Globale Studie: Viele Flussläufe blockiert

Globale Studie: Viele Flussläufe blockiert

Weniger als ein Viertel aller Flüsse weltweit können noch ungehindert fließen. Das zeigt erstmals eine globale Studie, an der auch deutsche Forscher beteiligt waren. 

Der Tagliamento in Friaul, Oberitalien, ist einer der letzten Wildflüsse Europas.
Der Tagliamento in Friaul, Oberitalien, ist einer der letzten Wildflüsse Europas.

Flüsse sind die Lebensader für Millionen Menschen weltweit. Sie dienen zum Fischfang, zur Bewässerung der Landwirtschaft oder zur Energiegewinnung. Vor allem Fließgewässer sind auf Grund ihrer hohen Dynamik ein Hort, in dem neue Tier- und Pflanzenarten und damit Ökosysteme entstehen. Doch das Flusssystem der Erde wird zunehmend durch den Menschen gestört. Begradigungen, Uferbebauungen oder Staudämme behindern den natürlichen Flusslauf, wie eine internationale Studie zeigt. Neben Wissenschaftlern der Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) waren auch Forscher der Universität Tübingen, des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) sowie der Freien Universität Berlin an der Erstellung des Zustandsberichtes zum globalen Flussökosystem maßgeblich beteiligt.

Ganze Flusssysteme durch Störung des Flusslaufes gefährdet

Insgesamt drei Viertel aller Flüsse können der Studie zufolge nicht mehr ungehindert ins Meer fließen, weil der Mensch in den Flusslauf eingegriffen hat. Rund 2,8 Millionen Dämme, hinter denen Reservoire von mindestens tausend Quadratmetern Wasserfläche entstanden, zählten die Wissenschaftler auf den insgesamt zwölf Millionen untersuchten Flusskilometern, wie das Team im Fachjournal „Nature“ berichtet. „Das führt zur Fragmentierung des Flusslaufs und hat teilweise schwerwiegende Auswirkungen auf das ganze Flusssystem“, sagt Christiane Zarfl vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen.

Maß für Zustandsbewertung entwickelt

Mit der Konnektivität fanden die Wissenschaftler ein zentrales Maß, um den Zustand der Flüsse zu bewerten. Berücksichtigt wurden dabei Faktoren wie der freie Wasserfluss und die Bewegungsmöglichkeiten der Organismen, der Transport von Sedimenten sowie organischen Stoffen, Nährstoffen und Energie. Mithilfe dieser neuen Methode war es möglich, auch die mit den Flüssen verbundenen Ökosysteme sowie deren Artenvielfalt zu beurteilen. „Wir haben nun erstmals ein umfassendes Informationssystem mit hoher Auflösung zu den Flüssen der Erde angelegt. Es soll auch dazu dienen, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten der Ökosysteme und die Folgen künftiger Eingriffe deutlich zu machen“, erklärt Zarfl.

Nur noch wenige frei fließende Gewässer 

Die Forscher sehen Flüsse und ihre Ökosysteme durch die Weiterentwicklung der Infrastruktur auf Grund einer stetig wachsenden Weltbevölkerung zunehmend bedroht. Das große Ziel der Forscher ist es daher, die letzten frei fließenden Flüsse der Erde zu erhalten. Sie verweisen darauf, dass gerade frei fließende Flüsse Ökosysteme mit der größten Artenvielfalt und Dynamik entstehen lassen. Der Studie zufolge sind es weltweit nur noch ein Drittel der Gewässer, die ihrem natürlichen Lauf folgen können. „Heute sind sie weitgehend auf abgelegene Regionen wie die Arktis, das Amazonasbecken und das Kongobecken beschränkt“, sagt Christiane Zarfl. „In dicht bevölkerten Erdregionen wie Nordamerika, Europa und Südasien sind nur noch wenige sehr lange Flüsse frei fließend, allen voran der Irrawaddy und der Saluen.“


bb