Molekularen Dirigenten in der Blüte auf der Spur
Kerstin KaufmannBeruf:
Molekularbiologin
Position:
Professorin für Pflanzliche Zell- und Molekularbiologie an der Humboldt-Universität zu Berlin; Institut für Biologie
Beruf:
Molekularbiologin
Position:
Professorin für Pflanzliche Zell- und Molekularbiologie an der Humboldt-Universität zu Berlin; Institut für Biologie
Für die Vielfalt und Pracht von Blüten konnte sich Gartenliebhaberin Kerstin Kaufmann schon als Kind begeistern. Heute will sie auf molekularer Ebene verstehen, wie die Pflanzenwelt diese große Bandbreite an Formen und Funktionen in ihren Blütenorganen hervorgebracht hat.
Kerstin Kaufmann liebte schon als Kind den großen Garten ihres Elternhauses in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Nicht nur für die lebendige Pflanzenpracht hat sie ein Faible entwickelt. Auch für alte botanischen Atlanten und Naturkunde-Bücher kann sie sich begeistern. „Es ist die Vielfalt der Blütenfarben und -formen, die mich fasziniert“, sagt Kaufmann. Doch eine Blüte ist nicht nur äußerlich betrachtet ein Meisterwerk. Sie ist das Ergebnis eines komplexen Entwicklungsvorgangs, in der Hunderte Gene und Proteine räumlich und zeitlich fein aufeinander abgestimmt in Aktion treten. Wie bei einem Orchester gibt es auch bei der Blütenentwicklung dabei einige Akteure, die den Einsatz geben. Zu den wichtigsten „molekularen“ Dirigenten in der Blüte gehören sogenannte Transkriptionsfaktoren. Es sind Proteine, die an die DNA andocken und dort andere Gene gezielt an- und abschalten.
Vielschichtiges Konzert mit Hunderten von Faktoren
Wie funktioniert das molekulare Zusammenspiel in der Blütenentwicklung? Gibt es bestimmte Meister-Regulatoren in der Welt der Pflanzen? Diese Fragen haben Kerstin Kaufmann nicht mehr losgelassen, seit sie als Braunschweiger Biologiestudentin bei einem einjährigen Aufenthalt 1999 im schwedischen Uppsala mehr über die Evolution der Blütenentwicklung erfahren hatte. „Ich fand das extrem spannend und habe dann zurück in Deutschland nach Forschern gesucht, die sich hierauf spezialisiert hatten“, erzählt sie. Am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln wurde sie in dem Pflanzengenetiker Günter Theißen fündig, der kurz darauf an die Universität Jena wechselte. Mit im Gefolge: Kerstin Kaufmann, die sich sowohl in Diplom- wie auch in der Doktorarbeit damals schon mit Schlüsselregulatoren der Blütenentwicklung, den sogenannten MADS-Box-Faktoren beschäftigte.
Jeder Zelltyp hat eigenes regulatorisches Profil
Das Lieblingsstudienobjekt der Biologin ist die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Die kleinen, weißen Blüten der mit Raps verwandten Pflanze können optisch zwar nicht mit prächtigen Orchideen oder Löwenmäulchen mithalten. Dafür sind die Pflänzchen ideal für genetische Experimente geeignet. In keiner anderen Pflanze sind deshalb die Schlüsselfaktoren für die Blütenentwicklung so detailliert beschrieben wie bei Arabidopsis. „Wie das Zusammenspiel der Hauptschalter auf molekularer Ebene funktioniert, darüber wissen wir jedoch kaum etwas“, betont Kaufmann. Mit einem Arsenal an neuesten molekularbiologischen Methoden will die Forscherin deshalb klären, wie genau Transkriptionsfaktoren an bestimmte Erbgut-Abschnitte binden und welche Gene sie an- oder ausknipsen. Bei dieser Detektivarbeit kommt Hightech zum Einsatz: Sequenziertechniken der neuesten Generation, Proteomanalysen und Chromatin-Experimente. „Ohne einen Blick auf die Epigenetik kann man das molekulare Geschehen nicht verstehen“, betont Kaufmann. Ihre Vision: „Wir versuchen, für jeden Zelltyp in der Blütenentwicklung eine regulatorische Signatur zu ermitteln“, so die Biologin.
Einem Meister-Regulator auf der Spur
Einem Master-Regulator namens AP1 ist Kaufmann bereits während ihrer Postdoc-Zeit ab 2005 an der Universität Wageningen in den Niederlanden auf die Spur gekommen, was ihr einen Artikel im Fachjournal Science (2010, Bd. 328, S.85) einbrachte. Marie-Curie-Stipendiatin Kaufmann hat sich dabei in der Universitätsstadt Wageningen äußerst wohl gefühlt. „Die direkte und offene Art der niederländischen Kollegen, aber auch den gebotenen Freiraum zum Forschen habe ich sehr geschätzt“, so die Entwicklungsbiologin. Seit 2011 baute sie eine eigene Arbeitsgruppe in Wageningen auf, wurde Assistant Professor, eine Tenure Track-Option bot die Aussicht auf eine langfristige Stelle. „Doch ich war neugierig auf was Neues“, erzählt Kaufmann. Es eröffnete sich die Möglichkeit, wieder nach Deutschland zurückzukehren: mit einer Bewerbung um den Sofja Kovalesvskaja-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Genomschere CRISPR-Cas erfolgreich eingesetzt
Und im Sommer 2012 gab es Post: Kaufmann bekam den Zuschlag für den drittgrößten in Deutschland vergebenen Forscherpreis: finanziert für fünf Jahre konnte sie so als Gastforscherin bei Bernd Müller-Röber am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam nach weiteren Schlüsselregulatoren der Blütenentwicklung fahnden. „In Potsdam gibt es für Pflanzenforscher eine Super-Infrastruktur“, sagt Kaufmann.
Ein ideales Umfeld, das sie für wichtige Entdeckungen nutzen konnte. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer besser verstanden, wie der regulatorische Code in den verschiedenen Blütenorganen funktioniert“, berichtet sie. Hierbei ist ihr Team insbesondere einigen epigenetischen Masterregulatoren auf die Spur gekommen. Um sie aufzuspüren, bediente sich ihr Team der Genomschere CRISPR-Cas9, der derzeit wohl angesagtesten molekularbiologischen Technik. „Auch für unsere Arbeit ist dieses Werkzeug revolutionär, weil wir damit nicht-invasiv spezifische Mutationen im natürlichen Erbgut-Kontext auslösen können“, sagt Kaufmann. Das führe zu deutlich aussagekräftigeren Erkenntnissen.
Ihre Forschungen wird die Pflanzenwissenschaftlerin künftig im hochmodernen Rhoda-Erdmann-Haus der Berliner Humboldt-Universität fortführen. Dort ist Kerstin Kaufmann seit Oktober 2016 Professorin für Pflanzliche Zell- und Molekularbiologie. Gemeinsam mit ihrem zehnköpfigen Team, das mit aus Potsdam in die Hauptstadt gewechselt ist, will sie fortan auch in Berlin-Mitte das molekulare Konzert der Blütenentwicklung entschlüsseln.
Autor: Philipp Graf