Bioökonomie als globaler Trend
Der digitale Global Bioeconomy Summit 2020 spiegelte eindrucksvoll wider, wie sich das Konzept Bioökonomie weltweit etabliert hat. Zeitweise verfolgten bis zu 1.000 Interessierte den Livestream.
Den Auftakt des zweitägigen Plenarprogramms beim Global Bioeconomy Summit 2020 machten Bundesforschungsministerin Anja Karliczek mit einem Grußwort sowie das International Advisory Council on Global Bioeconomy (IACGB). Das internationale Expertengremium ist Veranstalter des GBS 2020 und veröffentlichte zum Tag 1 des Plenarprogramms das Gipfel-Kommuniqué und stellte es einem breiten Publikum zur Diskussion.
Mit Bioökonomie zu mehr Nachhaltigkeit
Die Beiträge des ersten Plenartages kamen aus allen Teilen der Welt und hatten doch eine gemeinsame Botschaft: Die Bioökonomie hat in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft gemacht. Mehr Nachhaltigkeit ist der Wunsch von Verbrauchern und Ziel der Politik und der Industrie gleichermaßen und dieser Trend wird durch die gegenwärtigen globalen Krisen sogar verstärkt. „Gerade jetzt kann und muss die Bioökonomie ihr Potential aus ressourcenschonenden Hightech-Lösungen und biobasierten Innovationen, die sich die Natur zum Vorbild nehmen, ausspielen“, mahnt Christine Lang, Ko-Vorsitzende des Councils, an.
Bundesforschungsministerin nimmt Kommuniqué entgegen
Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, die den Global Bioeconomy Summit zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit begleitet, würdigte die hohe Bedeutung der Bioökonomie mit den Worten: „Eines unserer wichtigsten Instrumente auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist die Bioökonomie.“ Zum Schluss ihrer Rede nahm die Ministerin das Kommuniqué des internationalen Councils entgegen, in dem die Experten ihre Empfehlungen auf dem Weg zu einem nachhaltigen Umbau des Wirtschaftssystems beschreiben. Das Gremium belässt es darin nicht bei einem Appell an die Politik, sondern zeigt konkret auf, wo neue Eigenschaften von biobasierten Produkten und Verfahren einen wertvollen Beitrag leisten können. Die Gesundheit der Menschen und der Schutz von Klima und Umwelt stehen dabei stets im Fokus.
Global Bioeconomy Summit 2020
Video-Aufzeichnungen der Workshops und des zweitägigen Plenarprogramms und vieles mehr finden Sie auf der offiziellen GBS2020 Website.
Zum ersten Mal in seiner fünfjährigen Geschichte hat der GBS fünf offizielle Partner an seiner Seite, die die Regionen und Länder (Ost-)Afrika, ASEAN, Europa und Lateinamerika/Karibik und Japan repräsentieren. Durch ihren Beitrag zum Summit wurde abermals deutlich, wie stark global verankert, aber auch wie vielfältig die Bioökonomie ist. „Es ist beeindruckend zu sehen, wie die Menschen die Bioökonomie an ihre Bedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort anpassen“, weiß Joachim von Braun, Ko-Vorsitzender des Councils, zu berichten.
Die Stunde der Bioeconomy Youth Champions
Die mannigfaltigen Erscheinungsformen der Bioökonomie wurden bei einem Workshop der Bioeconomy Youth Champions nicht nur deutlich, sondern sie dienten zugleich als Ausgangspunkt für lebhafte Diskussionen, wie die junge Generation regionale Bioökonomie-Konzepte in ihrer Heimat gestalten würde und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung erforderlich sind. „Ich war sehr beeindruckt davon, wie tief die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer verstanden haben, dass eine gute Politik notwendig ist, um eine bessere Zukunft zu gestalten, und dass jeder seine Vision mitbrachte, wie wir von heute in die Zukunft kommen“, sagt US-Amerikanerin Ronit Langer. Sie ist eine der insgesamt acht Bioeconomy Youth Champions. Als Ehrengast konnten die ca. 100 jungen Workshop-Teilnehmenden Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Forschung und Innovation, begrüßen.
Bedeutung der internationalen Perspektive
Den zweiten Gipfeltag eröffnete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einer Rede. Bioökonomie schaffe Perspektiven für eine Welt, in der sich zunehmend nachhaltig erzeugte biobasierte Produkte auf dem Markt etabliert haben, die beim Klimaschutz helfen und zur Einsparung von Erdöl helfen. "Bioökonomie birgt große Potenziale", so Klöckner,"und wissenschaftliche und technologische Fortschritte ermöglichen ganz neue biobasierte Innovationen". Dazu zählte sie die Genschere CRISPR-Cas. "Diese bahnbrechende Methode des Genome Editing revolutioniert die Züchtung auf dem Weg zu Pflanzen, die weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel benötigen". Der Übergang zu einer biobasierten Wirtschaft sei mit komplexen Wechselwirkungen verknüpft, die nicht an den nationalen Grenzen endeten. Deshalb sei die internationale Zusammenarbeit so wichtig, etwa mit der Welternährungsorganisation FAO. Deren Generaldirektor, Qu Dongyu, sprach im Anschluss an die Bundesagrarministerin zu den Teilnehmenden des GBS.
Im Anschluss stellte ein Team der Universitäten Münster und Bonn das Ergebnis einer Befragung von 5.000 Fachleuten zur Bioökonomie in deren jeweiligen Ländern vor. Eine wichtige Botschaft: die vorrangige Aufgabe von Regierung bestehe darin, die Gesellschaft an neue Herausforderungen anzupassen und Maßnahmen für diese Transformation zu unterstützen.
Investieren in Bioökonomie
Danach ging es in drei Impulsvorträgen ging es um das Verhältnis der Finanzbranche zur Nachhaltigkeit und damit auch zur Bioökonomie. Es sei schwierig, Investitionen in Unternehmen gezielt an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten, erläuterte Emily Chew, die bei Morgan Stanley für diese Aufgabe verantwortlich ist. „Lediglich die Hälfte der MSCI World Unternehmen weisen ihre CO2-Emissionen aus“, sagte sie – und andere Faktoren wie Wasserverbrauch und -verschmutzung oder der Umgang mit Müll werden quantitativ selten erfasst. Allerdings schlössen sich bereits große Investoren zusammen und übten Druck aus. „Impact Funds“, die mit ihren Investitionen positive ökologische oder soziale Aspekte fördern wollen und bereits 715 Mrd. US-Dollar umfassen, sind dafür ebenso ein Zeichen wie der Plan der Europäischen Investitionsbank, in der kommenden Dekade eine Billion Euro in ökologische Nachhaltigkeit zu investieren. In einem vierten Impulsvortrag verwies Kolawole Adisa Olonade von der Universität Lagos auf einen Wirtschaftssektor, in dem Veränderungen dringlich sind: die Beton- und Zementbranche, die für bis zu 10% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Alternativen aus pflanzlichen Reststoffen gebe es teilweise schon heute, doch für Veränderungen seien konzertierte Anstrengungen aus Politik, Wirtschaft und Forschung nötig.
Die anschließende Debatte von sechs Fachleuten aus unterschiedlichen Regionen der Welt drehte sich vor allem um die Möglichkeiten des Staates. Wichtig sei es, unternehmerische Risiken zu mindern, um Entwicklungen zu beschleunigen. In Israel geschehe das durch viel Wagniskapital für Start-ups, in den USA investiert der Staat in Großprojekte, die einzelne Unternehmen oder Firmen nicht stemmen würden – vom Supercomputer bis zum Erdbeobachtungssatelliten. Auch in Thailand profitieren kleine Bauern von staatlich finanzierten Strukturen wie Bioraffinerien. Als weitere Werkzeuge benannte die Runde Deregulation und eine an den Marktbedürfnissen orientierte Ausbildung nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch im Finanzwesen. Ein zusätzlicher Baustein können Plattformen sein, die Vernetzung und Weiterbildung ermöglichen oder auch Daten bündeln und aufbereiten. Außerdem gelte es zu vermitteln, dass aufgrund der ökologischen Krisen ein ähnlicher Handlungsdruck bestehe wie in der Coronakrise – in der sich gezeigt habe, dass so manches an Kooperation und Tempo möglich sei, was zuvor undenkbar schien.
Am Abend des 20. November endete der dritte GBS mit einer generationen- und nationenübergreifenden Debatte zum Weg in die Zukunft der Bioökonomie.
kk/bl/pg