Peptide für alle
Philipp BürlingBeruf:
Diplom-Wirtschaftsinformatiker
Position:
Mitgründer und Geschäftsführer der Numaferm GmbH in Düsseldorf
Beruf:
Diplom-Wirtschaftsinformatiker
Position:
Mitgründer und Geschäftsführer der Numaferm GmbH in Düsseldorf
Peptide sind Alleskönner, aber in der Herstellung teuer. Der Geschäftsführer des Düsseldorfer Startup Numaferm will die Proteinstückchen dank eines neuen Bioverfahrens schon bald kostengünstig allen Interessenten zur Verfügung stellen.
Peptide sind gefragte Kandidaten in der Kosmetik-oder Pharmaindustrie. Ihr Potenzial ist jedoch weitaus größer. Die aufwendige und teure Herstellung setzt dem industriellen Einsatz von Eiweißfragmenten allerdings noch Grenzen. Das Düsseldorfer Startup Numaferm hat hierfür ein neuartiges Werkzeug parat, um diese Hürde zu nehmen. Geschäftsführer Philipp Bürling ist überzeugt, dass die von seinem Geschäftspartner Christian Schwarz entwickelte Numaferm-Technologie die Herstellungskosten für Peptide drastisch reduzieren wird. In weniger als fünf Jahren will die Düsseldorfer Peptidschmiede die Alleskönner kostengünstig in großen Mengen den unterschiedlichsten Interessenten anbieten.
Was macht Peptide für Sie zu einem „Wunderrohstoff“?
Peptide haben aufgrund ihrer Charakteristika einzigartige Eigenschaften. Es sind meist lineare Ketten aus bis zu 100 Aminosäuren. Da in der Natur 20 verschiedene Aminosäuren vorkommen, ist die Anzahl verschiedener Peptide praktisch unbegrenzt und sie können sehr spezifisch in Ihrer Funktionalität sein. Zum anderen ist das Verhältnis von Oberfläche zu Molekulargewicht sehr groß: kleine Mengen entfalten große Wirkung! Drei Peptid-Eigenschaften sind besonders hervorzuheben: pharmazeutische, antimikrobielle und adhäsive. Kombiniert man diese Eigenschaften ergibt sich eine fast endlose Liste an Produktmöglichkeiten: zum Beispiel Unterwasser-Klebstoffe oder antimikrobielle Beschichtungen für sehr spezifische Oberflächen.
Was verbirgt sich hinter dem Numaferm-Verfahren und was sind die Vorteile Ihrer Technologie im Vergleich zur bisher chemischen Syntheseherstellung?
Das dominierende Herstellverfahren ist die chemische Synthese; ca. 85-90% aller Peptide werden so hergestellt. Für ein kg Peptid werden viele Tonnen an Rohstoffen benötigt, darunter Feinchemikalien und organische Lösungsmittel. Das ist teuer und passt aus unserer Sicht nicht in die Bioökonomie. Biotechnisch sind Peptide allerdings bisher sehr schwer herstellbar. Dies liegt allem voran an der Omnipräsenz von Proteasen, welche Peptide schon während der Produktion wieder zerstören. Es gibt genau einen „Ort“, der proteasefrei ist, nämlich die Umgebung von E. coli. Allerdings stellt deren doppelte Zellwand eine bisher nicht überwundene Hürde für eine effiziente Peptid-Expression dar. Genau hier liegt das Geheimnis unseres patentierten Verfahrens: uns gelingt die effiziente Expression von Peptiden in E. coli und der direkte Transport in die proteasefreie Umgebung. Wir erreichen hohe Ausbeuten mit hohen initialen Reinheiten. Quasi als Nebeneffekt wird auch noch der Aufreinigungsprozess vereinfacht.
Wodurch werden die Herstellungskosten für Peptide so drastisch reduziert?
Durchschnittlich lassen sich die Produktionskosten für Peptide mittels chemischer Synthese mit 1 Millionen € pro kg beziffern. Wie kosteneffizient die biotechnische Herstellung sein kann, wird tagtäglich an Enzymen gezeigt. Die Produktionskosten liegen hier teilweise bei 10 € pro kg. Mit dem Numaferm-Verfahren wollen wir uns nun an die Produktionskosten von Enzymen herantasten. Wo wir dabei landen werden, wird die Zukunft zeigen. Allenfalls werden wir bisherige Peptidkosten dramatisch senken können.
Wie ist das Interesse der Industrie auf die neue kostengünstige Peptidherstellungsmethode?
Das Interesse ist sehr groß. Für Industrien, in denen Peptide heute schon eingesetzt werden (Pharmazie, Kosmetik), bietet unsere Technologie ein großes Kostensenkungspotenzial. Ein Beispiel: es besteht das Ziel einige peptidbasierte Wirkstoffe künftig in orale Applikationen zu überführen. Die notwendige Erhöhung der Dosierung ist bislang nicht bezahlbar. Auch mit Unternehmen aus gänzlich anderen Bereichen arbeiten wir bereits gemeinsam an peptid-basierten Innovationen.
Für welche Anwendungen sind Ihre Peptide geeignet?
Neben den bereits genannten, etablierten Anwendungsfeldern als Wirkstoffsubstanzen in Pharmazie und Kosmetik sind Peptide auch für technische Anwendungen geeignet, beispielsweise als Spezialklebstoffe. Gerade bei solch technischen Anwendungen besitzen Peptide ein großes Innovationspotenzial, welches allerdings nur gehoben werden kann, wenn die Kosten für den Rohstoff drastisch reduziert werden. Auch für den Pflanzenschutz sind Anwendungen realistisch. In einem Kooperationsprojekt mit der Universität Bonn und der RWTH Aachen entwickeln wir gerade ein Fungizid, welches aus der Kombination eines an Blättern bindenden Peptids und einem antifungalen Peptid besteht. Der Vorteil hier: wenn es regnet bleibt das Pflanzenschutzmittel auf der Pflanze und landet nicht im Grundwasser. Dies sind nur zwei Beispiele und die Liste weiterer Anwendungen ist lang. Aus diesem Grund verstehen wir uns nicht allein als Expertern für die biotechnologische Herstellung von Peptiden, sondern sehen unsere Aufgabe auch darin, neue Branchen von dem Rohstoff zu überzeugen.
Was sind ihre nächsten Ziele?
Ein großer Fokus liegt darauf den Elfenbeinturm der Universität Düsseldorf zu verlassen, d. h. Kapitalgeber von Numaferm zu überzeugen, einen eigenen Firmensitz zu beziehen und als Spin-off operativ zu werden. Marktseitig arbeiten wir gerade intensiv daran Kunden und Kooperationspartner zu gewinnen. Denn gemeinsam mit den Endnutzern können wir unsere Entwicklungen am besten, d.h. marktgerecht, fortführen. Unser ehrgeiziges Ziel ist es in weniger als fünf Jahren die ersten Peptide im Tonnen-Maßstab anzubieten.
Interview: Beatrix Boldt