Die Vorlieben der Kirschessigfliege
Die Kirschessigfliege - ein gefürchteter Obstschädling - bevorzugt als einzige Fruchtfliegenart reife, unversehrte Früchte zur Eiablage. Münchner Forscher haben Gründe dafür aufgespürt.
Kirschessigfliegen gehören zu der Familie der Fruchtfliegen (Drosophila), und sind eine landwirtschaftliche Plage. Sie haben sich in den letzten zehn Jahren vom Südosten Asiens nach Europa und Nordamerika ausgebreitet. Während viele Fruchtfliegenarten matschige und bereits leicht faulende Früchte für ihre Eiablage aussuchen, bevorzugt die Kirschessigfliege D. suzukii hingegen reife Früchte. Auf Grund des resultierenden Larvenfraß und Infektionen an der Einstichstelle verfaulen diese dann aber schnell. Dadurch richten die Kirschessigfliegen in der Landwirtschaft bei Früchten wie Kirschen, Himbeeren, Pfirsichen, Trauben oder Erdbeeren verheerende Schäden an.
Unterschiedliche Vorlieben beim Eiablageplatz
Für die Eiablage nutzen alle Fruchtfliegenweibchen ihren Legestachel, um die Haut der Früchte zu durchdringen. Ein Team aus Münchner Biologen (LMU und TU) um Nicolas Gompel und Ilona Grunwald Kadow hat mit franzöischen Kollegen untersucht, warum Kirschessigfliegen sich in ihrem Verhalten von ihren nahen Verwandten unterscheiden. Ihre Ergebnisse auf der Basis von genetischen und verhaltensbiologischen Experimenten haben sie im Fachjournal „Current Biology“ veröffentlicht.
Die Forscher gingen davon aus, dass evolutionäre Veränderungen den beobachteten Unterschieden zu Grunde liegen. Sie untersuchten dazu, wie drei nahe Verwandte – die Fruchtfliegenarten Drosophila melanogaster, D. biarmipes und D. suzukii, ihren bevorzugten Eiablageplatz auswählen.
Fliege kann reife Früchte „schmecken“
Im Vergleich zu ihren Verwandten besitzen D. suzukii einen vergrößerten und gezahnten Legestachel, mit dem sie auch die straffe Haut reifer Früchte durchstechen können. Zudem scheinen diese Fliegen gezielt reife Früchte für die Eiablage auszuwählen. „Aus unseren Ergebnissen schließen wir, dass sich im Verlauf der Evolution der Wahrnehmungsapparat von D. suzukii zunehmend verändert hat, sodass die Fliegen eine Vorliebe für die typischen Eigenschaften reifer Früchte entwickelten“, sagt Gompel.
Denn mit ihren Versuchen konnten die Forscher zeigen, dass sowohl die Festigkeit des Obstes als auch sein chemischer Duft-Cocktail, der für das jeweilige Reifestadium typisch ist, bei der Auswahl des Ablageplatzes eine Rolle spielen. Mit anderen Worten fühlen, riechen und „schmecken“ die Fliegen also ihre bevorzugte Eiablagestelle heraus.
Genetische Ursachen für Anatomie und Verhalten ermitteln
D. melanogaster legt die Eier bekanntermaßen in faulende und etwas matschige Früchte, während D. suzukii die straffe Haut reifer Früchte bevorzugt. D. biarmipes hingegen liegt genau dazwischen. Diese Fliegen sind zwar nicht so fixiert auf faulendes Obst wie D. melanogaster, können ihre Eier aber aufgrund der Anatomie ihres Legestachels nur in weiche oder beschädigte Früchte legen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich Verhalten und Stachelanatomie zusammen weiterentwickelt haben. Allerdings vermutet Gompel, dass der vergrößerte Legestachel eine sekundäre Errungenschaft darstellt. In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun auch den genetischen Grundlagen der veränderten Wahrnehmung auf den Grund gehen. „Möglicherweise beruhen sie auf Modifikationen in Genen, die für Rezeptoren der Sinneswahrnehmung codieren“, sagt Gompel. „Wir wollen auch erforschen, wie sich diese Modifikationen auf die beteiligten Nervenzellen auswirken.“
jmr