfungskette des Russischen Löwenzahns wesentlich vorantreiben können. Das begann schon mit der Suche nach der geeigneten Löwenzahnart, die dann aufwendig züchterisch so optimiert werden musste, dass der Kautschukgehalt ihrer Wurzeln sich weiter erhöht und dass sie unter den Bedingungen der industriellen Landwirtschaft angebaut werden kann. Dazu gehörten auch die Widerstandsfähigfähigkeit gegen Schädlinge und Trockenheit. Inzwischen besitzt der Russische Löwenzahn diese Eigenschaften.

Das Team hinter dem Projekt Nachhaltiger Reifen durch Löwenzahn
Das Team hinter dem Projekt Nachhaltiger Reifen durch Löwenzahn: Christian Schulze Gronover, Carla Recker und Dirk Prüfer.

Umweltfreundliches Extraktionsverfahren

„Durch konsequentes, wissensbasiertes Handeln und mit moderner Analytik haben wir gemeinsam mit einem Pflanzenzüchter aus Wildpflanzen des Russischen Löwenzahns ertragreiche und widerstandsfähige Pflanzen gezüchtet“, resümiert Christian Schulze Gronover, Leiter des Forschungsbereichs beim Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME in Münster. Zudem habe das Team ein umweltfreundliches Verfahren entwickelt, um den Kautschuk aus den Wurzeln der Pflanzen zu extrahieren.

Bislang wird Naturkautschuk gewonnen, indem die Baumschale von Kautschukbäumen angeritzt wird. Um den jährlichen Bedarf von 14 Mio. Tonnen zu decken, sind in Süd- und Südostasien riesige Monokulturen entstanden, für die oftmals Tropenwälder weichen mussten. „Unser Ansatz, Naturkautschuk aus Löwenzahn nachhaltig zu gewinnen, kann vielen sozioökonomischen und ökologischen Herausforderungen in diesen Regionen entgegenwirken“, betont Dirk Prüfer von der Universität Münster. Ein Löwenzahnanbau nahe der jeweiligen Reifenfabriken würde zudem nicht nur die Tropenwälder schützen, sondern auch das Klima durch kürzere Transportwege entlasten.

Video: Autoreifen aus Löwenzahn

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Umfangreiche öffentliche Förderung

Den Erfolg verdankt das Projekt auch den zahlreichen Förderungen entlang eines Wegs, der bereits Anfang der 2000er Jahre begann und seit 2011 von dem jetzt nominierten Trio, Universität Münster, Fraunhofer IME und Continental, weiter beschritten wurde. Fördermittelgeber waren dabei über die Jahre das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundeslandwirtschaftsministerium mit den Verbundprojekten TARULIN sowie TAKOWIND I bis III. Weitere Unterstützung kam vom Land Mecklenburg-Vorpommern sowie der Europäischen Union.

Die vergangenen Jahre waren reich an Meilensteinen: 2014 wurden Pkw-Testreifen und zwei Jahre später Lkw-Testreifen gefertigt und erprobt. Im Jahr 2018 eröffnete Continental dann in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern das „Taraxagum Lab“ als Forschungs- und Entwicklungslabor. Hier wurde auch der Fahrradreifen "Urban Taraxagum" entwickelt, der seit 2019 auf dem Markt ist. In direkter Nachbarschaft des Labors wird der Löwenzahn angebaut.

Ob der „nachhaltige Reifen durch Löwenzahn“ den Deutschen Zukunftspreis 2021 tatsächlich gewinnt, entscheidet sich am 17. November in Berlin. Die Konkurrenz ist groß: Das Team von BioNTech wurde für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen nominiert, ein Medizintechnik-Team von Siemens Healthineers hat einen quantenzählenden Computertomographen entwickelt.

bl/pg