Künstlicher Stoffwechselweg für die biotechnische CO2-Nutzung

Künstlicher Stoffwechselweg für die biotechnische CO2-Nutzung

Max-Planck-Forschende aus Marburg haben einen Stoffwechselweg zur CO2-Fixierung konstruiert, in dem Ameisensäure als Zwischenprodukt eine zentrale Rolle spielt.

Lochplatte, die automatisiert befüllt wird
Ameisensäure bzw. Formiat kann als Kernstück einer kohlenstoffneutralen Bioökonomie dienen, indem es auf elektrobiotechnologischem Wege aus CO2 hergestellt wird.

Formiat, auch bekannt als Ameisensäure, ist für viele mikrobielle Stoffwechselprozesse eine wichtige Kohlenstoffquelle. Ein Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg hat nun das Modellbakterium E. coli so verändert, dass es Formiat aus CO2 herstellen und zu Formaldehyd weiter verstoffwechseln kann. Möglich wurde das durch die Konstruktion eines synthetischen Stoffwechselwegs, über den das Team von Tobias Erb im Fachjournal "Nature Communications" berichtet.

Künstlicher Stoffwechselweg erzeugt

Die Max-Planck-Forschenden haben für ihre Studie einen künstlichen Stoffwechselweg entwickelt, der zunächst CO2 mittels künstlicher Photosynthese nutzt. Die Energie dazu stammt nicht aus Sonnenlicht, sondern von Elektronen, die in Form von Ökostrom dem Prozess zugeführt werden. Auf diese Weise bildet das Bakterium zunächst Ameisensäure.

Ameisensäure ist eine von mehreren möglichen Kohlenstoffquellen, von denen mikrobielle Stoffwechsel zu höherwertigen chemischen Verbindungen führen. Viele alternative Kohlenstoffquellen sind jedoch für Lebewesen giftig – etwa Kohlenmonoxid, Formaldehyd und Methanol – oder bereiten andere Probleme – wie etwa das Treibhausgas Methan. Ameisensäure ist hingegen ungiftig, wenn sie als Formiat vorliegt.

Reaktionsschritt mit energetischer Barriere

„Ameisensäure ist eine Kohlenstoffquelle mit Zukunft,“ sagt daher Maren Nattermann, die maßgeblich an der Entwicklung des künstlichen Synthesewegs beteiligt war. „Aber die Umwandlung zu Formaldehyd im Reagenzglas war bisher recht energieaufwändig. Es gibt eine gravierende chemische Barriere zwischen den beiden Molekülen, die wir durch biochemische Energie – ATP – überbrücken müssen, bevor wir die eigentliche Reaktion durchführen können.“ Formaldehyd wäre eine Verbindung, aus der Bakterien unmittelbar eine Reihe weiterer Wertstoffe bilden können.

Je mehr Energie das Bakterium jedoch in die Umwandlung stecken muss, desto weniger bleibt ihm für Wachstum und nachfolgende Syntheseschritte hin zu den höherwertigen Produkten. Die Forschenden haben daher Enzyme gesucht, die Formiat zu Formaldehyd umwandeln, und diese Enzyme optimiert. „Wenn man Enzymstruktur und -Mechanismus kennt, weiß man, wo einzugreifen ist, um es anzupassen. An diesem Punkt profitieren wir maßgeblich von Vorarbeiten aus der Grundlagenforschung“, erläutert Erb.

Vierfache Leistungssteigerung nach 4.000 Varianten

Durch gezielte Mutationen und mittels Labor-Evolution im Hochdurchsatzverfahren erreichte das Team sein Ziel: „Nach etwa 4.000 Varianten erzielten wir eine vierfache Verbesserung der Produktion,“ berichtet Nattermann. „Damit haben wir die Grundlage geschaffen, den Modellorganismus E. coli, das mikrobielle Arbeitspferd der Biotechnologie, auf Ameisensäure wachsen zu lassen.“

Allerdings können die aktuellen Stämme Formaldehyd vorerst nur produzieren, nicht weiter umsetzen. Das wäre nun der nächste Schritt, der bereits in Arbeit ist. Denn das langfristige Ziel der Forschenden ist eine „All-in-one-Plattform“, die aus CO2 elektrobiotechnologisch hochwertige Produkte von Biodiesel bis Insulin erzeugen kann.

bl