Fürsorgliche Eltern auch bei Pflanzen
Auch Pflanzen schützen ihre Nachkommen vor Gefahren, in dem sie ihre Erfahrungen mit Umwelteinflüssen weitergeben. Dieses Phänomen konnten Forscher erstmals in der Praxis nachweisen.
Kinder vor Gefahren zu bewahren, ist ein Uranliegen von Eltern. Erfahrungen werden weitergegeben, um die Zöglinge vor Unheil zu schützen. Diese fürsorgliche Eigenschaft ist nicht nur dem Mensch eigen. Auch Pflanzen geben ihren Nachkommen Informationen weiter, um sie für die Zukunft zu wappnen. Neben dem Erbgut werden so vor allem Umwelterfahrungen übermittelt, welche die Pflanze selbst erlebt hat. Dieses Phänomen wird als „parentaler Umwelteffekt“ bezeichnet. Er wird aber nicht nur von Klimabedingungen bestimmt, sondern auch von dem Maß, in dem die Pflanzen mit anderen Pflanzen um Ressourcen wie Wasser und Nährstoffe konkurrieren, die sogenannte Pflanzendichte. Theoretisch ist dieses Phänomen seit langem bekannt.
Vegetationsökologen der Universitäten Tübingen und Hohenheim haben nun diese Fähigkeit zur Anpassung von Pflanzen an ihre Umwelt bestätigt. Wie das Team im Fachjournal „New Phytologist“ berichtet, zeigten sich bei Tests im Gewächshaus und im Feld, wie sich der parentale Umwelteffekt verändern kann und entsteht. Außerdem liefern die Forscher den Beweis, dass die Fähigkeit der Pflanzen, Nachkommen auf eventuelle Umweltbedingungen vorzubereiten auch zwischen Populationen innerhalb einer Art verschieden sein kann.
Samen überdauern in trockenen Böden
Das Vermögen, Umweltbedingungen der künftigen Generation vorherzusagen ist vor allem für Pflanzen existenziell, die in Wüstenregionen mit stark schwankenden Regenmengen wachsen. Im Rahmen der Studie wurden daher zwei einjährige Gewächse untersucht, die in den trockenen Regionen Israels leben: der Kreuzblütler Biscutella didyma und das Gras Bromus fasciculatus. In der Wüste können Pflanzen nur überleben, wenn sie im Boden eine Samenreserve anlegen, erklärt der Tübinger Biologe, Christian Lampei. „Ein Teil der Samen ruht schlafend im Boden. Wenn bereits in der Elterngeneration festgelegt werden kann, wann ein günstiger Zeitpunkt für die Keimung ist, kann dies Verluste durch Auskeimen in einem schlechten Jahr minimieren.“
Die Wissenschaftler verglichen daher vier Populationen der Pflanzen, um zu ermitteln, wie stark der parentale Umwelteffekt den unterschiedlichen Klimabedingungen ausgesetzt ist. Dafür wurden die Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen und mit unterschiedlicher Bewässerungsintensität aufgezogen und die Keimung der Samen vergleichen. Zusätzlich wurden Langzeit-Regendaten, Daten zu Pflanzendichten und zur durchschnittlichen Samenproduktion herangezogen, um zu berechnen, wie gut sich anhand der Regenmenge eines Jahres die Anzahl konkurrierender Pflanzen im Jahr vorhersagen lassen und wie sich diese Konkurrenz auf die Samenproduktion auswirkt.
Je trockener um so größer die „Vorsorge“
Das Ergebnis: Bei dem Kreuzblütler Biscutella didyma wurde der parentale Umwelteffekt um so stärker, je trockener es in den Populationen zuging. Je trockener die Umgebung, desto mehr bildeten die Pflanze ihre „Vorsorge“ für den Nachwuchs aus. Parallel zur Regenmenge des Vorjahres wuchs gleichfalls aber auch die Pflanzendichte. Denn je besser sich die Konkurrenzsituation für das folgende Jahr vorhersagen ließ, um so stärker war der Effekt ausgeprägt. Die Studie zeigt, dass in den Jahren mit hoher Pflanzendichte Pflanzen im Schnitt weniger Samen produzieren. Die Forscher sehen damit ihre Vermutung bestätigt, dass es vorteilhaft ist, in Jahren mit hoher Pflanzendichte die Auskeimung durch viele Reserven zu verzögern.
Anders als der Kreuzblütler war der Effekt bei dem Gras Bromus fasciculatus nicht zu erkennen. „Tatsächlich zeigt Bromus fasciculatus eine hohe Trockenresistenz. Das könnte eine Samenreserve überflüssig machen", vermutet Lampei. Die Forscher sehen darin frühere Studien bestätigt, wonach einjährige Pflanzen noch weitere Strategien nutzen können, um in variablen Ökosystemen zu überleben.
bb