Langzeitstudie beziffert Insektensterben

Langzeitstudie beziffert Insektensterben

Eine Studie liefert erstmals Zahlen zum massiven Rückgang der Insekten in Deutschland. Demnach wurde 2016 an ausgewählten Orten in Deutschland 75% weniger Fluginsekten-Biomasse gefangen als noch vor 27 Jahren.

Auch Mauerbienen wie diese Natternkopf-Mauerbiene (Osmia adunca) sind vom Insektensterben betroffen.
Auch Mauerbienen wie diese Natternkopf-Mauerbiene (Osmia adunca) sind vom Rückgang betroffen.

Der Rückgang der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen scheint offensichtlich. So beklagte der diesjährige Agrar-Report einen eklatanten Artenverlust bei allen Tier- und Pflanzenarten. Besonders gravierend auch hier: das Bienensterben. Ein Jahr ist es her, als 77 Wissenschaftler Alarm schlugen und die Bundesregierung diesbezüglich in einer Resolution zum sofortigen Handeln aufforderten. 

Erste Langzeitstudie zu Insektenentwicklung

Für den tatsächlich dramatischen Rückgang von Insekten liefert nun erstmals eine internationale Langzeitstudie den Beweis. An der im Fachjournal „Plos One“ veröffentlichten Untersuchung waren der Entomologische Verein Krefeld, die Radboud Universität in den Niederlanden und die britische Universität in Sussex beteiligt. Um den Zustand und die Entwicklung der Insektenbiomasse zu erfassen, wurden bundesweit in Naturschutzgebieten insgesamt 96 Malaise-Fallen aufgestellt. Mithilfe der von den Krefelder Experten entwickelten Fallen können über 90% der Arten an Fluginsekten in Deutschland nachgewiesen werden.

Malaise-Falle im Naturschutzgebiet nahe einer landwirtschaftlich genutzten Fläche.

Malaise-Falle im Naturschutzgebiet nahe einer landwirtschaftlich genutzten Fläche.

82% weniger Insekten im Sommer

Von 1989 bis 2016 beobachteten die Forscher, welche und wie viele Fluginsekten ihnen in die Falle gingen. Die Datenanalyse ergab: In den 27 Jahren ging die Zahl der fliegenden Insekten jährlich um 76% zurück. In den Sommermonaten war der Rückgang noch gravierender. Hier ergab sich allein ein Verlust von 82%. „Die aktuellen Daten deuten auf ein allgemeines Muster des Rückgangs der Insektenvielfalt und -menge hin“, heißt es in der Studie. So ist beispielsweise ist die Zahl europäischer Grünlandschmetterlinge zwischen 1990 und 2011 um gut 50% gesunken. Die gleiche Entwicklung zeigte sich bei Bienen und Motten. Die Untersuchung zeigt auch, dass der Schwund nicht nur seltene und gefährdete Arten, sondern die gesamte Insektenwelt betrifft.

Insektenschwund durch Pestizideinsatz wahrscheinlich

Zusätzlich wurden Klimadaten von über 160 Wetterstationen im Umfeld der Messstationen sowie Luftbilder und Vegetationsaufnahmen der Biotope während der jeweiligen Untersuchungsperioden ausgewertet um Ursachen des Insektenverlusts zu finden. Diese Frage bleibt mit der Studie jedoch unbeantwortet. Weder die Klimadaten, noch Änderungen der Biotopmerkmale waren hinreichend, um den größten Teil der Verluste zu erklären.

Ob der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft die Insekten vertrieben hat, konnte mangels verfügbarer Daten mit der Studie nicht abschließend geklärt werden. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch: Denn 90% aller Insektenfallen waren von intensiv bewirtschafteten Feldern umgeben. Die Forscher gehen davon aus, dass Naturschutzgebiete durch ihre „Insellage“ und durch ihre "langen Außengrenzen stark von ihrer Umgebung beeinflusst sind, so dass äußere Einflüsse, wie der Eintrag von Pestiziden oder Nährstoffen nicht ausreichend abgepuffert werden können".

bb