Hessen

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Hessen verfügt als traditionell starker Standort der Chemie- und Pharmaindustrie samt ansässigen Unternehmen, Verbänden, Forschungseinrichtungen und sehr guter Infrastruktur über ideale Voraussetzungen für eine biobasierte Transformation. Das Bundesland hat dieses Potenzial erkannt, insbesondere Politik und Wirtschaft haben wichtige Weichen für eine erfolgreiche Bioökonomie gestellt. Dabei setzen die Akteure vor allem auf nachhaltige, technische Lösungen für die Nutzung erneuerbarer Ressourcen und folgen einem wissensbasierten Ansatz.

Grundlagen: Politik & Forschung 

Die politische Federführung für die Bioökonomie in Hessen liegt beim Landesministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum (HMWEVW). Über eine ausführliche Strategie zur biobasierten Wirtschaft verfügt das Bundesland bislang nicht, die wichtigsten Handlungsschritte, Positionen und Potenziale hat man in mehreren Veröffentlichungen festgehalten. 

Als Auftakt für das hessische Engagement gilt ein Positionspapier von Politik- und Wirtschaftsvertretern, welches die Notwendigkeit und das große Potenzial der hessischen Bioökonomie-Entwicklung veranschaulicht. Im Jahr 2017 folgte die Veröffentlichung „Bioökonomie in Hessen – Auf dem Weg in die Wirtschaftsform der Zukunft“. Diese Publikation des Wirtschaftsministeriums unterstreicht die Wachstumschancen abermals und betont das angewandte Konzept einer wissensbasierten Bioökonomie, bei dem Technologien und Innovationen zur effizienten Nutzung biologischer Ressourcen im Mittelpunkt stehen. 

In der Broschüre „Biobasierte Technologien der Zukunft“ aus dem Jahr 2019 sind die wichtigsten Ziele, Vorteile und Schwerpunkte zusammengefasst. Der Themenfokus der hessischen Bioökonomie liegt auf innovativen Technologien der Bereiche Chemie, Pharma, biobasierte Funktionsmaterialen, Bioenergie und Anlagenbau. Der biobasierten Wirtschaft wird in der Hessischen Innovationsstrategie 2021 – 2027 einmal mehr Gewicht verliehen.

Wichtiger Partner bei diesen Aktivitäten war und ist die Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI), die landeseigene Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Landes. Sie initiierte 2020 im Auftrag des Landes Hessen den StartHub Hessen als zentrale Anlaufstelle hessischer Start-ups, um diese mit Gründerzentren und Förderern zusammenzubringen. Darüber hinaus setzt die HTAI seit 2017 die Wissenstransfer-Plattform „Technologieland Hessen“ um, die hessische Unternehmen in Bezug auf ihre zukunftsweisenden Innovationen – etwa im Innovationsfeld Life Science und Bioökonomie – informiert, berät und vernetzt. Mit dem „ABC der Bioökonomie“ ist 2022 eine Broschüre erschienen, die bioökonomische Schlüsselthemen und Anwendungsbeispiele aus Industrie und Forschung beleuchtet.

Dieses politisch-wirtschaftliche Engagement für die Bioökonomie ist eng mit den Forschungsinstitutionen und -aktivitäten Hessens verbunden. An den Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Landes finden Grundlagen- sowie angewandte Forschung im Bereich Bioökonomie statt. In hohem Maße sind diese Aktivitäten bei der Philipps-Universität Marburg zu Mikrobiologie und Pilzforschung, der Justus-Liebig-Universität Gießen im Bereich Insektenbiotechnologie (dazu mehr bei Förderung & Innovation) sowie der Universität Kassel, wo man umweltbezogen in den Agrar-, Ingenieur- und Materialwissenschaften forscht, zu finden.

Förderung & Innovation

Das hessische Wirtschaftsministerium unterstützt eine Vielzahl von Forschungs- und Industrieaktivitäten, um biobasierte Wertschöpfungsketten, Kreisläufe und Produkte zu entwickeln. Bundesweit einmalig ist das Programm zur Förderung von Spitzenforschung, LOEWE (Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz), das seit 2008 die hessische Forschungslandschaft stärkt. In fünf Förderlinien werden thematisch fokussierte Zentren, Schwerpunkte, Verbundvorhaben mit kleinen- und mittelständigen Unternehmen, eigene Professuren sowie Explorationsprojekte unterstützt.

Ein wichtiges Beispiel dafür ist das LOEWE-Zentrum für Insektenbiotechnologie und Bioressourcen (ZIB), das europaweit erste Zentrum für „Gelbe Biotechnologie“ (Insektenbiotechnologie). Ihm kommt eine Vorreiterrolle in dem jungen und innovativen Forschungsfeld mit hohen Wachstumsprognosen zu. An insgesamt sechs Standorten in Gießen und Frankfurt am Main werden basierend auf Insekten neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die biotechnologisch in der Medizin, im Pflanzenschutz oder zu industriellen Zwecken zum Einsatz kommen können. Das LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) wiederum untersucht die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt und zielt unter anderem darauf ab, gezielt biologisch aktive Substanzen zu identifizieren und neue Wege zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz von Bioressourcen zu eröffnen. Am LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO) werden Mikroorganismen mit maßgeschneiderten Eigenschaften synthetisch hergestellt, um damit Werkzeuge für die moderne Biotechnologie – etwa zur Produktion von Biokraftstoffen – bereitzustellen.

Weitere Förderschwerpunkte der Landesregierung sind Biotechnologie und Umwelttechnologie. Während der erste Fokus etwa dazu führt, Edelmetall aus Abfall mit Hilfe von Mikroben zu gewinnen, tragen Innovationen in der Umwelttechnologie zum Phosphor-Recycling aus Klärschlamm bei. Auch in der Forschung zur Synthetischen Biologie ist Hessen führend ist. Unter anderem am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg wird nicht nur an bioökonomischen Lösungen aus den genannten Bereichen geforscht, ein Schwerpunkt ist vor allem auch die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern. Auch die German Association for Synthetic Biology (GASB e.V.), ein Verein zur Förderung der synthetischen Biologie, hat ihren Ursprung in Marburg.

Durch BioBall (Bioökonomie im Ballungsraum), eines der vier bundesweit durch die BMBF-Fördermaßnahme "Innovationsräume Bioökonomie" eingerichteten Programme, werden innovative Forschungs- und Entwicklungsvorhaben gefördert, um eine biobasierte Wirtschaft zu etablieren. Ziel des Innovationsraums ist es, die stoffliche Nutzung von biogenen Rest- und Abfallstoffen – unter den besonderen Bedingungen der dicht besiedelten und industrialisierten Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main – zu verbessern.