Mit Phagen gegen Infektionen

Mit Phagen gegen Infektionen

Das Potenzial von Phagen ist seit Langem bekannt. Nun wollen Forscher sie als Bakterienkiller nutzen, um schlagkräftige Wirkstoffe gezielt gegen Infektionskrankheiten zu entwickeln.

Ein Kandidat für die zukünftige Phagentherapie - der Bakteriophage gegen multiresistente klinische Stämme von Pseudomonas-Bakterien.
Ein Kandidat für die zukünftige Phagentherapie - der Bakteriophage gegen multiresistente klinische Stämme von Pseudomonas-Bakterien.

Multiresistente Keime sind längst zu einer globalen Bedrohung geworden. Ein Grund dafür ist der über Jahre praktizierte, oft unsachgemäße Einsatz von Antibiotika beim Menschen und in der Tierhaltung. Viele Antibiotika haben ihre einstige Schlagkraft verloren und multiresistenten Erregern Platz gemacht, die noch schwerer zu bekämpfen sind. Mit dem zunehmenden Versagen der Allzweckwaffe rücken Bakteriophagen wieder in den Fokus der Forschung. Diese Viren befallen gezielt Bakterien und töten sie ab. Unter Experten gelten die natürlichen Bakterienkiller längst als kleine Geheimwaffe und mögliche Alternative zu Antibiotika.

4 Mio. Euro für Phagen-Forschung

Bakteriophagen als Arzneimittel gegen bakterielle Infektionskrankheiten zu etablieren, ist das Ziel des Projektes „Phage4Cure“. Es wird vom Bundesforschungsministerium mit knapp 4 Mio. Euro in den kommenden drei Jahren unterstützt wird. An dem Vorhaben sind Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM, dem Leibniz-Institut Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH DSMZ der Charité in Berlin und die Charité Research Organisation GmbH beteiligt. „Unser mittelfristiges Ziel ist es, Phagen als neuartige und zusätzliche Therapie für verschiedene Infektionskrankheiten und in unterschiedlichen Verabreichungsformen als Arzneimittel zu entwickeln – insbesondere da, wo Antibiotika gegenwärtig an ihre Grenzen gelangen“, sagt Holger Ziehr, Projektkoordinator und Leiter der Pharmazeutischen Biotechnologie am Fraunhofer ITEM.

Bakteriophagen gegen Lungenkeime 

Im Fokus des Projektes stehen Bakteriophagen, die sich speziell gegen das Bakterium Pseudomonas aeruginosa richten. Dieses Bakterium gehört zu gefährlichen Krankenhauskeimen und kann unter anderem Lungenentzündung auslösen. Es ist in Gewässern aber auch im Leitungswasser zu finden und kann selbst in destilliertem Wasser oder einigen Desinfektionsmitteln überleben und sich vermehren. Im Projekt wird das Team vom Leibniz-Institut DSMZ dafür die zum Keim passenden Bakteriophagen identifizieren und genetisch charakterisieren. „Es gibt viele verschiedene Pseudomonas-aeruginosa-Stämme, die sich jeweils nur leicht voneinander unterscheiden. Die Herausforderung ist, Phagen mit einem möglichst breiten Wirtsspektrum zu finden“, erläutert Christine Rohde vom DSMZ.

Verfahren zur Herstellung von Phagen-Wirkstoffen

Jene Phagen, welche die meisten Pseudomonas-aeruginosa-Stämme abtöten können, werden vom Fraunhofer ITEM aufgereinigt und als Arzneimittel weiterverarbeitet. Das Team um Holger Ziehr wird dafür ein Verfahren entwickeln, dass generell zur Herstellung von Phagen-Wirkstoffen geeignet ist. Mithilfe dieser Methode soll zunächst ein Phagen-Medikament zum Inhalieren bei Lungenentzündungen entwickelt werden. Die präklinischen Untersuchungen werden sowohl am ITEM als auch in der Universitätsmedizin der Berliner Charité durchgeführt. In Berlin laufen bereits erste Studien mit Patienten, um den Lungenkeim mit Phagen zu besiegen.

Nach Jahrzehnten in der Versenkung sollen Phagen als natürliche Bakterienkiller nun mit Nachdruck wieder in das öffentliche Bewusstsein rücken. Mit der Gründung des „Nationalen Forums Phagen“ beim ersten Deutschen Bakteriophagen-Symposium haben Experten den Weg dafür geebnet.

bb