Biodiversitätskrise verschärft sich

Biodiversitätskrise verschärft sich

Biodiversitätsforscher warnen: Die weltweite biologische Vielfalt wird durch das rasante Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum zerstört und das trotz mancher Fortschritte.

Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum treiben die Umwandlung vielfältiger Naturräume zu Agrarflächen.
Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum treiben die Umwandlung vielfältiger Naturräume zu Agrarflächen.

Neue Technologien wie Feldroboter machen die Landwirtschaft schon heute effizienter und nachhaltiger. Mit Blühstreifen oder Mischanbau von Nutzpflanzen werden neue Lebensräume für Insekten und andere Tiere geschaffen. Das trägt zum Schutz der biologischen Vielfalt bei. Doch können all diese Maßnahmen den weltweiten Verlust der Biodiversität aufhalten? Offenbar nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Forscher vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ vorstellen.

Umweltzerstörung steigt trotz effektiver Landnutzung 

Zwar ist die Landnutzung mit den Jahren effektiver geworden, doch auch die Umweltzerstörung insgesamt ist gestiegen. „Weltbevölkerung und Wirtschaft wachsen einfach so schnell, dass sie die erzielten Verbesserungen kompensieren“, erklärt Alexandra Marques vom Forschungszentrum iDiv und der Uni Halle. Das Team um Alexandra Marques und Henrique Pereira hat ermittelt, wie sich in den Jahren 2000 und 2011 die Landnutzung auf die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen ausgewirkt, und wie sich das über die Jahre verändert hat. Dafür wurden Daten zu Vogelbeständen, zur Landnutzung und zur Bindung von CO2 mit ökonomischen Modellen verknüpft.

Steigende Landnutzung durch wachsenden Konsum 

Untersucht wurde vor allem, welche Rolle dabei das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum spielt. Das Ergebnis: Das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft hat überall auf der Welt zu einer verstärkten Landnutzung geführt. Grund dafür ist der damit verbundene steigende Konsum. Die Produktion der entsprechenden Güter benötigt immer mehr Land. Die Folge: Die Natur muss Äckern und Plantagen weichen, was wiederum zu Lasten der biologischen Vielfalt geht und Ökosystemleistungen gefährdet.

Tropen von Artenverlust am stärksten betroffen 

Fast jeder Kauf eines Nahrungsmittels, so die Forscher, würde indirekt die Natur in der Ferne beeinflussen. Die entwickelten Länder würden so 90% der durch den Konsum von Agrarprodukten erzeugten Zerstörungen in andere Erdteile auslagern. Der Studie zufolge erhöhte sich die Zahl der durch Landnutzung vom Aussterben bedrohten Vogelarten zwischen 2000 und 2011 um bis zu 7%. Der Verlust der Artenvielfalt findet dabei fast ausschließlich in den Tropen statt, wie die Forscher feststellen.

Ökosysteme binden weniger CO2 

Im gleichen Zeitraum schrumpfte aber nicht nur die Biodiversität. Durch den Flächenverlust ging das weltweite Potenzial der Ökosysteme, CO2 aus der Luft zu binden, um 6% zurück. Ein Viertel des Schwundes ist dabei auf die veränderte land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Flächen in Europa und Nordamerika zurückzuführen. Die Forscher sehen hier die Industrieländer in der Pflicht. Sie müssten stärker die Fernverantwortung bei der Zerstörung von Biodiversität sowie die Auswirkungen der eigenen Klimapolitik berücksichtigen, heißt es. „Wir brauchen eine Umweltpolitik, die den Klimawandel und den Wandel der biologischen Vielfalt gemeinsam denkt“, empfiehlt Pereira.

Konzepte gegen Bevölkerungswachstum  

Nicht nur in den Industriestaaten, sondern auch in den anderen Ländern der Erde ist der Konsum im Untersuchungszeitraum gestiegen und hat somit das Bild der „Schuldigen“ am Biodiversitätsverlust korrigiert: „Es ist nicht entweder der Norden oder der Süden - es sind beide. Die Schwellenländer überholen die Industriestaaten gerade als Hauptverursacher des Biodiversitätsschwundes“, sagt Pereira. Die Forscher kommen zu dem Schluss: Zum Schutz der biologischen Vielfalt braucht die Naturschutzpolitik Konzepte gegen das Bevölkerungswachstum und für einen nachhaltigen Konsum.

bb