Kompostierbarer Plastik auf dem Prüfstand

Kompostierbarer Plastik auf dem Prüfstand

Bioabbaubarkeit allein macht aus Biokunststoff noch kein ökologisch vorteilhaftes Produkt. Auf einem Fachkongress sprachen Experten in Berlin über die Zukunft der biobasierten Polymere.

Im Hauskompost verrotten bioabbaubare Kunststoffe kaum. Viele kommerzielle Verwerter sortieren das Material aus.
Im Hauskompost verrotten bioabbaubare Kunststoffe kaum. Viele kommerzielle Verwerter sortieren das Material aus.

Biokunststoffe werden in immer mehr Bereichen eingesetzt. Joghurtbecher, Getränkeverpackungen oder Tragetaschen werden aus dem Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt. Doch wie nachhaltig und umweltschonend sind die Produkte wirklich? Darüber diskutierten am 25. und 26. September Experten aus dem ganzen Bundesgebiet auf dem Fachkongress „Biobasierte Polymere – Kunststoffe der Zukunft“. Komplexe Lebenszyklusanalysen könnten helfen, Fragen zur Nachhaltigkeit zu beantworten. Die stehen aber noch aus. Bereits jetzt zeichnet sich jedoch ab: Kompostierbarkeit allein ist keine Eigenschaft, die aus einem Bio- ein ökologisch sinnvolles Produkt macht.

Ausgerechnet das Umweltforum Auferstehungskirche in Berlin hatte die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) als Veranstaltungort ausgesucht. Nomen est omen könnte man meinen: Nachdem sich die Rauchsschwaden im Abwehrkampf der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das ungeliebte Bioplastik etwas gelegt haben, zeigen sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft weiter von den Vorzügen der grünen Polymere überzeugt. Der Umweltverband kritisierte vor wenigen Monaten, dass die Konzerne mit den Biokunststoffen lediglich Green-Washing betrieben, zu schlecht sei deren Umweltbilanz im Vergleich zu konventionellen Werkstoffen.

Bioplastik-Streit landete vor Gericht

Mit dem Joghurtproduzenten Danone stritt die DUH schließlich vor Gericht um die Umwelteigenschaften eines aus Maisstärke produzierten Bechers. Die Auseinandersetzung endete mit einem Vergleich: Danone versprach, Werbeaussagen zu den Umwelteigenschaften auf der Packung zu präzisieren, die DUH beendete zog daraufhin die Klage zurück. Als Rewe und Aldi Tüten aus biobasiertem, nicht abbaubarem Bio-PE in die Läden brachten, zog die DUH auch gegen diese beiden Unternehmen ins Feld. Die Folge: Die umstrittenen Tragetaschen verschwanden bald wieder aus den Geschäften.

In der Branche herrscht einige Verunsicherung. Die Unterstützung aus Politik und Wirtschaft für das biobasierte Plastik ist indes ungebrochen. Gut möglich also, dass die neuen Werkstoffe auch im Endkundengeschäft bald eine Renaissance feiern. Aus dem Streit um PLA-Joghurtbecher (Danone) oder Einkaufstüten aus Bio-PE (Rewe, Aldi) haben viele der rund 170 Konferenzteilnehmer dennoch ihre Lehren gezogen: In den Chor der positiven Stimmen mischen sich leise kritische Zwischentöne. So sagte beispielsweise Hans-Josef Endres von der Hochschule Hannover: „Ich glaube, es ist der richtige Weg, den wir im Bereich erneuerbare Energien eingeschlagen haben. Vielleicht ist das Pendel aber etwas zu weit ausgeschlagen.“

Ökobilanz als Entscheidungshilfe

Jens Högel vom Generaldirektorat Forschung und Innovation der Europäischen Kommission warnte vor zu hohen Erwartungen an das Bioplastik: „Es wird keine Quantensprünge geben.“ Die Branche sieht er trotzdem auf einem guten Weg: „Aus heutiger Sicht ist es möglich, durch den Einsatz von biobasierten Polymeren den Energieverbrauch um die Hälfte und die CO2-Emissionen um rund zwei Drittel zu senken.“ Die Bundesregierung setzt beim Aufbau einer biobasierten Wirtschaft ebenfalls auf die grünen Polymere. „Die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist fester Bestandteil der Rohstoffstrategie der Bundesregierung“, betonte Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium.

Mit harten Zahlen will die Branche beweisen, dass der Einsatz der Biokunststoffe nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch Sinn ergibt. Lebenszyklusanalysen und Ökobilanzen sollen die Datenbasis liefern. Noch ist aber nicht vollkommen klar, wie sich einzelne Posten gegeneinander abgrenzen lassen.

Runder Tisch von Herstellern und Umweltverbänden

Zur Entwicklung eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsstandards haben sich Hersteller und Umweltverbände inzwischen in der Initiative Inro zusammengeschlossen, berichtet Michaele Hustedt von der Beratungsfirma CPC Berlin. Einige allgemeine Trends lassen sich schon jetzt erkennen. So setzt sich beispielsweise zunehmend die Erkenntnis durch, dass Bioabbaubarkeit allein fast nie ausreicht, um aus einem Biokunststoff ein ökologisch sinnvolles Produkt zu machen. „Viele Entsorger behandeln kompostierbares Plastik in der Biotonne als Störstoff“, so der Rechtsanwalt Christoph Werner. Andere Experten weisen darauf hin, dass die energetische Verwertung der Stoffe aus ökobilanzieller Sicht eh besser sei. Thomas Hirth vom Fraunhofer IGB stellte fest: „Bioabbaubare Kunststoffe sind ein Beispiel, wo man zu schnell zu viel erreichen wollte.“ In der Industrie werden derzeit ohnehin Drop-in-Lösungen favorisiert, bei denen Kunststoffe ohne großes Umrüsten auf den bisherigen Maschinen verwendet werden können. Jüngst kündigte Coca Cola an, für die Produktion von Getränkeflaschen künftig auch Bio-PET nutzen zu wollen.

bs