Bioökonomie-Camp 2021: Das Treffen der Talente

Bioökonomie-Camp 2021: Das Treffen der Talente

Das digitale Bioökonomie-Camp brachte rund 80 Nachwuchsforschende aus 70 Einrichtungen und vielen unterschiedlichen Disziplinen zum Austausch zusammen.

Bioökonomie-Camp-Diskussionsrunde
Diese Diskussionsrunde am ersten Tag des Bioökonomie-Camps konnte im Livestream mitverfolgt werden.

Wie vernetze ich mich mit anderen Forschenden in der Bioökonomie? Wie entwickeln wir gemeinsam, über unsere Disziplingrenzen hinweg, Strategien und Lösungen für den Wandel hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise? Wie trage ich meine Forschung in die Öffentlichkeit? Für wen könnte das spannend sein – und fühle ich mich damit überhaupt wohl? Um all diese Fragen ging es für rund 80 junge Forschende aus dem Bereich der Bioökonomie beim Bioökonomie-Camp 2021. Veranstaltet wurde die zweitägige Netzwerk-Veranstaltung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von der Universität Hohenheim.

Input durch hochkarätige Fachleute

Das Programm setzte sich aus interaktiven Podiumsdiskussionen, Barcamp-Sessions, Deep-Dive-Workshops und Diskussionsrunden zusammen. Input kam dabei von hochkarätigen Fachleuten. Für das BMBF stellte Referatsleiterin für Wissenschaftskommunikation, Cordula Kleidt, zur Begrüßung fest: „Die Förderung guter Wissenschaftskommunikation ist ein Kernanliegen.“ Sie freue sich, dass es inzwischen auch Konzepte gebe, wie im Wissenschaftssystem Kommunikationsleistungen Anerkennung finden können. „Wir brauchen Forschende, die in den Dialog mit der Zivilgesellschaft treten und den Austausch zu Forschungsfragen anregen“, sagte sie.

Die Bedeutung und wichtige Konzepte der Bioökonomie hob Iris Lewandowski als Co-Vorsitzende des Bioökonomierats Deutschland hervor. Sie umriss drei Säulen, die für eine Bioökonomie wichtig sind:  biologisches Wissen für effizientes Produzieren zu entwickeln und verantwortungsvoll anzuwenden, biogene Ressourcen nachhaltig zu nutzen und die gesellschaftliche Transformation voranzubringen. „In der Bioökonomie haben wir komplexe Probleme, darum brauchen wir inter- und transdisziplinäre Antworten“, betonte Lewandowski. Diese Antworten dürften jedoch nicht nur aus der Wissenschaft stammen, sondern müssten auch gesellschaftlich relevante Fragen und Impulse aufnehmen. Das sei eine der wesentlichen Aufgaben im Bioökonomie-Camp 2021. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen und 70 Forschungseinrichtungen würden hier zusammenkommen, um sich über Forschung auszutauschen und Perspektiven zu erweitern.

Vortragsszene auf dem Bioökonomie-Camp 2021
Iris Lewandowski von der Universität Hohenheim

Komplexes Thema mit vielen Konflikten

Peter Wehrheim von der Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission ergänzte die europäische Perspektive und legte die Wechselwirkungen zwischen der EU-Bioökonomiestrategie und dem European Green Deal dar. Bioökonomie sei inzwischen ein ganzheitlicher Ansatz, werde sektorübergreifend betrachtet und berücksichtige zudem die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. „Eine nachhaltige Bioökonomie kann Katalysator für den Green Deal sein und Modell für grünes Wachstum.“

Einige wichtige Gedanken brachte die ZEIT-Journalistin Christiane Grefe ein. Sie erinnerte an die zahlreichen Zielkonflikte und die unterschiedlichen Interessen innerhalb der Gesellschaft. Daher sei es wenig sinnvoll von „der“ Bioökonomie oder „der“ Gesellschaft zu sprechen. Sie empfahl, mit der Öffentlichkeit weniger über den abstrakten und schwer fassbaren Begriff der Bioökonomie zu sprechen als über die jeweils konkrete Themen. Das sei auch für die Kommunikation einfacher. Dem pflichtete später auch Markus Weißkopf von Wissenschaft im Dialog bei: „Es geht nicht nur darum, den Begriff Bioökonomie zu vermitteln, sondern vor allem die Themen der Bioökonomie bekannt zu machen.“ Der Vorteil, so Grefe, sei, dass man dann Fragen besser diskutieren könne, zum Beispiel in Bezug auf die Grüne Gentechnik: Solle man versuchen, mehr Bürgerinnen und Bürger von deren Nutzen zu überzeugen? Solle man die neuen Methoden neu benennen, um Akzeptanz zu ermöglichen? Oder solle man die Priorität auf andere Wege als die grüne Gentechnik legen, die aber zum gleichen Ziel führen? Außerdem mahnte sie an, Bioökonomie nie nur auf Deutschland bezogen zu denken. „Entscheidungen hier können Folgen woanders haben“, erinnerte sie und verwies auf die Themen Fleischkonsum und Biosprit. Importierte Biomasse werde es auch zukünftig geben.

Anregungen und Auszeichungen

In der folgenden Debatte forderte Nils Grashof, Leiter des Forschungsprojekts BioTOP, mehr evidenzbasierte Analysen für den bioökonomischen Strukturwandel. Probleme sehe er weniger beim Wissen als bei der Umsetzung in die Breite. Jan-Hendrik Kamlage vom BioökonomierREVIER setzte auf dialogorientierte Bürgerbeteiligung „face-to-face“, geprägt von der Unparteilichkeit der Organisatoren. Franziska Schünemann von der Uni Hohenheim sagte, die Transformation sei geschafft, „wenn wir ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum haben und viele Leute aus der Arbeit geholt haben, bei stabiler Umwelt und stabilem Klima“. Frans Hermans, Leibnizforscher aus Halle, mahnte bei aller Euphorie zu Besonnenheit, „da neue Technologien oft auch unerwartete Folgen haben, die man nicht sofort sieht“. Als Beispiel führte er Biokraftstoffe an, bei denen erst die große Skalierung von Biokraftstoffen der ersten Generation zur Diskussion Tank oder Teller geführt habe.

Am Ende des zweiten Tages wurden einige Nachwuchsforschende für die besten Ideen aus den Kreativformaten des Camps ausgezeichnet. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek begrüßte die Aktivitäten der Nachwuchsforschenden: „Die Gewinnerinnen und Gewinner des Bioökonomie-Camps haben gezeigt, wie lösungsorientiertes, interdisziplinäres Denken dazu beitragen kann, das volle Potenzial der Bioökonomie für mehr Nachhaltigkeit in unserem Alltag zu erschließen. Wir brauchen dynamische, innovative und mutige junge Forscherinnen und Forscher wie sie, die sich untereinander vernetzen, gemeinsam an biobasierten Lösungen und Strategien für eine zukunftsfähige Wirtschaft arbeiten und – im Sinne guter Wissenschaftskommunikation – dazu in den Austausch mit der Gesellschaft treten.“

Bioökonomie-Camp-Artefakt-Bauernhof der Zukunft
Dieses prämierte Artefarkt zeigt einen Landwirtschaftsbetrieb der Zukunft als Lego-Landschaft.

Von Pilzen, Bioraffinerien und Soldatenfliegen

Für die „beste Forschungsidee“ aus den interdisziplinären Barcamp-Sessions wurden Katharina Schoder von der Universität Hohenheim, Stefanie Walter von der Hochschule Mittweida und Christoph Pöhler vom Fraunhofer WKI geehrt. Mit dem Projekt StadtGrün– Renaturierung des städtischen Raums soll die Natur in urbane Gegenden zurückkehren. Dafür werden Bepflanzungssysteme entwickelt, die graue Fassaden, Flachdächer oder Verkehrsinseln in grünen Lebensraum verwandeln. Das Projekt Akzeptanz-O-Meter beschreibt ein Webtool, das Bioökonomie-Forschende schon bei der Entwicklung ihrer Ideen und Produkte über die Höhe des Zuspruchs der Bevölkerung informiert. Fungi for Future! setzt auf den vielfältigen Einsatz von Pilzen sowohl in der Lebensmittel-, als auch der Verpackungs- und Bauindustrie.

Für die besten haptischen Artefakte zu ihren Forschungsschwerpunkten wurden ausgezeichnet: Karoline Fürst vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (Bioökonomie-Schaufenster ins Kohlerevier), Max-Planck-Forscherin Laura König-Mattern (Bioraffinerie-Baum aus Labormaterialien), Veronica Ramirez von der TU München (Kooperationsmodell Wissenschaft - Regierung - Bevölkerung), Lukas Drees von der Universität Bonn (Zukunftsbauernhof aus Lego) und Marwa Shumo vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (Soldatenfliegen-Artefarkt).

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