Molekulare Präzisionswaffe gegen den Kartoffelkäfer

Molekulare Präzisionswaffe gegen den Kartoffelkäfer

Potsdamer und Jenaer Max-Planck-Forscher haben mit einem molekularen Trick Kartoffelpflanzen hergestellt, die zielgerichtet Kartoffelkäfern zusetzen.

Ein Kartoffelkäfer verputzt pro Tag 40 Quadratzentimeter Pflanzenmaterial. Doch mit einem molekularen Trick wollen Potsdamer Forscher den Insekten den Appetit verderben.
Ein Kartoffelkäfer verputzt pro Tag 40 Quadratzentimeter Pflanzenmaterial. Doch mit einem molekularen Trick wollen Potsdamer Forsc

Kartoffelkäfer sind äußerst gefräßige und robuste Schädlinge. Sie haben kaum natürliche Feinde, und werden deshalb mit Pestiziden bekämpft. Doch die Insekten haben Resistenzen gegen nahezu alle Wirkstoffe entwickelt. Max-Planck-Forscher aus Potsdam-Golm und Jena haben nun Kartoffelpflanzen entwickelt, die mittels RNA-Interferenz (RNAi) vor den Käfern geschützt werden können. Dazu statten sie die Pflanzen mit einem molekularen Trick so aus, dass diese doppelsträngige RNA-Moleküle (dsRNAs) in ihren Chloroplasten herstellen können. Die RNA-Moleküle sind gegen lebenswichtige Gene des Kartoffelkäfers gerichtet und wirken wie ein präzises Insektizid. Die Forscher berichten im Fachjournal Science (2015, Bd. 347, S. 991).

Kartoffelkäfer sind bei Gemüsebauern gefürchtet: Die Insekten wurden Ende des 19. Jahrhundert von Amerika nach Europa eingeschleppt und können große Schäden in der Landwirtschaft verursachen. Heute sind sie weltweit verbreitet. Neben Kartoffelblättern machen die Käfer und ihre Larven auch vor dem Grün anderer Nachtschattengewächse, wie zum Beispiel Tomate, Paprika oder Tabak nicht halt. Da natürliche Feinde Mangelware sind, haben Landwirte mit der chemischen Keule versucht, gegen die Schädlinge vorzugehen. Doch gegen sämtliche Pestizidklassen haben die Kartoffelkäfer mittlerweile Resistenzen entwickelt.

RNA-Moleküle als Waffe

Eine neuartige Präzisionswaffe haben Pflanzenbiotechnologen aus Potsdam entwickelt. Ihre Wirkung basiert auf dem molekularbiologischen Phänomen der  RNA-Interferenz (RNAi). In der Zelle spielt RNAi eine Rolle bei der Steuerung der Genaktivität. Pflanzen, Pilze und Insekten schützt die RNAi aber auch vor bestimmten Viren. Bei einer Infektion schleusen die Erreger ihre Erbsubstanz in Form von doppelsträngiger RNA (dsRNA) in die Zellen ihres Wirts ein, um sich dort zu vermehren. Bei der Vervielfältigung der viralen RNA in der Zelle wird diese durch das RNAi-System des befallenen Wirts erkannt und in kleinere Stücke zerlegt.

Wirkungsvolles Insektizid

Die entstehenden RNA-Schnipsel nutzt die Zelle für die Erkennung und Zerstörung der fremden RNA. Dieser Mechanismus lässt sich auch künstlich nutzen, indem man dsRNAs in eine Zelle einbringt, die genau zur Boten-RNA (mRNA) eines speziellen Gens passt. Wählt man als Ziel ein lebenswichtiges Gen eines Schädlings, so wird aus der dsRNA ein sehr präzises und wirkungsvolles Insektizid. Die dsRNAs gelangen über das Verdauungssystem in die Zellen des Insekts und können dort die Produktion des entsprechenden Proteins verringern oder sogar vollständig blockieren. „Pflanzen, die für Schädlinge giftige dsRNA produzieren, gibt es zwar schon. „Sie waren bislang aber nicht vollständig geschützt “, erklärt Ralph Bock vom MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie. „Schuld daran ist das pflanzeneigene RNAi-System, das die Ansammlung größerer Mengen fremder dsRNA verhindert. Als mögliche Lösung dieses Problems erschien uns die Produktion von dsRNA in den Chloroplasten.“ Diese Zellorganellen stammen von ursprünglich frei lebenden Cyanobakterien ab, die kein RNAi-System besitzen. Die Forscher um Ralph Bock schleusten die dsRNA daher gezielt in die Chlorplasten ein. „Mit Hilfe der Chloroplastentransformation ist es uns gelungen Kartoffelpflanzen herzustellen, die große Mengen langer dsRNAs stabil in den Chloroplasten anreichern“, so Ralph Bock. Die RNA-Moleküle schalten in den Darmzellen des Kartoffelkäfers das Aktin-Gen aus, das für diese Insekten lebenswichtig ist.

Smarte, grüne Gentechnik

Für alle Käferlarven war diese Kost innerhalb von fünf Tagen zu 100 Prozent tödlich, berichten Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. Im Gegensatz dazu starben die Larven nur selten, wenn sie an Kartoffelpflanzen nagten, deren Erbgut auf herkömmliche Weise, also im Zellkern, gentechnisch verändert wurde. Die Larven wuchsen lediglich langsamer. Durch den Bypass über die Chloroplasten stellt die RNAi-Technologie nach Ansicht der Forscher eine zukunftsweisende Strategie in der Schädlingsbekämpfung dar. Die Methode ermögliche gezielten Schutz ohne Chemikalien und ohne die Produktion fremder Proteine in der Pflanze. Gleichwohl handelt es sich um Grüne Gentechnik – so dass ein Einsatz auf dem Kartoffelacker mit Blick auf die bestehenden Anbauverbote hierzulande fraglich ist.