Plastikmüll-Alarm in der Arktis
Meeresbiologen aus Bremerhaven haben bei einer Expedition zum nördlichen Polarkreis erstmals Plastikmüll in arktischen Gewässern gesichtet. Nun schlagen die Forscher Alarm und warnen auch vor den Gefahren für die Meeresbewohner.
Die Verschmutzung der Weltmeere zu stoppen, ist eine globale Aufgabe, zu der sich die sieben großen Industrienationen der Welt beim G7-Gipfel im Sommer im bayrischen Elmau bekannt haben. Denn die Zahlen sind besorgniserregend: Bis zu acht Millionen Tonnen Plastikmüll werden jährlich aufs Meer hinausgetrieben und machen selbst vor der Arktis nicht halt. Dafür haben Forscher vom Alfred-Wegener-Institute am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) gemeinsam mit belgischen Wissenschaftlern Beweise gefunden. Im Fachjournal Polar Biology (Online-Veröffentlichung) berichtet das Team über die von ihnen gesammelten "Mülldaten" und deren Folgen für die Meeresbewohner. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka reagierte mit Besorgnis und appelliert: „Diese Entwicklung muss gestoppt werden“.
Plastik- und Chipstüten am Strand sind die sichtbaren Vorboten einer Vermüllung, die längst die Weltmeere erfasst hat. Laut einer im Jahr 2010 im Fachjournal Science erschienen Studie, landen jährlich etwa acht Millionen Tonnen Plastikmüll in den großen Gewässern unserer Erde. Inzwischen gibt es fünf große Müllteppiche aus Kunststoffresten: im Südpazifik, im Atlantik, im Mittelmeer, im Indischen Ozean und Nordpazifik , wobei letzterer als der größte Dreckteppich gilt. Der zwischen Nordamerika und Asien angehäufte Müllstrudel hat inzwischen die Größe Westeuropas erreicht. Sogenannte Müllflecken entstehen, wenn viele der im Wasser treibenden Plastikteile früher oder später von großen kreisenden Meeresströmungen eingefangen werden und sich im Zentrum dieser Wirbel konzentrieren.
Erste Müllzählung am nördlichen Polarkreis
Meeresbiologen vom Alfred-Wegener-Institutes am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) liefern nun in einer aktuellen Studie Anhaltspunkte dafür, dass ein sechster Müllflecken wahrscheinlich gerade in der Barentssee entsteht. Im Jahr 2012 hatte das Team gemeinsam mit belgischen Forschern vom Laboratory for Polar Ecology eine erste große Müllzählung nördlich des Polarkreises durchgeführt. Das Ergebnis war ernüchternd: Selbst in der Arktis treiben inzwischen Plastikteile auf der Meeresoberfläche. Ihre sogenannte Müllwache erstreckte sich dabei über insgesamt 5.600 Kilometer.
Arktis-Verschnutzung offenbar weitaus großer
Wie das Team um Melanie Bergmann in der nun erschienen Studie schreibt, zählten sie insgesamt 31 entsprechende Müllteile. Die Zahl, so gering sie scheint, ist dennoch alarmierend. Denn die auf der Meeresoberfläche treibenden Kunststoffreste sind Bergmann zufolge nur die Spitze des Eisberges. „Da wir die Zählungen von der Schiffsbrücke aus, also 18 Meter über der Meeresoberfläche, beziehungsweise von Bord eines Hubschraubers gemacht haben, haben wir natürlich in erster Linie großes Treibgut erfasst. Unsere Zahlen sind deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach eine Untertreibung des tatsächlichen Müllbestandes", sagt die AWI-Meeresbiologin Melanie Bergmann.
Plastikmüll bedroht Meerestiere
Das Problem: Kunststoffteile zersetzen sich allmählich im Wasser. Das Gros landet auf dem Meeresgrund und vergiftet in Form von zersetzter Mikroplastik nicht nur das Meer selbst, sondern auch deren Bewohner. Plastikreste wurden unter anderem schon in den Mägen von Seevögeln und Grönlandhaien gefunden. Der Studie zufolge ist das, was auf dem Meeresboden der von den Forschern untersuchten Framstraße lagert, 10 bis 100 mal höher als das, was an der Wasseroberfläche treibt.
Neuer Müllstrudel könnte Plastik in die Arktis treiben
Wie der Müll in die Arktis gelangt ist, ist noch unklar. Bergmann und ihr Team vermuten jedoch, dass die Kunststoffteile aus einem neuen Müllstrudel stammen könnten, der sich Computermodellen zufolge seit einigen Jahren in der Barentssee nördlich Norwegens und Russlands bildet. "Eine andere Ursache für die Müllfunde in der Arktis könnte der Rückgang des arktischen Meereises sein, wodurch immer mehr Fischtrawler, dem Kabeljau folgend, weiter nach Norden vorstoßen. Vermutlich gelangt von den Schiffen Müll absichtlich oder aus Versehen in die arktischen Gewässer“, so Bergmann weiter.
Aktion gegen Plastik im Meer
„Diese Entwicklung muss gestoppt werden“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka zu den Ergebnissen der neuen Studie. In ihrer Stellungnahme machte die Ministerin unmissverständlich klar, dass Plastik nicht in die Umwelt gehöre und gehandelt werden muss. „Wir brauchen endlich eine gesicherte und vergleichbare Datenlage, verlässliche Aussagen zu den Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme und die Gesundheit des Menschen und wie Plastikmüll vermieden sowie am besten aus der Umwelt beseitigt werden kann“. Um gegen diese globale Umweltgefahr durch Plastikmüll anzukämpfen, hat das BMBF auf EU-Ebene bereits im Frühjahr den Start des Forschungsprogramms „Mikroplastik in marinen Systemen“ maßgeblich mitinitiiert. Daran sind auch Forscher vom AWI maßgeblich mit beteiligt.