Bioökonomie-Debatte im Bundestag

Bioökonomie-Debatte im Bundestag

Wie kann die Bioökonomie zu mehr Nachhaltigkeit in Deutschland beitragen? Darüber wurde Mitte Januar im Bundestag diskutiert.

Die Nationale Bioökonomiestrategie im Bundestag
Die Nationale Bioökonomiestrategie war Tagesordnungspunkt 15 der Plenarsitzung am 14. Januar. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek eröffnete die Debatte.

Anlass für die Parlamentsdebatte am 14. Januar war die Veröffentlichung der Nationalen Bioökonomiestrategie und ein Antrag der FDP-Fraktion (19/14742). „Wir sind einem gemeinsamen Nachhaltigkeitsziel verpflichtet“, eröffnete Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die Debatte. Sie unterstrich dabei, dass es auf der einen Seite eine wachsende Weltbevölkerung gebe, die mehr Nahrungsmittel und Rohstoffe benötige, zugleich auf der anderen Seite aber auch Klima, Umwelt und Biodiversität zu schützen sei. „Das geht!“, betonte die Ministerin – wenn denn alle miteinander nachhaltiger leben und wirtschaften. „Unsere Kinder und Enkelkinder wollen sehen, dass wir Nachhaltigkeit auch in Generationengerechtigkeit denken“, warb Karliczek und erläuterte, dass Deutschland mit der Bioökonomie die Weichen für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft stelle. 

Großes Innovationspotenzial 

„In der Bioökonomie steckt großes Innovationspotenzial für alle Wirtschaftsbereiche. Aber wir werden dieses Potenzial biobasierter Innovationen für Deutschland nur dann zum Fliegen bringen, wenn wir es nicht, wie bei der Biotechnologie leider so oft geschehen, mit ideologischen Rucksäcken am Boden halten“, warnte die Ministerin. Mit der Nationalen Bioökonomiestrategie setze man auf Technologieoffenheit – gerade im Hightech-Bereich. „Mit der Bioökonomie kann uns der Aufbau einer modernen, nachhaltigen Kreislaufwirtschaft gelingen – Nachhaltigkeit, die dann der Exportschlager made in Germany der Zukunft ist“, ist sich Karliczek sicher und nannte Beispiele wie Computerdisplays aus recycelbarem Material, Mikroalgen zum Schutz von Gebäudefassaden, Autoreifen auf der Basis von Löwenzahn.

„All das ist bereits heute Realität, weil wir diese Entwicklung mit der Forschungsförderung zur Bioökonomie vorangetrieben haben“, so die Ministerin und nannte ein klares Ziel: „Wir wollen der Wegwerfkultur in unserem Land und auf der Welt im 21. Jahrhundert mit aller Entschiedenheit den Stecker ziehen, und dabei sind Materialinnovationen das eine. Auch die Nutzung und Zweitverwertung vermeintlicher Neben- und Abfallprodukte ist ein ganz wichtiges Forschungsfeld. Neben- und Abfallprodukte sind kein Müll. Es sind Rohstoffe, die man verwerten und nutzen kann.“ 

Zukunftsgerichtete Nutzung neuer Technologien

Darüber hinaus plädierte die Ministerin für eine zukunftsgerichtete Nutzung neuer Technologien, etwa zur Genom-Editierung in der Pflanzenzüchtung. „Wir stehen in der Pflicht, mit Forschung und Entwicklung auch unseren internationalen Beitrag gegen den Hunger in der Welt zu leisten“, sagte die Bundesforschungsministerin und betont: „Wer ‚Ja‘ sagt zur medizinischen Biotechnologie, kann nicht glaubwürdig ‚Nein‘ sagen zur Pflanzenbiotechnologie.“

Die Gentechnik-Debatte ist laut Politikerin ein Beispiel dafür, warum Partizipation im Austausch über Wissenschaft einen hohen Stellenwert hat – auch bei weiteren Themen der Bioökonomie. „Daher steht das Wissenschaftsjahr 20/21 im Zeichen der Bioökonomie. Wir müssen ins Gespräch kommen, aufklären, mit wissenschaftlichen Argumenten überzeugen und, ganz besonders, begeistern.“

Nicht zuletzt gehe es darum, „den jungen Leuten eine Perspektive aufzuzeigen für die Zukunft“, so Karliczek und verwies zum Abschluss ihrer Rede darauf, dass es bereits viele Produkte der Bioökonomie zum Anfassen gebe. Sie deutete dabei auf den Mundnasenschutz mit der Aufschrift „Science matters“ in ihrer Hand: „Diese Maske besteht zu 67 Prozent aus Holzfaser, und dabei ist sie ganz weich und angenehm zu tragen.“ Aktuell läuft im Rahmen des Wissenschaftsjahres ein Fotowettbewerb mit dem Mundnasenschutz (hier mehr erfahren).

Zivilgesellschaftliche Partizipation wird gelobt 

In der weiteren Bundestagesdebatte kamen die Abgeordneten verschiedener Parteien zu Wort. Wohlwollend argumentierte René Röspel für die SPD: „Ich finde, die Bioökonomiestrategie hat sich sehr gut entwickelt.“ Der betonte, dass die Bioökonomie grundsätzlich nichts Neues, sondern eine der ältesten Ökonomien der Menschheit sei und zugleich ein „nachhaltiger und ganzheitlicher Ansatz, der unsere Zukunft sichert“. Dabei gehe es darum, die Bioökonomie so zu entwickeln, dass sie im Zentrum des Wirtschaftens steht, ergänzt um die soziale Komponente. Für ihn sei es daher eine Verkürzung der Strategie, wenn man nur den Blick auf die Pflanzenbiotechnologie richte. Ausdrücklich lobte der Abgeordnete die in der Bioökonomie-Strategie geplante stärkere zivilgesellschaftliche Partizipation, den ganzheitlichen Ansatz und den Fokus auf die UN-Nachhaltigkeitsziele als Grundlagen.


Der Antrag der FDP-Fraktion (19/14742) hebt darauf ab, „SMARTe Ziele“ in der Bioökonomiestrategie zu verankern. Die Bioökonomiestrategie solle an sektorspezifische Meilensteine und Zielvorgaben ausgerichtet werden. Eine führende Rolle Deutschlands in der Biotechnologie-Forschung müsse laut FDP-Fraktion Teil des Zielekanons sein. Mario Brandenburg von der FDP forderte in seinem Redebeitrag daran anknüpfend, gesellschaftliche und ökologische Wahrheiten noch besser mit marktwirtschaftlichen Prinzipien zu verbinden. „Wir teilen das Ziel der Strategie, aber es gibt darin keine Messbarkeiten und schwammige Kriterien“, legte der Abgeordnete die Gründe für den Antrag seiner Partei dar. „Wenn man die Transformation eines Wirtschaftskreislaufs möchte hin zu mehr Ökologie und hin zu mehr Nachhaltigkeit, muss man benennen, woran Erfolg oder Misserfolg gemessen werden sollen“, fasst Brandenburg den Grundtenor des Antrags noch einmal zusammen und verwies auf die Vorbildfunktion des „EU Bioeconomy Monitoring System Dashboard“, an dem sich Deutschland beispielhaft orientieren könne.

Flankierende grüne Landwirtschaftspolitik gefordert

Petra Sitte, Vertreterin von Die Linke, befand: „Unbestritten können mit der Bioökonomie spannende Projekte realisiert werden.“ Unbestritten sei aber auch, dass dadurch Lebensmittelproduktion und Bodennutzung weiter unter Druck gerieten. Sie vermisse daher eine Flankierung der Maßnahmen – beispielsweise durch eine andere europäische Landwirtschaftspolitik unter ökologischen Gesichtspunkten. Darüber hinaus machte sie darauf aufmerksam, dass der mit der Bioökonomie verbundene Wandel nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung sei. „Ins Zentrum gehören auch hier vor allem gerechte Macht-, Beteiligungs- und Verteilungsverhältnisse. Unter dem wird vor allem der Klimawandel überhaupt nicht zu machen sein“, so Sitte.

Als einer der letzten Redner in der Debatte unterstrich Harald Ebner von Bündnis 90/Die Grünen, dass es – auch im Kontext der Bioökonomie – insgesamt das ‚weniger‘ ankomme: „Wir müssen den Ressourcenverbrauch insgesamt deutlich reduzieren, damit die Bioökonomie zu Nachhaltigkeit beitragen kann.“ Er lobte, dass die Bioökonomie-Strategie Zielkonflikte benenne und sich auf die planetaren Grenzen beziehe, befand aber, das bleibe weitgehend ohne Konsequenzen. Auch vermisse er eine grüne Agrarpolitik. Lob gab es für die partizipativen Ansätze, allerdings erneut mit Einschränkung: „Sie vermeiden das Wort Gentechnik wie der Teufel das Weihwasser.“ Wenn man so vom Ziel ablenke, diese in der Landwirtschaft zu etablieren, passe das nicht zum Partizipationsanspruch. Ebners Fazit: “Es kann bei der Bioökonomie nicht länger darum gehen, den Blick biologischen Wissens auf die molekulare Ebene zu verengen und die Natur dem Menschen anzupassen, sondern wir müssen auf die Ökosysteme schauen. Kollege Röspel hat da ganz recht: Nur so wird aus der Bioökonomie ein großes Ganzes.“ 

Die Bevölkerung mitnehmen

Das Schlusswort hatte Katrin Staffler von der CDU/CSU-Fraktion. Sie machte deutlich, dass sich Ökonomie und Ökologie nicht ausschließen und unterstrich: „Deutschland hat seit Jahren in der Bioökonomie einen Spitzenplatz.“ Mit der Strategie werde dieser weiterentwickelt, „bewusst mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit“. Auch diese Debatte habe jedoch gezeigt, dass es noch Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber modernen und sicheren Technologien gebe. Die Transformation gelinge nur, wenn man die Menschen mitnehme. „Wir müssen die Bioökonomie im Wissenschaftsjahr noch stärker sichtbar machen“, lautete ihr Fazit. Die weitere Diskussion des FDP-Antrags wurde fraktionsübergreifend in den zuständigen Forschungsausschuss überwiesen. 

bl