Die Pharmaindustrie nutzt Kollagenase-Enzyme wegen ihrer gewebeauflösenden Wirkung als Zusatz für Salben, um chronische Wunden zu behandeln. Außerdem werden die Eiweißmoleküle in der Zellisolierung eingesetzt. Das Problem: Die Kollagenasen werden von Bakterien synthetisiert, die in Wachstumsmedien kultiviert werden, deren Bestandteile tierischer Herkunft sind. Diese können mit Viren oder BSE-Erregern kontaminiert sein. Der Kollagenasespezialist Nordmark Arzneimittel GmbH & Co.KG hat nun eine bakterielle Kollagenase auf Basis rein pflanzlicher Rohstoffe entwickelt, die das Risiko einer Übertragung von Krankheitserregern ausschließt. Das Projekt wurde im Rahmen der Förderinitiative „KMU-innovativ“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über drei Jahre mit 546.000 Euro gefördert. Mit der neu entwickelten Kollagenase werden bereits Zellisolierungen erfolgreich durchgeführt.
Kollagenasen sind Enzyme, die das Strukturprotein Kollagen abbauen, das mit 30 Prozent den größten Anteil der Eiweiße im Bindegewebe der Haut von Menschen und einigen Tieren ausmacht. Dieser offensichtlich negative Effekt der Gewebeauflösung hat aber auch positive Seiten. So werden von Bakterien erzeugte Kollagenasen von der Pharmaindustrie bei der Herstellung von Salben zur Behandlung chronischer Wunden genutzt. Darüber hinaus werden sie im klinischen Alltag zur Isolierung bestimmter Zellen aus einem Gewebe eingesetzt. Auch bei der Gewebeherstellung im Labor – dem Tissue Engineering – gewinnen Kollagenasen zunehmend an Bedeutung.
Hohe Sicherheitsvorgaben für Kollagenasen-Hersteller
Bisher wuchsen alle für die Kollagenase-Produktion genutzten Bakterien auf Nährmedien mit tierischen Bestandteilen, wie auf Fleischpeptonen, ein Pulver aus vorverdautem, getrocknetem und gemahlenem Fleisch. Das Problem: „Es gibt bei Ausgangsstoffen tierischer Herkunft, vor allem bei solchen vom Rind, das Risiko, dass diese mit Krankheitserregern wie Vieren kontaminiert sein könnten. Die Zulassungs- und Aussichtbehörden verlangen hier umfangreiche Maßnahmen von den Herstellern, um das Risiko der Kontamination von Arzneimitteln und der damit einhergehenden potenziellen Gefährdung von Patienten zu minimieren", erklärt Mikrobiologe Thomas Schräder von Nordmark Arzneimittel.
Das Unternehmen aus Uetersen ist einer der Weltmarktführer im Bereich der Herstellung von Kollagenase Wirkstoffen und stellt auf Basis dieser Wirkstoffe Salben zur Wundbehandlung und Enzym-Kits zur Zellisolierung her. Nordmark suchte in den vergangenen Jahren daher nach einem Nährmedium für seine neuen Kollagenase-produzierenden Bakterienstämme, das frei von tierischen Bestandteilen ist. Das Projekt wurde im Rahmen einer KMU-innovativ-Förderung durch das BMBF mit 546.000 Euro unterstützt. Im Ergebnis wurde eine kommerziell verwertbare bakterielle Kollagenase entwickelt, die beim Wachstum eines neu isolierten Bakterienstamms auf einem rein pflanzlichen Nährmedium produziert wird.
Bakterienstamm mit Vorliebe für Pflanzen-Kost gesucht
Nicht ohne Skepsis gingen Schräder und sein Team auf die Suche. Sie fahndeten nach einem mikrobiellen Kollagenase-Produzenten, der gleichzeitig vegetarische Kost bevorzugt. „Eigentlich haben wir anfangs nicht erwartet, etwas Verwertbares zu finden. Ein Bakterium produziert in der Regel nur Enzyme, die es zum Überleben benötigt. In Pflanzenbestandteilen ist kein Kollagen wie in tierischen Gewebe enthalten, somit besteht für das Bakterium keine Notwendigkeit Kollagenasen zu produzieren“. Doch die Nordmark-Forscher sollten überrascht werden. Bei ihrer Suche stießen sie auf verschiedene Stämme des Bakteriums Clostridium histolyticum, das in der Natur weitverbreitet ist. Viele verschiedene Stämme nahmen sie unter die Lupe und ließen sie auf verschiedenen pflanzlichen Medien wachsen.
Gefriertrocknungsanlag bei Nordmark Arzneimittel
Hohe Kollagenase-Ausbeute bei Pflanzenkost
Bei der „Pflanzenkost“ gelang es schließlich ein geeignetes Medium zu finden. Warum der Bakterienstamm auch auf pflanzlichen Medien Kollagenase produziert, ist den Forschern noch ein Rätsel. Fest steht jedoch: Die Ausbeute übertraf alle Erwartungen. „Unser neuer Stamm produziert deutlich mehr Kollagenase, als der vorhandene Bakterienstamm, der auf Fleischpepton wächst“. Im Rahmen weiterer Entwicklungsarbeiten konnte auch der Aufreinigungsprozess für die „Vegetarier“-Kollagenase optimiert werden. „Im Ergebnis haben wir einen Prozess, der nicht nur deutlich schlanker ist, sondern auch noch gegenüber dem etablierten Verfahren eine deutlich höhere Ausbeute liefert und damit insgesamt deutlich kostengünstiger ist“.
Zellisolierung mit neuer Kollagenase
Unter dem Namen KollagenaseAF (Animal Free) ist das Produkte bereits auf dem Markt. Bisher aber nur für eine Anwendung. KollagenaseAF wird schon weltweit an Kunden verkauft, die Zellisolierungen durchführen“, berichtet Schräder. Dabei werden insbesondere Insulin produzierende Inselzellen aus der Bauchspeicheldrüse, mithilfe der neuen Kollagenase isoliert und Diabetikern implantiert, so dass diese kein Insulin mehr spritzen müssen. „Mit der Kollagenase bieten wir Medizinern ein Werkzeug, um diese Zellen gezielt zu isolieren“, so Schräder weiter. Als Nächstes soll die Kollagenase AF auch als pharmazeutischer Wirkstoff entwickelt werden. Noch liegt die neue Kollagenase AF als gefriergetrocknetes Pulver vor. Doch an einer wässrigen Formulierung arbeiten die Nordmark-Forscher bereits.
Autorin: Beatrix Boldt