Brot-Aroma: Alte und neue Weizen-Sorten gleichauf
Forscher, Bäcker und Müller haben 240 Brote für die Wissenschaft gebacken. Das Ergebnis: Weizensorten und Wuchsstandorte beinflussen den Geschmack maßgeblich.
Seit 2014 ist die „Deutsche Brotkultur“ als immaterielles Kulturerbe von der UNESCO-Kommission anerkannt. In Deutschland gibt es über 300 Brotsorten und der Verbrauch lag im vergangenen Jahr bei über 80 Kilogramm Brot pro Person. Die Deutschen lieben ihr Brot. Gemeinhin wird angenommen, dass alte Getreidesorten das Brot besonders schmackhaft machen. Ob dem wirklich so ist, untersuchten Wissenschaftler gemeinsam mit Bäckern und Müllern.
Backen für die Wissenschaft
Forscher der Universität Hohenheim und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) stellten gemeinsam mit einem Bäcker- und einem Müllermeister 240 Brote im Akkord her. „Das Mehl für die Brote stammte von 40 Sorten Brotweizen, darunter Öko-Weizen, alte Weizensorten und Hochleistungsweizen“, informiert Hermann Gütler von der Stelzenmühle Bad Wurzach. Die 20 alten Weizensorten wurden vor 1999 zugelassen, die 20 modernen zwischen 2005 und 2014. Gewachsen ist der Weizen jeder Sorte an zwei unterschiedlichen Standorten: In Stuttgart-Hohenheim (Baden-Württemberg) und Gatersleben (Sachsen-Anhalt). Von jeder Mehl-Probe wurden drei Brote unter standardisierten Bedingungen in der Backstube BeckaBeck in Römerstein gebacken. Mit dabei war das SWR-Fernsehen.
Qualitätsprüfung von Teig und Broten
Noch während des Zubereitungsprozesses prüfte der routinierte Bäckermeister die Teigqualität mittels manueller Drehung auf einer Skala von 1 „schlechte Dehnbarkeit, Teig reißt schnell“ bis 9 „gute Dehnbarkeit“. Die Backqualität ergab sich aus dem Höhe/Breite-Verhältnis der Brote nach dem Backen. Und schließlich, ähnlich einer Weinprobe, beurteilten sechs Prüfer das Aromapotential der Brote. Dazu schätzten sie die Geschmacks- und Geruchsqualität auf einer neunstufigen Skala von „sehr fade“ bis „sehr aromatisch“ ein und nutzen das Wädenswiler Brot-Aromarad zur genaueren Beschreibung. Michael Kleinert, Aromaforscher an der ZHAW und Erfinder des Aromarads, stellte fest: „Interessanterweise schmeckten und rochen Brote aus manchen Weizensorten sehr nach Hefe und Gärung, während dies bei anderen nicht der Fall war, trotz gleicher Hefemengen.“ Dies galt für die alten genauso wie für die neuen Sorten. „Es gibt also in beiden Gruppen gleichermaßen fad und aromatisch schmeckende Sorten“, so Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim.
Brotgeschmack basiert auf Sorte und Wuchsort
Das Experiment zeigt, dass der Geschmack nicht davon abhängt, ob die Sorten alt oder neu sind. Die Wissenschaftler ermittelten hingegen, dass die Relevanz zu rund 40% von der Sorte und zu knapp 60% vom Wuchsort beinflusst wird. Nur wenige Sorten sind geschmacklich auffällig, sei es positiv oder negativ. Die meisten befinden sich im geschmacklichen Mittelfeld. Das ist typisch für Merkmale, die von sehr vielen Genen beeinflusst werden. „Im Gegensatz zum Geschmack, unterscheiden sich moderne und alte Sorten aber deutlich beim Ertrag“, sagt Longin. Moderne Sorten lieferten eine deutlich bessere Ausbeute und bessere Backeigenschaften. Longin und Kleinert sind sich einig, dass bei der Züchtung zukünftig das Augenmerk nicht nur auf Ertrag und Backeigenschaften, sondern auch auf das Geschmackspotenzial gerichtet werden sollte. Es gelte, einen Premiumsgeschmacksbereich zu finden und die Züchtung zusätzlich dahingehend auszurichten.
bp