Bionik: So haften Spinnfäden bombenfest

Bionik: So haften Spinnfäden bombenfest

Wenn sie ihre Netze spinnen, sichern sich Spinnen mit einem besonderen Faden ab. Kieler Bioniker haben aufgedeckt, wie diese Sicherheitsfäden auf Oberflächen haften.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Haftscheibe (grün), die auf einem Blatt (grau) gesponnen wurde.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Haftscheibe (grün), die auf einem Blatt (grau) gesponnen wurde.

Spinnenfäden sind ein faszinierendes Naturmaterial: sie sind leicht und fein, und dabei enorm belastbar und reißfest. Materialforscher wollen den strukturellen Aufbau und die Bauweise dieser Fäden in Detail verstehen. Bioniker aus Kiel haben dazu die Haftfähigkeit und die Zugfestigkeit einer speziellen Seide von fünf verschiedenen Spinnenarten untersucht. Diese werden von Spinnen genutzt, um den eigentlichen Faden mit Untergründen zu verankern. Dabei haben sie herausgefunden, dass insbesondere der Untergrund einen großen Einfluss auf die Haftfähigkeit der Fäden hat. Die Kieler Forscher berichten im Fachblatt Journal of the Royal Society Interface (2014, Online-Vorabveröffentlichung).

Das Team von Stanislav Gorb beschäftigt sich mit der funktionellen Analyse von tierischen Oberflächen: Warum halten Geckofüße an der Wand? Warum scheuert die Schlangenhaut nicht durch, während sich die Schlange vorwärts bewegt? Neuestes Studienobjekt der Kieler Wissenschaftler sind Spinnenfäden: Der sogenannte Sicherheitsfaden wird von Spinnen zum Absichern, Abseilen und für die Rahmenstruktur des Netzes verwendet. Die Fäden werden mit so genannten Haftscheiben auf Untergründen und an anderen Fäden befestigt. Die Haftscheibe entsteht bei rotierenden Bewegungen der Spinnwarzen und wird in einem speziellen Gittermuster aufgetragen.

Haftscheibe hält Stand

Die Forscher um Gorb analysierten, wie Haftscheiben auf verschiedenen Untergründen halten. „Dafür haben wir die Spinnen auf Glas, Teflon und auf das Blatt eines Bergahorns gesetzt, wo sie jeweils Haftscheiben hinterließen. Dann haben wir durch Zugversuche die Kräfte gemessen, die nötig waren, um die Haftscheiben vom Substrat zu lösen“, erklärt Co-Autor Jonas Wolff. Auf Glas hafteten die Spinnenfäden so gut, dass sie rissen, bevor es zu einer Ablösung kam, so Wolff weiter. Auf Teflon dagegen lösten sich die Haftscheiben komplett ab, hafteten aber immer noch so gut, dass sie in den meisten Fällen ein Vielfaches des Spinnengewichtes halten konnten. „Auf der Blattoberfläche ist die Klebekraft schließlich soweit herunter gesetzt, dass sich die Haftscheibe in den meisten Fällen komplett ablöst“, ergänzt Wolff.

Schlechte Haftung auf Blättern

Die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass Pflanzenoberflächen oft mit Mikrostrukturen und/oder Wachsen ausgestattet sind, um pflanzenfressenden Insekten das Laufen zu erschweren. Diesem Problem sind natürlich auch die Spinnen ausgesetzt, wenn sie in der Vegetation ihre Netze bauen wollen. „Wir vermuten, dass der Wettkampf zwischen Pflanze und pflanzenfressenden Insekten auch für die Spinnen einen evolutionären Druck darstellte, bessere Kleber zu entwickeln“, so Wolff weiter. Momentan untersucht das Team, wie genau die Haftscheiben aufgebaut sind und funktionieren. „Unsere Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuartiger hocheffizienter, ökonomischer und ökologischer Klebstoffe von großem Nutzen sein“, erläutert Projektleiter Gorb die Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus der Forschung potenziell ergeben könnten.