„Wir suchen nach Strategien der Natur für neue Materialien“
Silvia Vignolini
promovierte Physikerin
Position:
Direktorin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam-Golm und Leiterin der neuen Abteilung „Nachhaltige und bioinspirierte Materialien“
promovierte Physikerin
Position:
Direktorin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam-Golm und Leiterin der neuen Abteilung „Nachhaltige und bioinspirierte Materialien“
Als Direktorin der neu gegründeten Abteilung „Nachhaltige und bioinspirierte Materialien“ am MPIKG will Silvia Vignolini Materialien mit vorwiegend optischen Funktionen nach dem Vorbild der Natur erforschen und entwickeln.
Die Natur ist von jeher eine Triebfeder für technische Entwicklungen. Auch Silvia Vignolini lässt sich bei ihrer Forschungsarbeit von der Natur inspirieren. Am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam-Golm hat die Spitzenphysikerin zu Jahresbeginn die Leitung einer neuen Abteilung übernommen, die sich mit der Entwicklung nachhaltiger und bioinspirierter Materialien befasst. Ihr Ziel: künstliche Materialien sollen sich von natürlichen Materialien nicht unterscheiden. Dazu taucht die Forscherin tief in die Details von Strategien ein, die die Natur nutzt, um Materialien zu strukturieren. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Erforschung und Entwicklung optischer Funktionen wie die Farbgebung bei Pflanzen. Erste Erfolge gibt es bereits.
Was ist Ihr Forschungsansatz und was ist das Besondere daran?
Unser Ziel ist es, Materialien zu entwickeln, die von der Natur inspiriert sind, und dabei so viele nachhaltige Ressourcen wie möglich zu nutzen. Ich denke, unsere Forschung ist deshalb so erfolgreich, weil wir uns nicht scheuen, die Grenzen zwischen den Disziplinen zu überschreiten, sondern intensiv mit Forschenden mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenarbeiten. Wir tauchen tief in die Details der Strategien ein, die die Natur für die Strukturierung von Materialien verwendet, und wenn man diese Prinzipien einmal verstanden hat, ist es relativ einfach, Ideen zu entwickeln, wie wir die Leistungen nachahmen können.
Sie wollen neue Materialien mit vorwiegend optischen Funktionen nach dem Vorbild der Natur erforschen und entwickeln.
Was bedeutet das konkret? Und welche optischen Funktionen aus der Natur nehmen Sie sich zum Vorbild?
Ein erfolgreiches Beispiel ist unsere Arbeit an Pflanzen. Einige Pflanzen können Farben ohne Pigmente herstellen, indem sie die Zellulose in der Zellwand in einer Architektur strukturieren, die als Helicoid bezeichnet wird. Eine solche chirale Architektur ähnelt einer Wendeltreppe, bei der alle Zellulosestücke in einer Schicht (der Stufe der Treppe) in eine Richtung ausgerichtet sind, während die darüber oder darunter liegenden Schichten ebenfalls schräg sind. Wir haben eine Methode entwickelt, um solche Strukturen mit Hilfe von Zellulose selbst zu reproduzieren, und konnten so farbiges Pulver herstellen. Jetzt haben wir dieses Pulver als Pigment und Glitter vermarktet. Es kann verwendet werden, um umweltschädlichere, im Handel erhältliche Pigmente zu ersetzen.
Wie können diese natürlichen Funktionen auf neue Materialien übertragen werden?
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Die Natur hat eine große Vielfalt an Strategien entwickelt. Die Herausforderung besteht auch hier darin, diejenige auszuwählen, die in der realen Welt erfolgreich umgesetzt werden kann.
Inwieweit könnten die Materialien dadurch auch nachhaltiger werden?
Als Forschende stehen wir ganz am Anfang der Innovation und können nur einen Teil des Prozesses, der Materialien nachhaltig macht, mitgestalten. Deshalb arbeiten wir mit mit verschiedenen Experten zusammen, die uns helfen, das Gesamtbild der Materialherstellung zu betrachten und bewährte Verfahren zu finden. Wir müssen dringend Lösungen finden, um Materialien nachhaltiger zu machen, indem wir bewusst Ressourcen einsetzen und sicherstellen, dass wir mit reichlich vorhandenen und erneuerbaren Materialien beginnen. Ich glaube jedoch, dass es wichtig ist, daran zu denken, dass die Ressourcen nicht unendlich sind.
Seit dem 1. Januar sind Sie Direktorin am MPIKG und Leiterin der neu gegründeten Abteilung "Nachhaltige und bioinspirierte Materialien".
Woran forschen Sie derzeit?
Von den Pflanzen wenden wir uns langsam den Algen zu und wollen besser verstehen, wie sich diese Organismen schnell an unterschiedliche Umgebungen und Umweltbelastungen anpassen.
Was würden Sie gerne erreichen?
Ich hoffe, dass wir neue Strategien entwickeln werden, um künstliche Materialien herzustellen, die von natürlichen Materialien nicht zu unterscheiden sind, und diese in den Lebenszyklus des Planeten integrieren, ohne den bestehenden Zyklus zu zerstören.
Interview: Beatrix Boldt