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Berichte des Weltklimarates zeigen, wie stark Hitze- und Dürreperioden in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen haben. Die Folgen sind Ernteausfälle, Überschwemmungen und Waldbrände. Auch die Artenvielfalt ist bedroht und nimmt immer mehr ab – nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit, wie der Weltbiodiversitätsrat resümiert. Almut Arneth ist überzeugt: Klimawandel und Landnutzung hängen eng zusammen. Die Forscherin untersucht die Wechselwirkungen und Rückkopplungen zwischen Landökosystemen und Klimawandel. Mit ihrer Forschung will die promovierte Umweltphysikerin zu einem besseren Verständnis der Abhängigkeiten von Klimaveränderungen und Ökosystemen beitragen. Dafür wurde sie in diesem Jahr mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet.

Reports from the Intergovernmental Panel on Climate Change show how drastically heat waves and droughts have increased in recent decades. The consequences are crop failures, floods and forest fires. Biodiversity is threatened and continues to decline - not only in Germany, but also worldwide, as the World Biodiversity Council (IPBES) concludes. Almut Arneth is convinced that climate change and land use are closely linked. The researcher studies the interactions and feedbacks between land ecosystems and climate change. With her research, the environmental physicist wants to contribute to a better understanding of the interdependencies between climate change and ecosystems. This year, she was awarded the Leibniz Prize for her work.

Fossile Rohstoffe müssen dringend durch erneuerbare Alternativen ersetzt werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Wirtschaft krisenfest und wettbewerbsfähig aufzustellen. Das gilt auch für die chemische Industrie, deren Produkte auf dem Element Kohlenstoff basieren, das bislang überwiegend aus Erdöl oder Erdgas stammt. Um Arzneimittel, Kunststoffe oder Chemikalien in Zukunft klimaneutral aus erneuerbarem Kohlenstoff herstellen zu können, braucht es neue Lösungen.

Die Biotechnologie kann einen wertvollen Beitrag leisten, CO2 direkt zu nutzen und zu verwerten. Kohlenstoffhaltige Gase aus Stahlwerken oder Biogasanlagen können zum Beispiel mithilfe von Mikroorganismen genutzt werden, um daraus biobasierte Chemikalien herzustellen. Um Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in diesem vielversprechenden Feld voranzutreiben, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine neue Förderrichtlinie aufgelegt: Klimaneutrale Produkte durch Biotechnologie – CO2BioTech. Sie soll dazu beitragen, biotechnische Prozesse, die CO2 oder biogene Moleküle mit einem Kohlenstoffatom (C1-Verbindungen wie Kohlenmonoxid, Ameisensäure, Methanol oder Methan) als Rohstoff für die Chemikalienproduktion nutzen, schneller in die industrielle Anwendung zu bringen.

Klimaneutrale Produktionsprozesse stärken

Mit der Nationalen Bioökonomiestrategie strebt die Bundesregierung die Etablierung einer biobasierten Kreislaufwirtschaft an. Daher werden bereits vielfach Entwicklungen gefördert, die nachwachsende Rohstoffe oder biogene Rest- und Abfallstoffe als Kohlenstoffquellen nutzen. Zusätzliche Potenziale hat es, Kohlendioxid, das bei Industrieprozessen als Abfall anfällt, ebenfalls als Rohstoff zu verwenden und so zugleich das Klima zu entlasten. Die neue Förderrichtlinie soll die Potenziale der Biotechnologie für die CO2-Verwertung erschließen, um Deutschlands Rolle als Entwickler und Anbieter moderner Technologien für klimaneutrale Produktionsprozesse zu stärken und die Abhängigkeit von Importen fossiler Rohstoffe zu senken.

Unkräuter sind für viele landwirtschaftliche Betriebe eher eine Plage. Mit schwerem Gerät und Pestiziden wird in der konventionellen Landwirtschaft versucht, den ungeliebten Pflanzen den Garaus zu machen oder sie im Zaum zu halten. Im Bio-Landbau werden zwar keine Chemikalien eingesetzt. Hier wird das Unkrautproblem mechanisch oder thermisch gelöst. Doch auch diese Praxis ist nicht ideal: Sie ist oft teuer und kann zudem Bodenlebewesen stören und die Erosion fördern. Forschende der Universität Rostock haben in einem großangelegten Feldversuch die Unkrautvegetation in Mecklenburg-Vorpommern (MV) nun genauer untersucht. Elf Öko-Bauernhöfe aus MV waren daran beteiligt. Das von der Uni Rostock initiierte Vorhaben war Teil eines internationalen Forschungsprojektes, das die Vielfalt in Kulturbeständen und Unkräutern thematisierte, und an dem Forschende aus Dänemark, Schweden, Finnland, Lettland und Polen beteiligt waren.

Etwa 300 Arten von Unkräutern gibt es in Deutschland. Davon sind 25 wirkliche Problemfälle wie etwa die Ackerkratzdistel. Sie breitet sich unterirdisch in Nestern aus und sorgt für einen geringeren Ertrag. Etwa 100 Unkrautarten treten jedoch eher selten auf, und manche – wie etwa Bauernsenf oder Lämmersalat – sind sogar gefährdet.

Wie Vielfalt gegen Unkräuter im Öko-Landbau wirkt

Die Idee der Forschenden war es, mechanische Methoden durch viele kleine Einzelmaßnahmen bei der Unkrautbekämpfung zu ersetzen. Dazu zählen zum Beispiel der Anbau verschiedener Feldfrüchte, Zwischenfrüchte oder Arten- und Sortenmischungen. Im Rahmen des Projektes wurde in Feldversuchen daher untersucht, welchen Beitrag diese sanften Kulturmaßnahmen im ökologischen Landbau tatsächlich bei der Unkrautbekämpfung leisten können. Im Fokus standen mit Sommergetreide bestellte Äcker, auf denen zugleich Untersaaten, Zwischenfrüchte oder Arten- und Sortenmischungen ausgesät wurden.

Geringe Pflanzendichte bei Unkräutern hat viele Vorteile

Hier zeigte sich: „Direkte mechanische Unkrautbekämpfung reduziert vor allem die Unkrautdichte. Langfristige Diversifizierung der Anbausorten, das heißt, weite Fruchtfolgen oder Zwischenfruchtanbau hingegen fördern eher die Artenvielfalt der Unkräuter“, fasst Bärbel Gerowitt die Ergebnisse der Feldversuche in MV zusammen. Entscheidend dabei sei jedoch, dass die Pflanzendichte nicht zu hoch sei. Nur so habe eine artenreiche Ackervegetation Vorteile. Unkräuter könnten dann auch Nahrungsquelle und Habitat für Nützlinge seien, so Gerowitt.

Artenreiche Vegetation hält Unkräuter in Schach

Die Feldversuche zeigten, dass in artenreichen Ackervegetationen problematische Unterkräuter wie die Ackerkratzdistel nie in großen Mengen auftreten, sondern bei vielen Arten eben nur Platz für kleine Mengen jeder einzelnen Art ist. „Dazu gehören Unkrautarten, die jeder kennt: Klatschmohn, Kornblume, Kamillen, Knötericharten, Spörgel oder auch Hirtentäschelkraut“, so Gerowitt, die das Projekt initiiert hat. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen beteiligten Ländern erwies sich die Einbindung von Zwischenfrüchten in die Fruchtfolge für Landwirte als besonders wirksam. „Die Untersuchungen in Finnland, Lettland, Schweden, Dänemark, Polen und Deutschland zeigen die Bandbreite von Kulturmaßnahmen und die unterschiedliche Wahrnehmung von Unkräutern“, sagt Bärbel Gerowitt. Das Projekt zeigte zudem: Artenreichtum ist erwünscht. Alle an dem Versuch beteiligten Öko-Höfe waren sich einig, dass Unkräuter eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten sind, die sie schätzen und nicht mehr nur bekämpfen wollen. „Denn Vielfalt auf dem Feld hält die Unkräuter in Schach“, resümiert Gerowitt.

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Weeds are a problem for many farms. In conventional farming, heavy equipment and pesticides are used to try to kill the unwanted plants or keep them in check. In organic farming, no chemicals are used. Here, the weed problem is solved mechanically or thermally. But even this method is not ideal: it is often expensive and can also disturb soil organisms and promote erosion. Researchers at the University of Rostock have now taken a closer look at weed vegetation in Mecklenburg-Vorpommern (MV) in a large-scale field trial. Eleven organic farms from MV were involved. The project, initiated by the University of Rostock, was part of an international research project on the diversity of plant stands and weeds involving researchers from Denmark, Sweden, Finland, Latvia and Poland.

There are about 300 species of weeds in Germany. Of these, 25 are really problematic, such as Canada thistle. It spreads underground in nests and ensures a lower yield. However, about 100 weed species occur rather rarely, and some - such as farmer's mustard or lambs lettuce - are even endangered.

How diversity works against weeds in organic farming

The researchers' idea was to replace mechanical methods with many small individual measures in weed control. These include, for example, the cultivation of different crops, catch crops or mixtures of species and varieties. The project therefore investigated in field trials what contribution these gentle cultivation measures can actually make to weed control in organic farming. The focus was on fields cultivated with summer cereals on which undersown crops, catch crops or species and variety mixtures were also sown.

Low plant density in weeds has many advantages

It was shown that "direct mechanical weed control primarily reduces weed density. Long-term crop diversification, i.e. wide crop rotations or intercropping, on the other hand, tends to promote weed species diversity," says Bärbel Gerowitt, summarizing the results of the field trials in MV. However, it is crucial that the plant density is not too high, because only in this way does a species-rich field vegetation have advantages. Weeds can then also be a source of food and habitat for beneficial insects, says Gerowitt.

Species-rich vegetation keeps weeds in check

The field trials showed that in species-rich field vegetation, problematic subweeds such as Canada thistle never occur in large quantities. That's because there's only room for small amounts of each species. "These include weed species that everyone knows: corn poppy, cornflower, chamomile, knotweed species, spurge or shepherd's purse," says Gerowitt, who initiated the project. Not only in Germany, but also in the other participating countries, the integration of catch crops into crop rotation proved to be particularly effective for farmers. "The studies in Finland, Latvia, Sweden, Denmark, Poland and Germany show the range of cultural measures and the different perception of weeds," says Bärbel Gerowitt. The project also showed that species richness is desirable. All the organic farms involved in the trial agreed that weeds are an important food source for insects, which they value and no longer just want to control. "Because diversity in the field keeps the weeds in check," Gerowitt sums up.

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Biogene Reststoffe sind der Rohstoff für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Der Agrar- und Lebensmittelsektor spielt dabei eine wichtige Rolle. Was hier gewöhnlich als Abfall gilt, kann stofflich und energetisch weitergenutzt werden. Dazu bedarf es innovativer Technologien, die wirtschaftlich tragfähig sind und zur Wertsteigerung beitragen. Eine vielversprechende Rohstoffquelle ist der Agrarsektor in Indonesien. Hier fallen jährlich große Mengen an Reststoffen allein bei der Reisernte an. Diese Biomasserückstände bleiben aber zum Großteil ungenutzt oder werden nicht effizient genug genutzt.

Workshop zur Internationalisierung des Bioenergie-Sektors

Eine nachhaltige Verwertung der Reisschalen zur Gaserzeugung auf Grundlage deutscher Technologien steht derzeit im Fokus des Projektes CARE, das über die Maßnahme "Bioökonomie International" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Im Rahmen dieses BMBF-Vorhabens haben Forschende vom Fraunhofer Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) nun einen auf die Bioenergie zugeschnittenen Trainings-Workshop zum Thema „Internationalisierung für Unternehmen der bio-basierten Wirtschaft“ entwickelt.

Einstieg in den indonesischen Biomassemarkt ebnen

Die Workshops sind kostenfrei und richten sich an Bioenergie-Unternehmen, die beispielsweise als Technologieanbieter, Anlagenbauer oder Projektentwickler tätig sind, und erste Schritte im internationalen Geschäft tun wollen oder ihre Aktivitäten im asiatischen Raum ausbauen möchten. Ziel des eintägigen Workshops ist es, Unternehmen bei der Identifizierung internationaler oder globaler Chancen zu unterstützen.

Die Forschenden haben einen Wegweiser entwickelt, der diese Unternehmen durch einen Internationalisierungsprozess führen und sicherstellen kann, dass eine solide, auf Ressourcen und Fähigkeiten basierende Markteintrittsstrategie entwickelt wird.

Ob Pflaume, Kirsche, Pfirsich oder Aprikose: Obstkerne landen in der Regel im Abfall. Allein bei der Obstverarbeitung in Europa werden jährlich über 500 Millionen Kilo an Kernen weggeworfen. Für das österreichische Start-up Kern Tec GmbH ist dieser sogenannte Abfall eine Rohstoffquelle für neue Lebensmittel. Das Potenzial dieser Upcycling-Idee hat auch den Systemdienstleister BayWa überzeugt. Über seinen Investmentarm, die BayWa Venture GmbH, steigt das in München ansässige Unternehmen nun als Partner und Investor beim Food-Tech-Start-up ein.

Obstkerne als Rohstoff für neue Lebensmittel

„Wenn wir wirklich nachhaltig etwas für die weltweite Ernährungssicherheit tun wollen, müssen wir out of the box denken“, sagt BayWa-Vorstandsmitglied Marcus Pöllinger. „Innovative Ansätze wie das Upcycling von Lebensmittelabfällen zeigen, was technisch heute schon möglich ist – und welche Chancen sich daraus ergeben, um einerseits Food Waste zu reduzieren und andererseits Lebensmittel ressourcenschonender zu produzieren.“

Samen als gesunde Kraftpakete

Das eigentliche Kraftpaket steckt im Kerninneren: Die Samen der Steinobstkerne sind voller Nährstoffe, Mineralien und Vitamine, die für eine gesunde Ernährung wichtig sind. Der Proteingehalt liegt bei 25 % und ist vergleichbar mit dem Proteingehalt einer Putenbrust. Auch mit pflanzlichen Proteinquellen wie Nüsse und Mandeln können die Samen der Obstkerne mithalten. In puncto Nachhaltigkeit schneiden Obstkern-Produkte besser ab: Im Vergleich zu Nüssen und Mandeln werden keine Anbauflächen benötigt und gleichzeitig 90 % Wasser und CO2 eingespart.

„Wir als BayWa gehen davon aus, dass es bei den Verbrauchern eine hohe Akzeptanz für Lebensmittel, die aus Obstkernen gewonnen werden, gibt. Denn sie schmecken nicht nur gut, sondern sind auch gesund – sowohl für den Einzelnen als auch unseren Planeten“, so Kristal Golan, Head of New Protein Solutions und Senior Venture Manager bei der BayWa. Das österreichische Start-up hat bereits zahlreiche Produkte im Portfolio. Das Angebot reicht von Speiseölen über Nougatcreme bis hin zu Milch-, Jogurt- und Eisalternativen. Unter der Marke „Wunderkern“ sind die Produkte seit April dieses Jahres auf dem Markt.

Auch Schalen und Presskuchen werden verarbeitet

Darüber hinaus werden auch die Schalen, die nach dem Knacken der Kerne übrigbleiben, verwertet und To-go-Becher hergestellt oder Mikroplastik in Kosmetika ersetzt. Auch die Presskuchen aus der Ölgewinnung können aufgearbeitet werden. Eine neue Technologie, welche die dabei anfallende gesundheitsschädliche Blausäure abscheidet, soll dem Unternehmen zufolge 2023 in Betrieb gehen.

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Fruit pits from plums, cherries, peaches or apricots usually end up in the trash. In fruit processing, over 500 million kilos of pits are thrown away every year in Europe alone. For Austrian start-up Kern Tec GmbH, this is a source of raw materials for new foods. The potential of this upcycling idea has also convinced the system service provider BayWa. Through its investment arm, BayWa Venture GmbH, the Munich-based company is now joining the food tech start-up as a partner and investor.

Fruit pits as raw material for new foods

"If we want to work sustainably for global food security, we have to think out of the box," says BayWa board member Marcus Pöllinger. "Innovative approaches such as the upcycling of food waste show what is already technically possible today - and what opportunities this opens up for reducing food waste on the one hand and producing food in a more resource-efficient way on the other."

Seeds as healthy powerhouses

The real powerhouse is inside the fruit: The seeds of stone fruits are full of nutrients, minerals and vitamins that are important for a healthy diet. The protein content is 25% and is comparable to the protein content of a turkey breast. Fruit kernel seeds can also keep up with plant-based protein sources like nuts and almonds. In terms of sustainability, fruit seed products perform better: Compared to nuts and almonds, no cultivation area is required and at the same time 90% water and CO2 are saved.

"As BayWa, we assume that there is a high level of acceptance among consumers for foods derived from fruit pits. After all, they not only taste good, but are also healthy - both for the individual and for our planet," says Kristal Golan, Head of New Protein Solutions and Senior Venture Manager at BayWa. The Austrian start-up already has numerous products in its portfolio. Its offerings range from cooking oils and nougat cream to milk, yogurt and ice cream alternatives. The products have been on the market under the "Wunderkern" brand since April of this year.

Shells and press cake are also processed

The shells left over after cracking the seeds are also recycled and used to make to-go cups or replace microplastics in cosmetics. Press cakes from oil extraction can also be reprocessed. According to the company, a new technology that separates the harmful hydrocyanic acid produced in the process is scheduled to go into operation in 2023.

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An Land muss die Landwirtschaft aus Umwelt- und Klimaschutzgründen dringend nachhaltiger werden, im Wasser gelten viele Meeresregionen als überfischt. Doch der Nahrungsbedarf der Menschheit wird weiter steigen. Eine bislang nur wenig genutzte Quelle, die zugleich gesund und nachhaltig sein kann, sind Algen, zu denen Meerestrauben zählen. Forschende der Universität Bremen und des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) haben nun einen Weg entdeckt, deren Nährwert noch einmal deutlich zu steigern. Ihre Methode präsentieren sie im Fachjournal „Algal Research“.

So reich an Antioxidantien wie Granatapfelkerne

Meerestrauben stammen aus dem Indopazifik und werden seit den 1950er-Jahren in Aquakulturen gezüchtet, weil sie gut gemeinsam mit Fischen gedeihen. Ihren Namen haben die Meerestrauben von den grünen kleinen Kugeln, die sie bilden und die an einer Rispe hängen. Typisch für Meeresalgen ist ihr leicht salziger Geschmack. Im Mund zerplatzen die Kügelchen ähnlich wie Kaviar, weshalb sie auch „grüner Kaviar“ genannt werden. Wie die meisten Algen haben sie einen hohen Eiweißgehalt, weisen viele ungesättigte Fettsäuren auf und besitzen viele Mineralsalze, Vitamine und Spurenelemente.

Besonders macht die Meerestrauben jedoch ihr hoher Gehalt an Antioxidantien. Sind die Algen hoher Lichtstrahlung ausgesetzt, bilden sich in ihren Zellen freie Radikale, die dort Schaden anrichten. Zum Schutz dagegen erzeugt die Alge Antioxidantien wie Vitamin C und E, Betakarotin und Polyphenole. Alle diese Stoffe sind für die menschliche Gesundheit sehr wertvoll. Das Bremer Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass die richtige Lichtbestrahlung dazu führt, dass die Meerestrauben ihren Gehalt an Antioxidantien mehr als verdoppeln. Damit sind sie hinsichtlich der Konzentration an Antioxidantien vergleichbar mit Granatapfelkernen.

Ökologisch interessante Co-Kultivierung mit Meerestieren

„Lichteinstrahlungen als günstiges und einfaches Mittel, um den Gehalt an Antioxidantien von Algen zu steigern, haben ein großes Potential“, resümiert Leibniz-Forscherin Lara Stuthmann. Auch für andere Algen sei diese Anwendung denkbar. Und dann ist da noch die Nachhaltigkeit: Werden die Algen mit den richtigen Meerestieren gemeinsam kultiviert, bilden sie einen natürlichen Kreislauf, in dem Futter- und Abfallreste optimal verwertet werden. Eine ebensolche Co-Kultivierung erprobt das ZMT derzeit in vietnamesischen Algenfarmen, wo Meerestrauben gemeinsam mit Garnelen oder Meeresschnecken gehalten werden.

Meerestrauben hätten jedoch noch weitere Vorteile, ergänzt Karin Springer von der Universität Bremen: „Das Besondere an Meerestrauben gegenüber den meisten anderen Makroalgen ist ihre Wuchsform und Konsistenz, die sie zu einem sehr angenehmen Gaumenerlebnis machen.“ Sie lassen sich zudem leicht vermehren und wachsen schnell. Springer äußert sich zuversichtlich: „Meerestrauben könnten als eine Quelle für Proteine, Antioxidantien und andere Nährstoffe deshalb auch einen Platz auf unserem deutschen Speiseplan finden.”

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On land, agriculture urgently needs to become more sustainable for environmental and climate protection; in the water, many marine regions are considered overfished. But humanity's demand for food will continue to rise. One hitherto little-used source that can be both healthy and sustainable is algae, among which are marine grapes. Researchers at the University of Bremen and the Leibniz Center for Tropical Marine Research (ZMT) have now discovered a way to significantly increase their nutritional value. They present their method in the scientific journal „Algal Research“.

As rich in antioxidants as pomegranate seeds

Sea grapes originate from the Indo-Pacific and have been cultivated in aquacultures since the 1950s because they grow well together with fish. Their name is explained by their shape, small green balls hanging from a panicle. Typical of seaweed is its slightly salty taste. In the mouth, the balls burst similar to caviar, which is why they are also called "green caviar". Like most algae, they have a high protein content, have many unsaturated fatty acids and contain many mineral salts, vitamins and trace elements.

What makes sea grapes special, however, is their high antioxidant content. If the algae are exposed to high light radiation, free radicals are formed in their cells, which cause damage there. To protect against this, the algae produce antioxidants such as vitamins C and E, beta-carotene and polyphenols. All of these substances are very valuable for human health. The Bremen research team has now discovered that proper light irradiation causes sea grapes to more than double their antioxidant content. This makes them comparable to pomegranate seeds in terms of antioxidant concentration.

Ecologically interesting co-cultivation with marine animals

"Light irradiation as a cheap and simple means of increasing the antioxidant content of algae has great potential," summarizes Leibniz researcher Lara Stuthmann. This could also be applied to other algae, she adds. They also score in terms of sustainability: If the algae are cultivated together with the right marine animals, they form a natural cycle in which food and waste residues are optimally utilized. The ZMT is currently testing this type of co-cultivation in Vietnamese algae farms, where sea grapes are kept together with shrimps or sea snails.

Sea grapes have other advantages, adds Karin Springer of the University of Bremen: "Sea grapes differ from most other macroalgae in their growth form and consistency, which make them a very pleasant taste experience." They are also easy to propagate and grow quickly. Springer expresses confidence, "Sea grapes could therefore find a place on our German menu as a source of protein, antioxidants and other nutrients."

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Soja ist als proteinhaltige Pflanze vor allem als Tierfutter begehrt. Etwa ein Viertel des im Tierfutter enthaltenen Eiweißes entfällt auf Soja. Da die Hülsenfrucht hierzulande aber kaum angebaut wird, ist Deutschland auf Importe angewiesen. So wurden 2020 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus den USA und Südamerika insgesamt 3,9 Millionen Tonnen eingeführt. Doch Sojaimporte gelten längst als ökologisch bedenklich, weil für den Anbau beispielsweise Regenwälder in Brasilien abgeholzt und Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat eingesetzt werden. Ein heimischer Eiweißersatz im Futtermittel könnten Lupinen sein, wie eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) ergab.

Gründe für Schwankungen im Lupinenanbau erforscht

Obwohl Teile Ostdeutschlands ein historisch bedeutendes Anbaugebiet für Lupinen sind, variieren Anbauflächen und Erntemengen seit Jahren. Warum das so ist, wollten Forschende vom ZALF im Rahmen einer Umfrage herausfinden. 67 Landwirtinnen und Landwirte, die ökologisch als auch konventionell Lupinen anbauen, wurde dazu im Jahr 2019 befragt. Der Großteil der befragten Betriebe baut die sogenannte Schmalblättrige Süßlupine (Lupinus angustifolius L.) an.

Lupinenanbau für Tierfutter dominiert

Die Umfrage ergab: Die Mehrheit der Befragten baut die Hülsenfrucht als Tierfutter an, da die Preise für Soja ständig steigen. In der konventionellen Landwirtschaft nutzen demnach mit 54% mehr als die Hälfte Lupinen als Futtermittel für die eigene Tierhaltung, weitere 28% für den Eigenbedarf und für den Handel. Ein weitere Motivation Lupinen anzubauen, ist hier vor allem die Verbesserung der Fruchtfolge. Hier schätzen konventionelle Landwirtinnen und Landwirte die positive Wirkung von Leguminosen auf die Bodenfruchtbarkeit und das geringere Risiko eines Befalls der Ackerpflanzen mit Krankheitserregern.

Im ökologischen Landbau ist daneben auch der Verkauf eine ebenso große Motivation. Lupinen werden hier zur Herstellung von Nahrungsmitteln wie Fleischersatz, Mehl oder Lupinenkaffee genutzt. Zudem schätzt auch der Öko-Landbau Lupinen als natürliches Düngemittel, da sie den Boden durch Knöllchenbakterien an den Wurzeln mit Stickstoff anreichern.

Züchtung neuer resistenter Lupinensorten nötig

Die größten Herausforderungen im Lupinenanbau sind der Umfrage zufolge Trockenheit, Krankheits- und Unkrautbefall. So sind die weiße und gelbe Lupine aufgrund ihres hohen Protein- und Ölgehaltes für Lebensmittel zwar besonders geeignet, aber eben auch sehr anfällig für die Pilzkrankheit Anthraknose. Um den Anbau der Hülsenfrucht in Deutschland weiter auszubauen, ist der Umfrage zufolge die Züchtung neuer Sorten nötig, die gegen Trockenheit und Krankheiten resistent sind. Daneben bedarf es finanzieller Anreize und höherer Erzeugerpreise, um den Anbau attraktiver zu machen, heißt es.
 
Die Umfrage fand im Rahmen des EU-Projektes „Legumes Translated“ statt und wurde aus Mitteln des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 gefördert. Die Ergebnisse sind auf der europäischen Wissenschaftsplattform zu Leguminosen, „Legume Hub“, veröffentlicht.

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Biobasiert – aber nicht ganz. Das liest man immer wieder, wenn man sich mit nachhaltigen Baustoffen wie beispielsweise Biofaserverbundwerkstoffen beschäftigt. Zwar gibt es Naturfasern mit hervorragenden ökologischen und technischen Eigenschaften, doch um daraus den gewünschten Werkstoff herzustellen, wird auch Harz benötigt. Und da fällt die Wahl bislang häufig auf erdölbasierte Produkte, weil geeignete nachhaltige Alternativen begrenzt sind. Künftig jedoch könnte das anders sein: In dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt OrangeOil entwickeln Forschende ein biobasiertes Epoxidharz.

Breite Anwendungsmöglichkeiten

Epoxidharze kommen beispielsweise im Schienenfahrzeug-, Sportgeräte-, Automobil-, Architektur-, Schiff- und Innenausbau zum Einsatz. Das Epoxidharz, das im deutsch-türkischen Kooperationsprojekt entstehen soll, könnte als reine Harzschicht für Bodenbeläge oder eben als Komponente in Bioverbundwerkstoffen genutzt werden. Beteiligt sind an dem Vorhaben das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, das Kunststoff-Zentrum SKZ und das TÜBITAK Marmara Research Center.

Dabei soll das Epoxidharz nicht einfach nur biobasiert sein. Die Nachhaltigkeit geht noch einen Schritt weiter: Als Rohstoff soll Orangenöl aus Orangenschalen dienen und damit Abfallstoffe aus der Saft- und Marmeladenherstellung. So sollen Flächennutzungskonflikte mit dem Anbau von Lebens- und Futtermitteln oder anderen nachwachsenden Rohstoffen vermieden werden.

Prozess und Material optimieren

Die Projektbeteiligten analysieren, wie sich das biobasierte Epoxidharz am besten herstellen und handhaben lässt. Dabei betrachten die Forschenden den gesamten Prozess von der Gewinnung des Orangenöls über das reine Harz bis hin zu Faserverbundkunststoffen. Ziel ist es, das biogene Material optimal auf den Prozess abzustimmen und die resultierenden Produkte in ihren Eigenschaften zu charakterisieren.

Neben den drei Forschungsinstitutionen gibt es noch ein begleitendes Gremium. Darin können interessierte Unternehmen kostenfrei mitwirken, sich an der Gestaltung der Untersuchungen beteiligen und über die Ergebnisse auf dem Laufenden bleiben. Auf deutscher Seite wird das Projekt OrangeOil vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des internationalen Programms CORNET gefördert.

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Bio-based - but not quite. That is often the case for sustainable building materials such as biofiber composites. Although natural fibers with excellent ecological and technical properties exist, resin is ultimately needed to turn them into the desired material. Until now, petroleum-based resin often had to be used because suitable sustainable alternatives are limited. Soon, things could be different: In the OrangeOil research project, which is funded by the German Federal Ministry of Economics and Technology, researchers are developing a bio-based epoxy resin.

Wide range of applications

Epoxy resins are used, for example, in the construction of rail vehicles, sports equipment, automobiles, architecture, ships and interiors. The epoxy resin to be produced in the German-Turkish collaboration could function as a resin layer for floor coverings or as a component in biocomposites. The Fraunhofer Institute for Microstructure of Materials and Systems IMWS, the SKZ Plastics Center and the TÜBITAK Marmara Research Center are involved in the project.

The resulting epoxy resin is not only to be biobased, its sustainability goes one step further: orange oil from orange peels, i.e. waste materials from juice and jam production, serves as the raw material. This avoids land use conflicts with the cultivation of food and animal feed or other renewable raw materials.

Optimize process and material

The researchers will analyze how the bio-based epoxy resin can best be produced and handled - covering the entire process from extraction of the orange oil to the pure resin and fiber composites. The goal is to optimally match the biogenic material to the process and characterize the properties of the resulting products.

In addition to the three research institutions conducting the study, there is also an accompanying committee. Interested companies can participate in this committee free of charge, help shape the research and keep up to date on the results. On the German side, the OrangeOil project is funded by the German Federal Ministry of Economics as part of the international CORNET program.

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Bauen mit Holz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Im Vergleich zu Häusern aus Stahl und Beton speichern Bäume CO2-Emissionen, so dass der Baustoff Holz einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck hat. Gerade mit Blick auf eine wachsende Weltbevölkerung könnten Holzhäuser in Städten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wie eine Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt.
 
„Unsere Studie unterstreicht, dass Holzhäuser in der Stadt aufgrund ihres langfristigen Kohlenstoffspeicherpotenzials eine wichtige Rolle bei der Eindämmung des Klimawandels spielen könnten“, sagt Abhijeet Mishra, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Hauptautor der Studie. Die Forschenden hatten mit Hilfe der Open-Source-Computersimulation MAgPIE für die globale Landnutzung vier verschiedene Szenarien untersucht – darunter ein Szenario mit herkömmlichen Baumaterialien wie Zement und Stahl und drei mit zusätzlicher Holznachfrage zum regulären Holzbedarf. Dabei interessierte das Team auch, wie eine zusätzliche hohe Nachfrage nach Holzbaustoffen realisiert werden kann, woher das Baumaterial kommen soll und welche Folgen dies für die direkten und indirekten Kohlenstoffemissionen aus der Landnutzung haben könnte.

Holzhochhäuser könnten 100 Millarden Tonnen CO2 vermeiden

„Unsere Szenarienanalyse zeigt, dass genügend Holz für neue mehrstöckige Häuser in der Stadt produziert werden kann, ohne größere Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion", erklärt PIK-Wissenschaftler Florian Humpenöder und Mitautor der Studie. Die Forschenden sprechen hier von Wohnhäusern aus Holz mit vier bis zwölf Etagen, in denen die Stadtbevölkerung leben könnte. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications berichtet, könnten bis zum Jahr 2100 mehr als 100 Milliarden Tonnen zusätzliche CO2-Emissionen eingespart werden. Auf diese Weise würden Mishra zufolge Holzstädte zu einer einzigartigen langfristigen Kohlenstoffsenke werden.

Holzplantagen auf abgeholzten Wäldern anlegen

Doch woher soll das Holz kommen, das für den Hausbau benötigt wird? Fest steht: Der zusätzliche Holzanbau darf nicht den Konkurrenzkampf um die ohnehin knappe Ressource Land befeuern. Den Forschenden zufolge könnte der Baustoff sowohl aus natürlichen Wäldern als auch aus sogenannten Holzplantagen bezogen werden. „Der größte Teil der zusätzlich benötigten Holzplantagen – wir sprechen hier von rund 140 Millionen Hektar – wird auf abgeholzten Waldflächen angelegt und geht somit nicht auf Kosten von landwirtschaftlichen Flächen", erklärt Humpenöder.

Politische Steuerung und sorgfältige Planung nötig

Die Forschenden weisen darauf hin, dass auch der Schutz der Biodiversität nicht aus den Augen gelassen werden darf. In unberührten Wäldern und Schutzgebieten für die biologische Vielfalt dürfe daher nichts abgeholzt werden, heißt es. „Um die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu begrenzen und einen nachhaltigen Übergang zu Holzstädten zu gewährleisten, bedarf es einer starken politischen Steuerung und einer sorgfältigen Planung“, sagt Abhijeet Mishra.

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Wood as a building material has a significantly smaller ecological footprint than conventional materials and is therefore becoming increasingly important. Compared to houses made of steel and concrete, trees store CO2 emissions. Particularly in view of a growing world population, wooden houses in cities could make an important contribution to climate protection, as a study by the Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) shows.
 
"Our study shows that wooden houses in cities could play an important role in mitigating climate change due to their long-term carbon storage potential," says Abhijeet Mishra, a scientist at the Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) and lead author of the study. Using the open-source computer simulation MAgPIE for global land use, the researchers had examined four different scenarios - including one with conventional building materials such as cement and steel and three with additional wood demand to regular wood demand. The team was also interested in how additional high demand for wood building materials could be realized, where the building material would come from, and what the consequences might be for direct and indirect carbon emissions from land use.

Wooden multi-story buildings could avoid 100 billion tons of CO2

"Our scenario analysis shows that enough wood for new multi-story houses can be produced in the city without major impacts on food production," explains PIK scientist Florian Humpenöder and co-author of the study. The researchers are talking about apartment buildings with four to twelve floors in which the urban population could live. As the team reports in the journal Nature Communications, more than 100 billion tons of additional CO2 emissions could be saved by the year 2100. In this way, according to Mishra, wooden cities would become a unique long-term carbon sink.

Establish timber plantations on deforested land

But where will the wood come from? The cultivation of wood must not contribute to competition for the already scarce resource of land. According to the researchers, the building material could be sourced both from natural forests and from so-called timber plantations. "The majority of the required timber plantations - we're talking about around 140 million hectares - are planted on deforested areas and therefore do not come at the expense of agricultural land," explains Humpenöder.

Political governance and careful planning required

The researchers point out that biodiversity protection cannot be ignored either. Therefore, no deforestation should be allowed in pristine forests and biodiversity conservation areas, they say. "To limit the negative impacts on biodiversity and ensure a sustainable transition to timber towns, strong political governance and careful planning are needed," says Abhijeet Mishra.

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Bioökonomie und der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise: Das klingt für die meisten Leute zunächst nach jeder Menge Forschung, Technik und Geschäftsmodellen. Dennis Eversberg hingegen denkt dabei zuerst an Menschen und Mentalitäten. Eversberg ist Soziologe an der Universität Jena und leitet das Forschungsprojekt „Mentalitäten im Fluss – Vorstellungswelten in modernen bio-kreislaufbasierten Gesellschaften“. Dessen Ziel ist es zu verstehen, welche Haltungen der Menschen es zur Bioökonomie gibt und was das für die Entwicklung der Bioökonomie bedeutet.

Ist die Bioökonomie eine Wachstumsökonomie?

„Ich habe vorher lange zu Postwachstums-Gesellschaften gearbeitet und mich mit den Problemen beschäftigt, die jetzt immer stärker in den Vordergrund treten“, erläutert Eversberg seine Motivation für das Projekt. Dabei denkt er an die ökologische Nicht-Nachhaltigkeit, mit der Gesellschaften operieren, sowie an soziale Ungleichheiten und Spannungen, die daran hängen. „Für mich ist spannend, was unter dem Begriff sozial-ökologische Transformation verhandelt wird und welche Konflikte sich darum ergeben“, sagt der Forscher. Teile der Bevölkerung seien sehr aufgeschlossen, andere reserviert oder sogar dagegen – was zu selten thematisiert werde. „Außerdem schauen wir, was die Leute wirklich machen, die Muster ihrer Alltagspraxis. Wie stark müsste man sich eigentlich anpassen, wenn es zum großen Wandel kommt?“

Doch da geht es mit den Konflikten schon los: Selbst innerhalb der Bioökonomiedebatte ist umstritten, wie viel sich überhaupt am alltäglichen Leben ändern muss. Und ist die Bioökonomie eigentlich eine Wachstumsökonomie? „Selbst wenn man sagt, die Bioökonomie müsse eine größere Rolle spielen und wachsen anstelle anderer Dinge, die aufhören müssen – wie fossile Energien: Bedeutet das noch Wachstum oder müssen wir uns trotzdem von der Logik der permanenten Ausweitung wirtschaftlicher Tätigkeit verabschieden?“, fragt Eversberg.

Weil sich all diese Fragen nicht mit rein quantitativen, aber auch nicht mit rein qualitativen Methoden beantworten lassen, hat das Projektteam sich für einen kombinierten Ansatz entschieden und auch den Vergleich mit historischen Analogien einbezogen. Deshalb ist das Projekt dreigeteilt.

Fallstudien, historischer Vergleich und eine Repräsentativbefragung

Im ersten Teil erstellen die Forschenden mehrere Fallstudien aus der Bioökonomie in Europa. Eher klassisch ist der Fall der finnischen Holzindustrie, die in ihrem Land der Pfeiler der Bioökonomie ist, neue Technologien entwickelt und anwendet. In Spanien schauen die Forschenden auf eine Region, die vom Olivenanbau dominiert ist. Die extensive Ausweitung des Anbaus stößt dort an Grenzen, doch ein intensiverer Anbau hätte Wasserkonflikte zur Folge. In Estland betrachtet das Projekt die Semisubsistenzlandwirtschaft in Form von Kleingärten. Für viele Menschen dort haben die Gärten eine zentrale Rolle dabei, den Lebensunterhalt zu bestreiten, insbesondere für die russische Minderheit im Osten des Landes. Der Fall beinhaltet daher auch ethnische und aktuell politische Spannungen. Nicht zuletzt studiert das Team Bioenergiedörfer in Deutschland. Worum streiten sich die Menschen, wenn Akteure vorschlagen, mit den Ressourcen vor Ort die eigene Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen? Was sind Vorbehalte und Voraussetzungen für einen Erfolg?

In einem weiteren Projektteil bearbeiten die Forschenden die Literatur zu einer analogen und doch entgegengesetzten historischen Entwicklung: Dem Wandel hin zu einer fossilen Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Wie ging damals der Wandel der Mentalitäten vor sich? „Wenn eine Mentalität an die Nutzung bestimmter Ressourcen gebunden ist und abgelöst wird durch neue Ressourcen und neue Mentalitäten – was passiert da?“, möchten Eversberg und sein Team verstehen.

Beide Projektteile sind schließlich in einen dritten Teil eingeflossen: eine Repräsentativbefragung der deutschen Bevölkerung zur Bioökonomie. Wo stehen die Menschen entlang der Spannungslinien? Das soll die Studie quantifizieren. „Wir wollen unterschiedliche Lebensweisen identifizieren und wie diese sich zueinander verhalten und unterscheiden, wo Konflikte sind“, sagt der Projektleiter. Das Ziel sei es, systematische, empirisch fundierte Aussagen treffen zu können zur Bioökonomie.

Mentalitäten sind schwer zu verändern

Bislang deuten frühere Daten aus Studien bis 2018 darauf hin, dass zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung zustimmen, dass wir mehr im Einklang mit der Natur leben und weniger verbrauchen sollten. „Aber was verstehen die Leute darunter?“, schränkt Eversberg ein. „Das ist nicht die zentrale Motivation für zwei Drittel der Bevölkerung, sonst sähen Wahlergebnisse anders aus.“ Und da kommt wieder das Stichwort Mentalität ins Spiel. „Mentalität ist immer ein umfassendes Muster der Haltung zur Welt“, erläutert der Soziologe, nichts, das sich wie eine Meinung schon durch einen Zeitungsartikel verändern kann.

Im Detail finden sich in Eversbergs Analysen existierender Umfragen drei Gruppen von Mentalitäten: Ein Drittel der Menschen ist demnach überzeugt von der ökologisch-sozialen Transformation, dass diese sich nicht in technischen Lösungen erschöpft, sondern auch die alltägliche Lebensgestaltung sich ändern muss. Ein Viertel bis ein Fünftel der Menschen hat eine „fossile Mentalität“ und gehören zu dem was Eversberg „regressiv-autoritäres Lager“ nennt. Sie fühlen sich und ihren Wohlstand vom Wandel bedroht und wollen zurück in die 60er- bis 70er-Jahre, fossile Rohstoffe weiter ausbeuten für immer mehr Wohlstandswachstum. Die größte Gruppe ist mit 40% das liberal-steigerungsorientierte Lager: zumeist wohlsituierte Menschen, die zustimmen, dass wir nachhaltig wirtschaften müssen – aber nicht so, dass sich an ihrer Lebensweise etwas ändert. Hier ruht die Hoffnung auf technischen Lösungen. „Allerdings gibt es in dieser Gruppe innere Spannungen, auch solche Menschen, die sagen: Wenn es denn sein muss, dann müssen wir eben auch was an unserem Leben ändern“, erläutert Eversberg. „Ich bin gespannt auf unsere Daten dazu.“ Denn derzeit wertet das Team die inzwischen abgeschlossene Repräsentativbefragung mit 4.000 Teilnehmenden aus.