Künstliche Metalloenzyme für die Chemieindustrie

Künstliche Metalloenzyme für die Chemieindustrie

Ein hybrider Ansatz soll chemische Synthesen schnell, effizient und ohne unerwünschte Nebenprodukte katalysieren.

Halb gefüllte Reaganzgläser im UV-Licht
Dieser Photoreaktor dient der Kupferkatalyse am LIKAT.

Was die Spezifität von Synthesen betrifft, sind Enzyme ungeschlagen: Die in allen lebenden Zellen vorhandenen Katalysatoren können komplexe Moleküle erzeugen und das meist ohne unerwünschte Nebenreaktionen. Das haben sie der chemischen Synthese voraus, die zwar hohe Ausbeuten erzielen kann, aber neben energieintensiven Reaktionsbedingungen häufig auch problematische Nebenprodukte mit sich bringt. Eine Forschungsgruppe am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock (LIKAT) möchte die Vorteile beider Welten verbinden.

Hohe Ausbeute mit hoher Spezifität gewünscht

Das Ziel von Gruppenleiter Esteban Mejìa und Doktorand Paul Hünemörder ist es, künstliche Metalloenzyme herzustellen. Metalloenzyme sind Proteine, die in ihrem reaktiven Zentrum ein oder mehrere Metallatome enthalten. Fast die Hälfte aller natürlichen Proteine sind Metalloenzyme, und auch in der Medizin ist ihre Rolle dementsprechend groß. Künstliche Metalloenzyme könnten, so die Hoffnung des Forschungsteams, komplexe pharmazeutische Wirkstoffe hoch spezifisch produzieren. Bislang gibt es keine künstlichen Metalloenzyme, die industriell genutzt werden.

Die hohe Spezifität ist vor allem deswegen von so großer Bedeutung, weil viele Moleküle in zwei Versionen existieren, die chemisch identisch, aber spiegelbildlich aufgebaut sind. Biochemisch ist das jedoch ein großer Unterschied, denn während die eine Version ein wertvoller pharmazeutischer Wirkstoff sein kann, kann sein Spiegelbild im Körper als Gift wirken oder anderweitig Schaden anrichten. Chemische Synthesen erzeugen stets beide Versionen, die dann aufwendig getrennt werden müssen, bevor Patienten sie als Medikament verabreicht bekommen können. Enzyme hingegen erzeugen stets nur eine der beiden Versionen, in der Regel jene, die positive Effekte hat.

Kupferatom verbindet natürlichen und künstlichen Teil

Als Machbarkeitsbeweis haben sich die Forschenden gemeinsam mit Fachleuten der Universität Greifswald ein natürliches Protein gesucht, das in seiner Struktur eine Art flache Tasche aufweist: Lactococcus Multidrug Resistance Regulator, kurz: LmrR. Den synthetischen Teil des Katalysators hat das Team so designt, dass er ein Kupferatom enthält. Dieses Kupferatom versenkt sich in der Tasche des Proteins wie eine Münze in einem Schlitz und verbindet so den natürlichen und den synthetischen Teil.

Dass diese Verbindung tatsächlich wie geplant zustande kommt, konnten die Chemiker bereits nachweisen. In den nächsten Monaten wird es um die Frage gehen, ob auch die katalysierte Reaktion wie erhofft abläuft und nur die gewünschte Version des Zielmoleküls herstellt. Dabei soll es sich um zyklische Alkene handeln, Vorprodukte für Pharmazeutika. Im Herbst wird sich dann zeigen, ob künstliche Metalloenzyme eine neue Option für die Pharmaindustrie darstellen können.

bl