Künstliche Photosynthese: Visionen greifbar machen
Wie kann man Zukunftstechnologien Bürgern heute schon näher bringen - und Vorbehalte erkennen und zur Sprache bringen. Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech probiert das am Beispiel „Künstliche Photosynthese“.
Sie gilt als vielversprechende regenerative Hightech-Energiequelle der Zukunft: Die Künstliche Photosynthese - mit der Sonnenlicht nach Pflanzenmanier direkt in Energieträger umgewandelt werden soll. Doch solche visionären Technologien haben nur Erfolg, wenn eine breite Öffentlichkeit dahinter steht. An diesem Punkt setzt ein Projekt der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften acatech an. In diversen Veranstaltungen hat die Wissenschaftsakademie in den vergangenen zweieinhalb Jahren verschiedene Formate ausprobiert, um die Öffentlichkeit so früh wie möglich an das Thema „Künstliche Photosynthese“ heranzuführen und so damit verbundene Ideen, Erwartungen und Ängste zu erfahren. In der Publikationsreihe „IMPULS“ beschreibt die Akademie die Zukunftsszenarien der künstlichen Photosynthese und dokumentiert Erfahrungen mit Dialogformaten.
Die Sonne ist die ultimative Energiequelle - noch dazu unerschöpflich. Sie spendet 15.000mal mehr Energie als die Menschheit überhaupt verbraucht. Ein Stunde Sonnenlicht würde genügen, um den Energiebedarf der Erde für ein ganzes Jahr zu decken. Daher versuchen Forscher weltweit seit Jahren die Natur zu kopieren und arbeiten an einer „künstlichen Photosynthese“. Nach dem Vorbild der Photosynthese bei Pflanzen versuchen sie aus Kohlendioxid, Wasser und Licht CO2 als Treibstoff herzustellen. Der Vorteil der künstlichen Photosynthese: es wird kein klimaschädliches CO2 freigesetzt. Darüber hinaus könnte die Sonnenlicht-Technologie auch komplexe Moleküle für chemische Rohstoffe, Lebens- und Futtermittel liefern. Doch davon sind die Forscher noch weit entfernt.
Öffentliche Diskussionen früh etablieren
Noch stehen Forscher auf dem Weg zu einem "Künstlichen Blatt" erst am Anfang. Fest steht: Solche Technologien sind auch stets mit Risiken verbunden, und sie treffen auf Vorbehalte in der Bevölkerung. Eine fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung könnte dafür sorgen, dass Innovationen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Dass dieses Thema auch eine breite öffentliche Akzeptanz erfährt, darum bemühten sich die Wissenschaftler der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften acatech. Seit Oktober 2013 gingen die Forscher der Frage nach, wie eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit in das Thema „Künstliche Photosynthese“ und die Technikkommunikation gelingen kann. Dafür wurden explizit neue Formate für Diskussionsrunden entwickelt und einem Praxistest unterzogen.
Abstrakte Forschungsergebnisse greifbar machen
In der nun veröffentlichten IMPULS-Band berichtet die Acatech über ihre Erfahrungen mit den neuen Dialogformaten und stellt Zukunftsszenarien der künstlichen Photosynthese vor. Die Studie lässt keinen Zweifel daran, dass eine öffentliche Debatte über solche Visionen so früh wie möglich geführt werden muss, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Für einen frühzeitigen Dialog müssten abstrakte Forschungsergebnisse in greifbare Geschichten gefasst werden, so die Autoren. Um die Szenarien der künstlichen Photosynthese fassbar zu machen, entwarf die Projektgruppe um Alfred Pühler (Universität Bielefeld) und Armin Grunwald (Karlsruher Institut für Technologie, KIT) deshalb unterschiedliche „Technikzukünfte“, also visionäre Anwendungsbeispiele. Dazu zählen Mikroalgen als grüne Zellfabriken für Treibstoffe; Nanokügelchen, die aus Wasser und kohlenstoffhaltigen Industriegasen Methan herstellen, sowie organische Solarzellen als Stromfabriken in Gebäudefassaden.
Erwartungen und Ängste wahrnehmen
Neben Workshops zum Thema „Künstliche Photosynthese“ lud acatech interessierte Bürger zu Diskussionen ins „Science Cafés“ ein, ließ in Comic-Workshops Ideen, Erwartungen und Befürchtungen zum Thema darstellen und lässt einen Wissenschaftjournalisten auf Youtube mittels Story-Telling über Technikzukünfte der künstlichen Photosynthese erzählen.
Dabei habe sich gezeigt, dass viele Diskussionsteilnehmer befürchteten, dass gentechnisch veränderte Organismen in diesem Kontext bei Unfällen freigesetzt werden könnten. Andere stellten die Wirtschaftlichkeit, den Wirkungsgrad und die Umweltverträglichkeit der Künstlichen Photosynthese infrage. Das Papier rät, dass alle Beteiligten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die Wünsche und Befürchungen aller Akteure und damit auch der Bevölkerung berücksichtigen und ernst nehmen müssen, um das Vertauen in die Technik zu fördern. Im Rahmen des weiteren Projektes will acatech nun bestehende Forschungsansätze ins Visier nehmen. Damit soll der konkrete Forschungsbedarf in Deutschland aufgezeigt werden, um bis zum Jahr 2050 konkrete Anwendungen der künstlichen Photosynthese zu ermöglichen.