Artenvielfalt per DNA-Check erfassen

Artenvielfalt per DNA-Check erfassen

Vera Rduch

Beruf: promovierte Zoologin

Position: Koordinatorin des Projektes German Barcode of Life (GBOL) mit Sitz am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn


Vorname
Vera
Nachname
Rduch

Beruf: promovierte Zoologin

Position: Koordinatorin des Projektes German Barcode of Life (GBOL) mit Sitz am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn


Die Bonner Zoologin Vera Rduch über die Ziele der Initiative German Barcode of Life (GBOL).

Jeder kennt Strichcodes (Barcodes), die alle Produkte im Handel kennzeichnen. Analog dazu sind bestimmte DNA-Abschnitte im Genom von Organismen, sogenannte DNA-Barcodes, für jede Art einzigartig. Das genetische Barcoding gilt als die Zukunftstechnologie für die Erfassung der globalen Biodiversität. Die Bonner Zoologin Vera Rduch ist Koordinatorin der Initiative German Barcode of Life (GBOL). Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes: Für möglichst alle der 48.000 Tier- und 10.300 Pflanzenarten, die hierzulande beschrieben sind, DNA-Codes erstellen.

Frage

Für wie viele der in Deutschland vorkommenden Tier- und Pflanzenarten haben Sie bereits DNA-Barcodes generiert, wo wollen Sie hin?

Antwort

Im Durchschnitt haben wir gut die Hälfte der deutschen Diversität bereits erfasst. Bei Gruppen mit einer großen Spezialisten-Community wie zum Beispiel bei den Schmetterlingen oder Käfern konnten fast dreiviertel der Artenvielfalt genetisch charakterisiert werden. Für schwer bestimmbare Gruppen wie Hautflügler (Bienen, Wespen und Ameisen) oder Zweiflügler (Fliegen und Mücken) fehlt die taxonomische Expertise, so dass nur gut ein Drittel in der Barcode-Datenbank vorhanden ist. Unser langfristiges Ziel ist natürlich die 100%-Abdeckung.

Frage

Gab es dabei Überraschungen – und haben Sie dank dieser Methode bereits neue Arten aufgespürt?

Antwort

Bei der systematischen Bearbeitung der deutschen Fauna erwartet man Erstnachweise von bisher übersehenen oder durch den Klimawandel begünstigte eingewanderte Arten. Aber mitten im urbanen Bonn eine Trauermückenart zu finden, die der Wissenschaft noch unbekannt war, hat uns dann doch sehr überrascht. Durch Barcoding konnten wir zeigen, dass diese Art – Austrosciara alexanderkoenigi – eigentlich auf der Nordinsel Neuseelands beheimatet ist. Bislang ungeklärt bleibt, wie sie von dort bis in unseren Museum-Koenig-Garten verschleppt worden ist.

Frage

Wie sieht die Zukunft von GBOL aus – wo legen Sie Schwerpunkte in der nächsten Phase des Projekts?

Antwort

Wie bereits erwähnt, so gibt es die bisher in den Datenbanken wenig erfassten Gruppen der Hautflügler (Bienen, Wespen und Ameisen) und Zweiflügler (Fliegen und Mücken) – und das möchten wir ändern und Größe und Qualität der Datenbanken verbessern. Sie fehlen aus zwei Gründen: sie sind schwer bestimmbar und es fehlt an taxonomischer Expertise. In der nächsten Projektphase werden wir mit einem integrativen taxonomischen Ansatz die Erforschung dieser Gruppen, die so genannten Dark Taxa, vorantreiben. Gleichzeitig bilden wir junge Wissenschaftler an der Arbeit mit diesen Gruppen aus.

Frage

Der Entomologische Verein Krefeld (EVK) hat mit seinen Insektenbiomasse-Fallen und der Studie zum Insektenschwund für einen Weckruf in Wissenschaft und Politik gesorgt. Wie kann das Know-how von GBOL bei der Auswertung helfen?

Antwort

Der EVK hat in den letzten 30 Jahren Unmengen an Material mithilfe von Malaisefallen zusammengetragen. Die zum Teil daraus resultierende Hallmann-Studie vergleicht nur quantitativ die Biomasseveränderung über die Zeit. Was fehlt ist der qualitative Vergleich: wie hat sich die Artenzusammensetzung über die letzten 30 Jahre verändert. Und die Antwort darauf benötigen wir jetzt. Bevor noch mehr Diversität unwiederbringlich verlorengeht! Da eine morphologische Bestimmung aller enthaltenen Arten Jahrzehnte dauern würde, kann schnell und effizient nur Metabarcoding helfen. Dabei werden aus der Gesamt-DNA einer Probe in Kombination mit Hochdurchsatztechnologien (NextGenerationSequencing) simultan Barcodes aller enthaltenen Taxa generiert. Eine bioinformatorische Verarbeitung gleicht die Millionen von Sequenzen gegen vorhandene Referenzbibliotheken (GBOL) ab und gibt eine Artenliste aus.

Frage

Neben der reinen Inventur der Biodiversität: Wo gibt es Anwendungsbereiche für den Einsatz der DNA-Barcode-Technologie?

Antwort

Es gibt viele Anwendungsbereiche für den Einsatz von DNA-Barcoding. Barcoding hilft vor allem dort, wo eine Identifikation der Organismen alleine über die Morphologie schwer oder gar unmöglich ist. Beispiele sind der Nachweis und das Monitoring von bedrohten und invasiven Arten, Schädlingen und Krankheitsüberträgern, die Entlarvung von Etikettenschwindel bei Lebensmitteln, Tierfutter, pflanzlichen Arzneien, Spurenanalyse in Forensik und Kriminalistik oder auch Kot- oder Darminhaltsanalysen zur Aufklärung von Nahrungsbeziehungen sowie Artzuordnung von schwer bestimmbaren Lebensstadien (Ei, Larve, Puppe).

Frage

Wie weit ist die internationale Forschung auf dem Weg zu einem mobilen „DNA-Barcode-Scanner“ gekommen, mit dem man Arten im Feld bestimmen kann?

Antwort

Schon sehr nahe: mit dem portablen MinIon (Oxford Nanopore Technologies), welcher bequem in die Hand passt, nicht mehr als 100 Gramm wiegt, lassen sich in Echtzeit Proben sequenzieren. Einzig ein USB-Kabel zur Stromversorgung ist nötig, um das Gerät auch im Feld zu benutzen. Die nächste Version wird dann nur noch ans Smartphone gekoppelt.

Interview: Philipp Graf