Enzym-Kaskade als Energiegenerator

Enzym-Kaskade als Energiegenerator

Ein Forschungsteam um den Marburger Mikrobiologen Tobias Erb hat eine Methode entwickelt, mit dem elektrische Energie in biochemische Energie umgewandelt werden kann, um so das für die künstliche Photosynthese wichtige Molekül ATP zu erzeugen.

Reaktionskammer, in dem der künstliche Stoffwechselweg abläuft.
Reaktionskammer, in dem der künstliche Stoffwechselweg abläuft.

Die Synthetische Biologie zielt darauf ab, komplexe biologische Prozesse im Labor gezielt zu entwerfen, nachzubauen oder zu verändern. Einer der wichtigsten biologischen Prozesse ist die Photosythese. 2016 gelang es Marburger Forschenden um Tobias Erb, einen künstlichen Stoffwechselweg zur Kohlendioxid-Fixierung im Reagenzglas zusammenzusetzen und damit den Weg zur künstlichen Photosynthese zu ebnen. Mithilfe dieser künstlichen Photosynthese gelang es dem Team erst kürzlich, Kohlendioxid in verschiedene Wertstoffe wie Antibiotika oder Biotreibstoffe umzuwandeln. Nun ist Forschenden am Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg ein weiterer Durchbruch geglückt: Sie entwickelten einen künstlichen Stoffwechselweg, der aus elektrischem Strom den biochemischen Energieträger ATP gewinnt.

Die künstliche Photosynthese benötigt wie ihr natürliches Vorbild Energie. Das erfolgt in der Natur mithilfe des Moleküls Adenosintriphosphat – kurz ATP –, der universelle Energieträger aller Lebewesen. Ohne das Molekül wären weder Stoffwechsel noch Wachstum möglich, das gilt für tierische ebenso wie für pflanzliche Zellen. Elektrischen Strom wie aus Wind und Sonne in biochemische Reaktionen einzuspeisen, war bisher nicht möglich. Forschende um Erb haben nun ein Verfahren entwickelt, um elektrische Energie in biochemische Energie umzuwandeln und so ATP zu erzeugen.

Vier Enzyme erzeugen ATP

Den Forschenden zufolge wird ATP dabei von vier Enzymen erzeugt. Das zentrale Enzym dieser „AAA-Zyklus“ genannten Kaskade, die sogenannte Aldehyd Ferredoxin Oxidoreduktase (AOR), reduziert dabei eine Säure zu einem Aldehyd. „Dabei wird die elektrische Energie in der Aldehyd-Bindung gespeichert. Die übrigen drei Enzyme sorgen für die Regeneration des Aldehyds. Die frei werdende Energie wird für die Bildung von ATP genutzt“, erklärt Shanshan Luo, Erstautorin der Studie. Wie das Team im Fachmagazin Joule berichtet, kann ATP aus dem AAA-Zyklus die für chemische Reaktionen erforderliche Energie bereitstellen, zum Beispiel für die Bildung von Glukose-6-Phosphat, dem Baustein für Stärke, oder die Synthese von Proteinen.

Potenzial biologischer Moleküle als Energiespeicher gesteigert

„Mit dem AAA-Zyklus lässt sich nun erstmals direkt elektrische in biochemische Energie umwandeln", sagt Tobias Erb, Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie. „Dies ermöglicht die Synthese energiereicher Wertstoffe wie Stärke, Biokraftstoffe oder Proteine aus einfachen Zellbausteinen, und zukünftig sogar aus Kohlendioxid. Elektrische Energie könnte auf diese Weise über längere Zeiträume in biologischen Molekülen gespeichert werden,“ sagt Erb.

Zentraler Energiewandler stammt von Mikrobe ab

Das zentrale Enzym im Energiewandler-Zyklus AOR stammt wiederum von einem kaum bekannten Bakterium namens Aromaticum aromatoleum, das Marburger Forschende zufällig entdeckten, als sie untersuchten, ob die Mikrobe auch im Labor unter sauerstofffreien Bedingungen Erdöl abbaut. Noch ist viel Forschungsarbeit nötig, ehe das Konzept in der Praxis eingesetzt werden kann. Von dem Potenzial sind die Forschenden jedoch überzeugt: „Der AAA-Zyklus könnte künftig die Schnittstelle zwischen Elektrizität einerseits und der Biologie auf der anderen Seite darstellen“, so Erb. Das Verfahren wurde im Rahmen des Projekt „EBioCO2n“ entwickelt – einer Kooperation zwischen Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft – und vom Green-Talents-Programm der Bundesregierung unterstützt.

bb