Die Bioökonomie neu vermessen
Stefan Bringezu
Beruf: Mensch-Umwelt-Systemforscher, Nachhaltigkeitsforscher
Position: Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement und Direktor am Center for Environmental Systems Research (CESR) der Universität Kassel
Beruf: Mensch-Umwelt-Systemforscher, Nachhaltigkeitsforscher
Position: Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement und Direktor am Center for Environmental Systems Research (CESR) der Universität Kassel
Der Kasseler Forscher Stefan Bringezu koordiniert ein Projektkonsortium zum Monitoring der Bioökonomie in Deutschland. Hier werden Werkzeuge entwickelt, mit denen sich der Weg in eine nachhaltige, biobasierte Wirtschaft umfassend messen und bewerten lässt.
Der Übergang von einer auf fossilen Ressourcen basierenden Wirtschaftsweise hin zu einem nachhaltigen, biobasierten Wirtschaften muss vermessen und beobachtet werden, um diesen Prozess bewerten und angemessen steuern zu können. Ein möglichst kontinuierliches Monitoring soll eine Daten- und Wissensbasis schaffen, mit der sich Fortschritte, aber auch Fehlentwicklungen und Risiken sichtbar machen lassen. Stefan Bringezu ist Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement an der Universität Kassel und koordiniert das Projektkonsortium SYMOBIO, das derzeit ein Monitoring der gesamten Bioökonomie in Deutschland aufbaut.
Warum ist ein Monitoring der Bioökonomie so herausfordernd?
Bioökonomie ist vielschichtig und komplex. Es geht von der Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen bis zum Konsum in den Haushalten und der Verwertung von Reststoffen. Biotechnologische Verfahren werden an ganz verschiedenen Stellen in der Industrie eingesetzt. Die Grenze zwischen der biobasierten und der nicht-biobasierten Ökonomie zu ziehen, ist nicht ganz einfach. Für das Monitoring auf nationaler Ebene interessieren uns zudem auch die internationalen Verflechtungen unserer Wirtschaft mit anderen Regionen, über den Handel mit Rohstoffen und Produkten wie Futtermittel aus Südamerika und Palmöl für Biodiesel aus Südostasien.
Für wen ist ein Monitoring wichtig?
Es geht darum, eine Übersicht zu erhalten, wofür wir biomassebasierte Produkte verwenden, welche positiven und welche negativen Auswirkungen damit verbunden sind und welche Trends die aktuelle Entwicklung mit sich bringt. Diese Informationen sind zum einen wichtig für die Öffentlichkeit, um aufzuzeigen, in welchen Bereichen „Bio“ zu begrüßen ist, und in welchen Bereichen „Bio“ problematisch wird. Dies ist zum anderen auch wichtig für die Politik, um konfliktreichen Trends gegensteuern zu können. Bislang gehen viele immer noch davon aus, dass Biokraftstoffe, Bioenergie und nachwachsende Rohstoffe generell zu bevorzugen sind, aber wir wissen mittlerweile, dass damit auch erhebliche Problemverlagerungen – zumeist in andere Regionen - verbunden sein können.
Könnten Sie kurz skizzieren, wie in Deutschland derzeit ein Bioökonomie-Monitoring aufgebaut wird?
Aktuell arbeiten drei Projektkonsortien daran, die wissenschaftlichen Grundlagen dafür zu entwickeln. Das Thünen-Institut fokussiert auf die Produktion in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei und verfolgt ausgewählte Stoffströme bis zur Verarbeitung. Das ifo-Institut koordiniert ein Projekt, bei dem es um die Methodiken geht, mit deren Hilfe ökonomische Kennzahlen ermittelt werden können. Wir am Center for Environmental Systems Research koordinieren das Projekt SYMOBIO, bei dem die gesamte Bioökonomie in Deutschland – einschließlich der Konsumseite - abgebildet werden soll.
Was ist das Ziel des Projekts SYMOBIO?
Zusammen mit acht Partnerinstitutionen arbeiten wir daran, die Treiber für wichtige Trends der Bioökonomie zu quantifizieren, die Ressourceninanspruchnahme und die Klimawirkungen im In- und Ausland zu ermitteln und künftige Trends unserer „Fußabdrücke“ ebenso wie sozio-ökonomische Auswirkungen der deutschen Bioökonomie zu bestimmen. Es geht um die Bewertung in Sachen Nachhaltigkeit und darum zu prüfen, in wie weit die Erwartungen von Politik, NGOs und Wirtschaft an die Bioökonomie erfüllt werden. Auch der Nutzen der Produktzertifizierung wird beleuchtet. Am Ende soll – zusammen mit den Ergebnissen der beiden anderen Konsortien – ein Pilotbericht erstellt werden und auf der Webseite von SYMOBIO wird es einen interaktiven Bereich geben, wo spielerisch mehr über die Bioökonomie zu erfahren ist.
Welche Datenbasis nutzen Sie und welche Methoden wenden Sie an?
Wir verwenden sehr unterschiedliche Datenbasen und Modelle und entwickeln dabei neue Module. Beispielsweise nutzen wir die multi-regionale umwelterweiterte Input-Output Datenbank EXIOBASE, um die physischen Außenhandelsverflechtungen abzubilden, diese werden verschränkt mit den globalen Modellen LandSHIFT und WaterGAP3, welche räumlich aufgelöst für alle Kontinente die Landnutzung bzw. die Wassernutzung abbilden. Dadurch kann beispielsweise der Wasserfußabdruck abgebildet werden, den deutsche Konsumenten von Textilien in Usbekistan beim dortigen Baumwollanbau hinterlassen, mit einer Risikoabschätzung nach der jeweiligen Wasserknappheit in der Region.
Wie gehen Sie heran, um Ergebnisse aus dem Bioökonomie-Monitoring mit Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele zu bewerten?
Die Ziele der Agenda 2030 bildeten den Startpunkt des Projekts. Hier veranstaltete unser Partnerinstitut, das UFZ, Workshops für verschiedene Stakeholder. Dabei wurden die globalen Nachhaltigkeitsziele von den deutschen Akteuren priorisiert. Diese fanden es besonders wichtig, dass die deutsche Bioökonomie nicht nur zur Verringerung des Hungers in der Welt, sondern auch zum Klimaschutz beiträgt und die Ökosysteme in anderen Regionen nicht schädigt. Damit war klar, dass der Bestimmung des Land-, Forst-, Wasser- und Klimafußabdrucks der deutschen Bioökonomie große Bedeutung beigemessen wird.
Interview: Philipp Graf