„Wir können mit der Anlage alle Reststoffe verarbeiten“

„Wir können mit der Anlage alle Reststoffe verarbeiten“

Daniel Pleißner

Beruf:
Biotechnologe; promovierter Biologe

Position:
Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) e.V. und außerplanmäßiger Professor am Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie der Leuphana Universität Lüneburg



 

Apl.-Prof. Dr. Daniel Pleißner
Vorname
Daniel
Nachname
Pleißner

Beruf:
Biotechnologe; promovierter Biologe

Position:
Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) e.V. und außerplanmäßiger Professor am Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie der Leuphana Universität Lüneburg



 

Apl.-Prof. Dr. Daniel Pleißner

Daniel Pleißner hat gemeinsam mit Partnern eine mobile und modulare Bioraffinerie entwickelt, die Lebensmittelabfälle noch vor Ort in hochwerte Rohstoffe für neue Lebensmittel umwandeln kann.

Etwa zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr in Deutschland weggeworfen. Doch das, was gewöhnlich im Abfall oder Biokompost landet, enthält wertvolle organische Reststoffe. Biotechnologe Daniel Pleißner hat das Potenzial erkannt. Gemeinsam mit Partnern entwickelte der Lüneburger Experte eine flexible Bioraffinerie, die Lebensmittelabfälle direkt vor Ort in hochwertige Rohstoffe umwandeln kann. Herzstück der Waste-to-Resource-Unit-Anlage ist ein Bioreaktor, der die aus den Reststoffen gewonnenen Nährstoffe nutzt, um Mikroalgen zu kultivieren, die wiederum für neue gesunde Lebensmittel verwendet werden können. Aufgrund ihrer Container-Bauweise kann die Bio-Raffinerie modular zusammengesetzt werden und ist somit flexibel einsetzbar und gleichzeitig mobil. Die Waste-to-Resource-Unit-Anlage gehörte zu den Finalisten des 9. Deutschen Nachhaltigkeitspreises Forschung, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgelobt wurde.

Frage

Was verbirgt sich hinter „Waste-to-Resource-Unit“ und welchen bioökonomischen Nutzen hätte eine solche Bioraffinerie?

Antwort

Die Waste-to-Resource-Unit – kurz W2RU – ist ein innovatives, modulares Verfahren zur Biokonversion von Lebensmittelabfällen mittels heterotropher Mikroalgen zu proteinreicher Biomasse sowie zur simultanen Extraktion hochwertiger Chemikalien aus Lebensmittelabfällen. Das Verfahren trägt somit zur Wertschöpfung bei. Eine solche modulare und transportierbare Bioraffinerie kann als effektives Abfallverwertungsverfahren die Rohstoffeffizienz und Umweltbelastung verbessern.

Frage

Wie funktioniert die Anlage?

Antwort

Das Prinzip ist recht einfach. Die Anlage hydrolysiert organische Abfälle vor oder nach der Extraktion hochwertiger Chemikalien. Das Hydrolysat wird den Algen als Nährlösung bereitgestellt, die gebildete Biomasse geerntet und der Verwertung zugeführt. Man muss sich alle Prozesse nur sehr kompakt und miteinander verknüpft vorstellen. Da liegt die Herausforderung.

Frage

Herzstück der Bioraffinerie ist der Mikroalgen-Bioreaktor. In welchem Umfang wird hier Algenbiomasse produziert und wer soll die Algen später nutzen?

Antwort

Das Herzstück des Verfahrens ist die Kultivierung von heterotrophen Mikroalgen. Der Umfang der Produktion hängt dabei von den eingesetzten Substraten (Abfällen) und deren Zusammensetzung ab. Wir erhalten zum Beispiel bis zu 0,8 g Biomasse pro Gramm Glucose. Lebensmittelabfälle aus Haushalten oder Kantinen können bis zu 70 % Kohlenhydrate enthalten. Die gebildete Biomasse kann sehr proteinreich sein. Eine Anwendung in der Herstellung von Lebens- und Futtermitteln ist daher durchaus denkbar.

Frage

Welche Reststoffe können in der Anlage verarbeitet werden und welche organischen Verbindungen sind für die Algenproduktion nötig?

Antwort

Wir können mit der Anlage alle Reststoffe verarbeiten, die auch in einer Biogasanlage genutzt werden. Das heißt gemischte Lebensmittelabfälle aus Haushalten, Restaurants, Kantinen und Handel sowie Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung. Für die Algenproduktion benötigen wir Zucker und Aminosäuren, die aus Stärke, Cellulose oder Proteinen gewonnen werden können.

Frage

Wo könnte die Technologie konkret zum Einsatz kommen und sind technische Voraussetzungen seitens der Anwender erforderlich?

Antwort

Die Technologie kann grundsätzlich da zum Einsatz kommen, wo größere Mengen Lebensmittelabfälle beziehungsweise Reststoffe anfallen. Wir können uns vorstellen, dass lebensmittelverarbeitende Unternehmen diese Technologie einsetzen, um ressourceneffizienter zu arbeiten. Der Einsatz durch lokale Abfallverwerter ist ebenfalls denkbar. Besondere technische Voraussetzungen sind nicht nötig. Der Einsatz sollte überall möglich sein.

Frage

Wie ist der Stand der Entwicklung und wie geht es weiter?

Antwort

Der Stand der Entwicklung erlaubt es, eine Pilotanlage zu errichten. Wir sind gerade auf der Suche nach Kooperationspartnern und finanzieller Unterstützung, um das zu realisieren.

An der Entwicklung der Bioraffinerie waren auch Wolf Raber, Dr. Natalie Laibach, Dr. Boje Müller und Dr. Sergiy Smetana beteiligt.

Interview: Beatrix Boldt