Debatte um Forschungskurs für die Äcker der Welt
Wie sollte eine zeitgemäße Agrarforschung aussehen, um Mega-Herausforderungen der Welt besser zu begegnen? In Berlin hatte die Wissenschaftspressekonferenz zu einer Diskussionsrunde geladen.
Hohe Nahrungsmittelpreise, Bevölkerungsexplosion, schrumpfende Ressourcen, Klimawandel: Die Landwirtschaft berührt viele der Mega-Probleme unserer Zeit. Wie kann Agrarforschung helfen, diese Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen? Wie sollte eine zeitgemäße, international ausgerichtete Agrarforschung aussehen? Über solche Fragen wurde am 15. Januar bei einer Podiumsdiskussion gesprochen, zu der die Wissenschaftspressekonferenz (WPK) nach Berlin geladen hatte. Mehrfach betonten die Experten auf dem Podium, es komme auf eine ideologiefreie Vielfalt der Forschungsansätze an. Fortschritte könnten gerade dann spürbar werden, wenn neue Erkenntnisse in Nationen mit „guter Regierungsführung" (good governance) umgesetzt würden. Wichtig sei auch, die Zivilgesellschaft schon früh in Diskussionen einzubinden.
Zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin häufen sich naturgemäß die Diskussionsrunden und Expertengespräche. Am 15. Januar ging es in Berlin nicht nur um den , sondern auch um die Zukunft der Agrarforschung. Zu einer Podiumsdiskussion hatte der Journalisten-Verband „Wissenschaftspressekonferenz (WPK)“ in die Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen geladen. Agrarjournalist Wilfried Bommert skizzierte in einem Impulsvortrag die großen Probleme, mit denen die Landwirtschaft weltweit konfrontiert ist. „Verminderte Bodenfruchtbarkeit, Wassermangel, zu wenige angebaute Pflanzenarten und schwindende Ressourcen für die Düngerproduktion – die meisten zentralen High-Input-Systeme der Agarwirtschaft bröckeln“, so Bommert. Er plädierte vor diesem Hintergrund für ein Umdenken auch in der Agrarforschung und formulierte den Wunsch nach einer „Agrar- und Ernährungswende“
40 Millionen Euro vom BMBF für Agrarforschung
Henk van Liempt leitet im Bundesforschungsministerium das Referat Bioökonomie. Er betonte, Forschung könne sicher nicht alle diese genannten Probleme lösen. Das BMBF wolle aber gezielt Forschungsanreize setzen, um Weichen zu stellen hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaft. „Da ein solches Konzept auf nachwachsenden Ressourcen aufbaut, liefert die Agrarforschung hierfür zentrale Erkenntnisse“, so van Liempt. Ob in Boden- oder Pflanzenforschung, ökologischen Landbau oder Tierhaltung, jährlich investiere allein das BMBF bis zu 40 Millionen Euro für die Agrarforschung. Stefan Lange vom Thünen-Institut in Braunschweig sagte, bei der Agrarwissenschaft habe es auf nationaler Ebene in der Vergangenheit wegen komplizierter Strukturen und zersplitterter Forschungslandschaft oftmals Defizite in der Zusammenarbeit und der Formulierung von Strategien gegeben. „Hier ist immer noch viel Luft nach oben“, sagte Lange. Von übergreifenden Agrarforschungsstrategien, die man dann in Entwicklungsländer exportiere, hielt Ulrich Köpke vom Institut für Ökologischen Landbau indes wenig. „Die Denke war bisher zu oft auf Endprodukte und nicht auf den Prozess ausgerichtet“, betonte der Bonner Universitätsprofessor. Agrarforschung müsse unbedingt am Standort selbst beginnen und auch vor Ort unter Einbindung der Bauern und sonstigen Beteiligten umgesetzt werden. „Wir müssen weg von der Weltformel, hin zu Partizipation und Fokussierung auf lokale Probleme“, sagte Köpke. Ein vielversprechendes Konzept verfolgten Forschungsprojekte in der BMBF-Förderinitiative GlobE. Demnächst würden in afrikanischen Feuchtgebieten, in denen bislang nur Papyrus angebaut werde, neue Anbausystem mit regionalen Akteuren erprobt.
Translationsforschung liegt brach
Hans-Jörg Jacobsen, Pflanzengenetiker an der Universität Hannover, sieht in „schlechter Regierungsführung“, „land grabbing“ und auch in zu starker Fokussierung auf Lebensmittelimporte entscheidende Hemmnisse für Innovationen in der Landwirtschaft weltweit. Jacobsen entwickelt mit seinem Team gentechnisch veränderte Erbsenpflanzen, die gegen Pilzinfektionen gewappnet sind. Die Pflanzen testet er allerdings nicht hierzulande, sondern in Freilandversuchen in Nordamerika.
Eine Konsequenz aus den schwierigen politischen Rahmenbedingungen und der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz hierzulande, so Jacobsen. Er plane, nach seiner Pensionierung am Ende dieses Jahres in Boston an der US-Küste weiter akademisch tätig zu sein. „Die anwendungsrelevante Forschung im Agrarbereich ist in Deutschland auch in den Universitäten mittlerweile verlorengegangen“, beklagte Jacobsen. In seinem Labor würden allerdings zahlreiche Mitarbeiter aus Entwicklungsländern mit eigenen Forschungsstipendien anklopfen und ausgebildet werden. „So können wir zumindest viel Know-how in Sachen Pflanzenbiotechnologie vermitteln, das in Asien ankommt“, sagte Jacobsen.
Zivilgesellschaft an Entscheidungsprozessen beteiligen
Die Zivilgesellschaft früher und stärker mit in Innovationsprozesse miteinzubinden, war in Berlin eine Forderung, die gleich von mehreren Podiumsteilnehmern geäußert wurde. Stefan Lange betonte, für forschungspolitische Entscheidungsprozesse müsse es zu einem favorisierten Modell werden, die Gesellschaft früh mit einzubeziehen. Henk van Liempt verwies auf - ein Expertengremium für die Bundesregierung - hin, mit dem man erste Schritte in diese Richtung gegangen sei. Wilfried Bommert machte sich für solche Diskussionen stark, weil sie für Transparenz und Akzeptanz bei Entscheidungen sorgten, und so Innovationen befördern könnten.