Membranen für nachhaltige Industrieprozesse
Matthias WesslingBeruf: Chemietechniker, Membrantechnologe
Position: Professor für Chemische Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen und DWI Leibniz-Institut für Interaktive Materialien
Beruf: Chemietechniker, Membrantechnologe
Position: Professor für Chemische Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen und DWI Leibniz-Institut für Interaktive Materialien
Der Membrantechnologe Matthias Wessling von der RWTH Aachen ist Leibniz-Preisträger 2019. Im Interview erläutert er, wie breit das Anwendungspotenzial von synthetischen Membranen ist und wie sich Industrieprozesse damit nachhaltiger gestalten lassen.
Der Membran- und Polymerforscher Matthias Wessling ist Leibniz-Preisträger 2019 und erhält damit den hochrangigsten Forscherpreis, den die deutsche Wissenschaft zu vergeben hat. Er ist mit 2,5 Mio. Euro dotiert, das Preisgeld ist forschungsgebunden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) würdigt damit Wesslings wegweisende Arbeiten zum Verständnis und zur Herstellung semipermiabler – also teilweise durchlässiger – synthetischer Membranen. Im Interview erläutert er, wie sich innovative Membrantechnologien nutzen lassen und für welche industriellen Anwendungen das relevant ist.
Was fasziniert Sie an Membranen und wie gehen Sie vor, um das biologische Vorbild für technische Lösungen zu nutzen und zu optimieren?
Biologische Membranen kennzeichnen sich durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Wirkmechanismen. Zum einen treten verschiedenste organische Stoffe und Ionen parallel und gekoppelt durch die komplexe Membranarchitektur. Zum anderen finden in der Nähe der Membran auch noch gleichzeitig chemische Konversionen statt. Diese Integration aus selektivem Stofftransport und (Redox)-reaktionssystemen sind zwei Grundbausteine des Lebens. Verfahrens- und Prozesstechnisch werden wir niemals dieses hohe Maß an Integration realisieren können. Dennoch inspiriert mich gerade diese Kopplung aus Membrantransport und biologischer/chemischer Konversion. Wir integrieren deshalb Reaktorsysteme (biologisch, enzymatisch und elektrochemisch) mit selektivem Stofftransport durch synthetische Membranen.
Welche Methoden wenden Sie an, um Membranen zu erzeugen und diese zu untersuchen?
Die Faszination der Membransynthese liegt gerade in der Vielfalt der einsetzbaren Methoden. Wir lesen die neuesten Publikationen der Materialwissenschaften und stellen uns die Frage, ob und wie man neue Entdeckungen und Syntheseverfahren in realistische Membrankonzepte überführen kann. Dabei sind Aspekte wie die Nachhaltigkeit und die Skalierbarkeit des Syntheseverfahrens besonders wichtig: sie entscheiden oft, ob wir in einem gerade aufkeimenden Forschungsgebiet der Materialwissenschaften aktiv werden oder nicht.
Welche Anwendungen gibt es in Medizin, Biotechnologie und Umweltschutz?
Vielfältigste. Klassische Gebiete in der Medizin sind die Nierendialyse und die Blutoxygenierung. Die dort eingesetzten Membranen basieren auf Membranstrukturen, die industriell sehr etabliert sind. Dafür neue Konzepte zu entwickeln, ist sehr schwierig. Für zukunftsträchtig halte ich neue Therapien mit bestehenden Membranen, deren Porenstruktur leicht verändert werden kann. In der Biotechnologie gibt es viel Innovationspotenzial, vielleicht nicht so sehr im Bereich der Membransynthese, sondern im Bereich der Gestaltung von Modulen, in denen die Membran funktioniert. Wir haben mit der Firma Sartorius ein Modul entwickelt, das Proteinlösungen stabiler und präziser aufkonzentrieren und trennen kann. In der Umwelttechnologie wird es noch sehr viel Wachstumspotenzial geben, insbesondere in der Nutzung von Salzströmen, die zur Zeit noch nicht in einer Kreislaufwirtschaft genutzt werden können.
Wie könnte Ihre Membrantechnologie helfen, Produktionsprozesse in der chemischen Industrie nachhaltiger zu gestalten?
Wir stehen in engem Kontakt mit verschiedensten Industrien. Dabei ist es immer wieder eine Herausforderung, die lokalen Randbedingungen schnell zu verstehen und in ein Prozesskonzept umzusetzen. Wir arbeiten zur Zeit sehr stark daran, dieses immer schneller und immer genauer in silico ausführen zu können. Damit werden lange Pilotierungsphasen vor Ort verkürzt und weniger risikoreich.
Wie können Ihre Membranen helfen, die Biokraftstoffe der Zukunft herzustellen?
Im Gegensatz zu fossilen Kraftstoffen basiert die Produktion von Biokraftstoffen auf wässrigen Systemen. Die Verfahrensströme sind häufig auch noch sehr verdünnt und enthalten komplexe Salzmischungen. Diese Prozessströme rufen geradezu nach Membranprozessen wie Ultrafiltration, Nanofiltration und Elektrodialyse.
Interview: Philipp Graf