Ernährung beeinflusst Klima

Ernährung beeinflusst Klima

Um den Klimawandel zu begrenzen, müssen sich Lebensmitttelproduktion und -verbrauch ändern. Innovationen aus der Bioökonomie sind hierfür zentral, so ein Bericht von 130 Nationalakademien.

Mehr Gemüse und Obst statt tierische Produkte: Laut einem neuen Bericht der InterAcademy Partnership würde der Verzicht auf tierische Produkte die landwirtschaftliche CO2-Bilanz deutlich verbessern und so den Klimawandel begrenzen.

Im Pariser Klimaabkommen vor drei Jahren hatten sich die Teilnehmerstaaten darauf geeinigt, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen fast alle Wirtschaftszweige umdenken und neue, nachhaltige und umweltschonende Prozesse etablieren. Anfang Dezember findet nun die 24. Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz statt. (Mehr Infos zur Konferenz beim Bundesumweltministerium) Bei der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, kurz COP) der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen wollen sich die Teilnehmer über bisherige Maßnahmen und erste Fortschritte austauschen.

Probleme und Lösungsvorschläge für die Landwirtschaft 

Dass Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion erheblich zur globalen Erwärmung beitragen, etwa durch erhöhte Treibhausgase, ist für viele internationale Experten eine zentrale Botschaft. Im Vorfeld des sogenannten COP24-Treffens hat die „InterAcademy Partnership“ (IAP) nun einen  Bericht erstellt, der die wichtigsten Herausforderungen der Landwirtschaft benennt und zugleich Lösungsvorschläge aufzeigt. Vor allem Innovationen und Erkenntnisse aus der Wissenschaft müssten stärker als bisher berücksichtigt werden, heißt es in den Empfehlungen der 130 beteiligten Nationalakademien. „Unsere Lebensmittelsysteme werden unserem Bedarf nicht gerecht. Auf der UN-Klimakonferenz in Katowice müssen die Regierungen nächste Woche mehr tun, als nur politische Stellungnahmen abzugeben: Sie müssen handeln, um dem Klimawandel entgegenzuwirken", betont  Joachim von Braun, Co-Vorsitzender des Projektes für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit und Landwirtschaft der InterAcademy Partnership (IAP), Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und Co-Vorsitzender des Bioökonomierates. "Landwirtschaft und Verbraucherverhalten haben einen großen Einfluss auf den verheerenden Klimawandel. Wir müssen die Auswirkungen der Landwirtschaft und des Verbraucherverhaltens auf das Klima mit soliden und ehrgeizigen politischen Maßnahmen beeinflussen – und der Wissenschaft kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Unser neuer Bericht ist ein Weckruf für alle Regierenden." 

Auf einer Online-Pressekonferenz am 27. November 2018 wurde der Bericht erstmals vorgestellt. Tim Benton, Dekan für strategische Forschungsinitiativen an der Universität in Leeds (UK), und Robin Fears, Projektleiter in der IAP und Programmdirektor für Biowissenschaften des Europäischen Wissenschaftsbeirates, präsentierten darin die wichtigsten Erkenntnisse.

Wissenschaft kann Lösungen bereit halten 

Benton verwies dabei auf die Unverhältnismäßigkeit der aktuellen Nahrungsmittelproduktion: „Die Lebensmittelproduktion verursacht etwa ein Drittel der Treibhausgase. Zugleich wird laut FAO ebenfalls etwa ein Drittel aller Nahrungsmittel weggeworfen und verschwendet.“ Vor diesem Hintergrund sei es ohne eine grundlegende Änderung der Lebensmittelproduktion nahezu unmöglich, die globale Erwärmung unter 2° C zu halten. Die Wissenschaft könne hier jedoch erheblich dazu beitragen, Vorschläge für neue Lösungen zu erarbeiten. "Für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, insbesondere Gesundheit und das Beenden des Hungers, spielt die Wissenschaft eine wesentliche Rolle“, so Volker ter Meulen, M.D., Co-Vorsitzender des Projektes für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit und Landwirtschaft der IAP und Präsident der IAP.

Allerdings müssten hier die verschiedenen Disziplinen noch besser interdisziplinäre zusammenarbeiten, sagte Fears: „Es gibt noch immer viel zu viele Wissenslücken. Wir brauchen eine umfassende Definition einer gesunden, nährstoffreichen und nachhaltigen Ernährungsweise. Dazu müssen Gesundheits-, Sozial- und Klimawissenschaften zusammenarbeiten.“ Fears zufolge müssen zum einen das vorhandene Wissen besser verknüpft und ergänzt und zum anderen diese Erkenntnisse besser kommuniziert werden.

Sowohl Benton als auch Fears forderten die Gesetzgeber auf, aktiver zu werden, um eine Änderung der Ernährungsweise zu forcieren. Bonusprogramme und -punkte bei Versicherungen, aber auch erhöhte Steuern auf Fleischprodukte könnten den Autoren zufolge einen positiven Anreiz bieten, den Konsum einzuschränken. Die Steuereinnahmen könnten wiederum Bedürftigen zugute kommen, die sich dadurch gesündere Lebensmittel leisten können, so der Vorschlag der Autoren.

Innovationen für Landwirtschaft und Ernährung nutzen

Aber nicht nur die Konsumenten stehen laut den Experten in der Pflicht, auch die Produzenten in der Landwirtschaft müssen umdenken, um die Treibhausgasemissionen einzudämmen. Innovationen – etwa aus der Bioökonomie – können hierbei eine wichtige Rolle spielen. „Wir brauchen eine precision agriculture, also eine Landwirtschaft, die mit ihren Ressourcen haushält. Beispielsweise muss die Bewässerung genau berechnet und gesteuert werden, ebenso der Verbrauch an wertvollen Düngemitteln wie Phosphat und Stickstoff. Und wir brauchen Pflanzen, die mit Hitze und Dürre bessere zurechtkommen“, so Fears. Zudem sei auch die fortschreitende Digitalisierung ein wichtiger und notwendiger Bestandteil einer effizienten, ressourcenschonenden Landwirtschaft.

Ein veränderter Nahrungsmittelkonsum könnte aber ebenso positive Nebeneffekte für Gesundheit und Klima mit sich bringen. Dazu gehören unter anderem ein verminderter Fleischkonsum in manchen Regionen, wie etwa Europa, oder das verstärkte Zurückgreifen auf innovative Lebensmittel und Ernährungsweisen. Als Beispiele für innovative Lebensmittel nennen die Autoren Mischungen aus Fleisch und Pilzen, kultiviertes Fleisch, Algen und ansprechende Lebensmittel aus Insekten. Auch solche alternativen Proteinquellen müssten noch mehr politisch unterstützt werden, heißt es im Bericht. 

Zugleich unterstrich Benton die Bedeutung eines „mündigen“ Verbrauchers. Konsumenten sollen demnach über die CO2-Bilanz in der Herstellung verschiedener Lebensmittel informiert werden, um ihren Einkauf anpassen zu können. „Wir verlangen von niemandem, sich nur noch vegetarisch oder vegan zu ernähren. Aber wenn alle ihren Fleischkonsum etwas einschränken, würden die globalen Treibhausgasemissionen schon erheblich gesenkt“, so Benton.

Bioökonomie weiter ausbauen

Die IAP wurde im März 2016 in Südafrika gegründet und vereinigt über 130 nationale und regionale Wissenschaftsakademien. Ihr Ziel: gemeinsam wissenschaftliche Lösungen für die drängendsten globalen Probleme zu erarbeiten. Deutschland ist unter anderem in der IAP durch die Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften – sowie die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften vertreten. Die beteiligten Akteure in der Projektgruppe "Ernährung und Landwirtschaft" eint, dass sie die gezielte Nutzung wissensbasierter Erkenntnisse für den Wandel in Enrährung und Landwirtschaft vorantreiben wollen. Den Ausbau von Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie halten sie in diesem Zusammenhang für zentral. Darüber hinaus wird empfohlen, ein internationales Beratungsgremium für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit und Landwirtschaft unter Beteiligung der Akademien zur Stärkung internationaler Steuerungsmechanismen einzurichten. 

jmr