Impulse für den bioökonomischen Wandel

Impulse für den bioökonomischen Wandel

Beim Zukunftsgespräch Bioökonomie der Universität Hohenheim diskutierten Experten über die Frage, wie die Transformation des Wirtschaftssystems gelingen kann.

Blick vom unten auf das wachsende Miscanthusgras
Die Bioökonomie setzt auf nachwachsende Rohstoffe bei der Herstellung von Plattformchemikalien. Hohenheimer Forscher testen dafür auch nicht-heimische Pflanzen wie das Schilfgras Miscanthus.

Weg vom erdölbasierten Wirtschaften, hin zu einer nachhaltigen Nutzung nachwachsender Rohstoffe: dafür steht die Bioökonomie. Mit der Nationalen Bioökonomiestrategie hat die Bundesregierung im Januar 2020 die Leitlinien und Ziele ihrer Bioökonomie-Politik festgelegt und Maßnahmen für deren Umsetzung benannt. Die Öffentlichkeit von dem Potenzial zu überzeugen, ist Anliegen des vom Bundesforschungsministeriums initiierten Wissenschaftsjahres, dass noch bis Ende 2021 die Bioökonomie ins Rampenlicht stellt. Im Zukunftsgespräch Bioökonomie der Universität Hohenheim in Stuttgart zogen Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik nun eine erste Bilanz. Im Fokus der virtuellen Debatte am 15. Dezember stand die Frage, wie die Transformation des Wirtschaftssystems gelingen kann.

Bioökonomie als Transformationstreiber

Die Diskussion machte eines deutlich: Die Bioökonomie ist ein Transformationstreiber. Sie ist aber nicht per se nachhaltig. „Es reicht nicht aus, etwas Altes durch was Neues zu ersetzen. Transformation bedeutet, grundlegende Muster zu verändern wie etwa das Konsumverhalten“, sagte Andreas Pyka vom Fachbereich Innovationsökonomik der Universität Hohenheim. Einig waren sich die Experten, dass solch grundlegende Veränderungen nur erreicht werden können, wenn die Gesellschaft in den Diskurs mit einbezogen wird.

Sozial-ökonomische Effekte beachten

Franziska Schünemann vom Fachbereich Bioökonomie betonte die sozial-ökologischen Effekte des bioökonomischen Wandels. Die Forscherin verwies auf die zunehmende stoffliche und energetische Nutzung von Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft. „Die hohe Nachfrage nach Biomasse kann auch negative Effekte für den Boden haben“, sagte Schünemann. Ralf Vögele, Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften, unterstrich: „Die Landwirtschaft ist der Boden der Bioökonomie. Wir müssen also auf den Boden achten“.

Wissenschaft verständlich machen

Ein nachhaltiges Handeln setzt Wissen voraus. Einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Bioökonomie kann hier die Wissenschaft leisten – darin waren sich die Experten einig. „Wir müssen Wissen so zu vermitteln, dass es von Politik und Gesellschaft gleichermaßen verstanden wird und umgesetzt werden kann“, sagte Iris Lewandowski. Fakt ist: Die Gesellschaft bestimmt mit ihrem Konsumverhalten, ob der Wandel erfolgreich ist. Tatsache ist aber auch: Vielen ist der Begriff Bioökonomie bis heute unbekannt, wie Pyka betont.

Bioökonomie als gesamtgesellschaftlichen Prozess betrachten

Agrarwissenschaftlerin Iris Lewandowski ist überzeugt, dass die Transformation des Wirtschaftssystems nur gelingen kann, „wenn die Bioökonomie als gesamtgesellschaftlicher Prozess verstanden wird und alle Akteure zusammenarbeiten“. „Wir brauchen Experten mit dem Geist von Systemveränderern“, sagte die Forscherin, die seit Dezember Mitglied des neugegründeten Bioökonomierates ist, der Bundesregierung zu Fragen der Bioökonomie berät. Das Etablieren neuer Technologien erfordere auch, dass die Politik rechtliche Rahmenbedingungen schaffe, so Lewandowski. Damit sich Innovationen der Bioökonomie auf dem Markt durchsetzen, sollten der Forscherin zufolge Ökosystemleistungen einen monetären Wert erhalten.

Bioökonomie muss mit der Kreislaufwirtschaft zusammengehen

Große Unternehmen wie der Outdoor-Hersteller VAUDE beweisen, dass sich nachhaltiges Wirtschaften durchaus lohnt. Das Unternehmen setzt bei der Herstellung der Textilien seit langem auf biobasierte Materialen, Reststoffnutzung sowie Transparenz bei den Lieferketten. Eine Transformation bedeute mehr als nur biobasierte Materialien und Recycling, sagte der Innovationsmanager von VAUDE, René Bethmann. „Wichtig ist, ob die Bioökonomie mit der Kreislaufwirtschaft zusammengeht.“

Start-ups als Katalysator des Wandels stärker fördern

Auf die Rolle von Unternehmen und Gründern bei der Transformation verwies Andreas Kuckertz im Gespräch. Der Experte für Unternehmensgründungen an der Uni Hohenheim, sieht hier vor allem Start-ups als „Katalysatoren“.  Sie seien nicht in Altlasten gefangen wie große Unternehmen, die mit dem Wandel oft Schwierigkeiten hätten. „Start-ups müssen daher noch stärker unterstützt werden“, fordert der Experte. Die Auflage des „European Circular Bioeconomy Fund“ (ECBF) ist für Kuckertz ein Bekenntnis zur Umsetzung bioökonomischer Ziele. Mit dem ECBF wurde im Oktober dieses Jahres der erste Venture-Fonds aufgelegt, der sich ausschließlich der Bioökonomie in Europa widmet.

Menschen bei der Transformation mitnehmen

Wie weit das Bewusstsein für ein nachhaltiges Wirtschaften die breite Öffentlichkeit erfasst hat, zeigt sich nicht zuletzt in den Städten und Gemeinden vor Ort. Alexander Schweizer, Bürgermeister von Eningen unter Achalm, berichtete von Klimamaßnahmen die vor Ort initiiert worden, wie Photovoltaiktechniken sowie Anlagen, die aus Abwasser oder Holzschnitzel Wärme erzeugen. Doch „der Mut zur Veränderung ist noch nicht überall gegeben“, betonte Schweizer. Auch der Politiker plädierte dafür, die „Menschen mitzunehmen“, damit die Transformation gelingt.

bb